"Die Ehe ist ein äußerlich, weltlich Ding." Das hat Martin Luther 1530 in seiner Schrift "Von Ehesachen" betont. Und das schlug sich auch später in der Einheit zwischen Thron und Altar nieder, sagt Horst Gorski, Vizepräsident im Kirchenamt der EKD.
"Bis 1871, bis Einführung des Personenstandsgesetzes in Preußen, waren staatlicher und kirchlicher Akt gar nicht zu trennen. Und bis dahin gab es gar nicht die Notwendigkeiten, dass die Kirchen reflektiert haben, was ist unser evangelisches Eheverständnis. Sie waren Teil einer Gesamtheit mit dem Staat, haben die Rituale vollzogen und damit war es gut."
Doch Luther sprach von der Ehe nicht nur als "ein weltlich Ding", sondern auch als "ein heiliger Stand".
"Martin Luther hat die Ehe in gewisser Weise aufgewertet gegenüber dem Zölibat und dem Klosterleben. Weil in der Theologie seiner Zeit, da wurde am höchsten gewertet, wenn man ins Kloster geht, das war der heilige Stand, und dass Luther von der Ehe als heiligem Stand gesprochen hat, sollte eine Aufwertung der Ehe sein."
"Es geht um etwas Größeres"
Die Ehe ist aus protestantischer Perspektive mehr als ein staatlicher Rechtsakt: Sie steht für Christinnen und Christen unter Gottes Segen und Gottes Schutz, betont Petra Bahr, Regionalbischöfin im Sprengel Hannover:
"Wichtig ist, daran zu erinnern, dass auch der kirchliche Segen aus Anlass einer Eheschließung nicht nur das Paar und seine Liebe segnet, sondern dass mit evangelischer Ehe auch immer eine Institution verbunden ist, als etwas, was größer ist als das, was ein Paar gemeinsam lebt, egal in welcher Konstellation."
Für die evangelische Theologin ist die Institution der Ehe stark gebunden an Vergangenheit und Zukunft. Es gehe um Tradition und Nachkommenschaft, die man aber nicht auf das rein Biologische reduzieren dürfe:
"Es geht nicht um die Kleinfamilie, aber es geht darum, dass sich in einem Paar andeutet die Sicherung der Zukunft, von Geschlecht zu Geschlecht. Diese institutionelle Dimension, die muss man theologisch stark machen gegenüber einem normativen Individualismus, der nur fragt: Mögen sich die beiden auch? Es geht nicht nur um diese beiden, sondern um etwas Größeres, was vor uns war und nach uns kommt."
Doch diese Institution, dieses "Größere" scheint für viele, auch evangelische Paare, nicht unbedingt im Vordergrund zu stehen. Oft soll gerade die kirchliche Trauung zu einem besonderen Event werden; Pfarrerinnen und Pfarrer sehen sich mit zum Teil ausgefallenen Wünschen für die Hochzeit konfrontiert. Horst Gorski:
"Es ist zwar richtig, dass in Zeiten hoher Individualisierung die Brautpaare mit speziellen Wünschen kommen der Gestaltung, wo man sich schon fragen kann: Was wollen die eigentlich? Aber das ist die Oberfläche - wenn man mit den Menschen ins Gespräch kommt, dann sieht man, die suchen noch was anderes für ihr Leben, was Religiöses."
"Es ist zwar richtig, dass in Zeiten hoher Individualisierung die Brautpaare mit speziellen Wünschen kommen der Gestaltung, wo man sich schon fragen kann: Was wollen die eigentlich? Aber das ist die Oberfläche - wenn man mit den Menschen ins Gespräch kommt, dann sieht man, die suchen noch was anderes für ihr Leben, was Religiöses."
Während die Anzahl der staatlichen Trauungen in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen ist, geht der Trend bei den kirchlichen Trauungen in die andere Richtung. So gab es im vergangenen Jahr 44.000 evangelische Trauungen, das ist ein Fünftel weniger als vor zehn Jahren.
"Der Gewissensvorbehalt gehört zur evangelischen Freiheit"
Doch was zeichnet eine evangelische Trauung überhaupt aus? Die Ehe ist - im Gegensatz zur katholischen Kirche - kein Sakrament, das heißt: sie ist nicht heilsnotwendig. Und obwohl seit 2009 - nach Änderung des Personenstandgesetzes - eine religiöse Hochzeit auch ohne vorherige standesamtliche Trauung möglich ist, verzichten die Kirchen darauf: Nach wie vor ist Voraussetzung für die kirchliche Hochzeit die staatliche Trauung auf dem Standesamt. Evangelische Trauungen sind eigentlich keine gesonderten Rituale, sondern Gottesdienste anlässlich einer standesamtlichen Eheschließung. Trotz dieser nüchternen Umschreibung: es geht theologisch um den Zuspruch Gottes und der Gemeinde sowie um die Segnung der ehelichen Gemeinschaft. Vor dem Altar versprechen sich die Ehepartner lebenslange Liebe, Fürsorge und Treue. Die Formel "… bis dass der Tod euch scheide" kam in den deutschen Agenden allerdings erst Ende des 19. Jahrhunderts auf. Martin Luther hatte lediglich das Matthäus-Evangelium zitiert:
"Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden."
Das gilt nun auch in rund einem Drittel der Landeskirchen, dort sind gleichgeschlechtliche Trauungen möglich. Doch auch in diesen Landeskirchen gilt in der Regel, dass der einzelne Pfarrer eine Trauung verweigern kann.
"Das Abstandsgebot war nicht theologisch zu begründen"
In rund der Hälfte der Landeskirchen werden schwule und lesbische Paare nicht getraut, sondern nur gesegnet.
"Es ist immer deutlicher geworden, dass, wenn man Trauung auf ihren theologischen Kern zurückführt, sie in der Tat nichts anderes ist als ein Segen. Das ist der deutliche Unterschied zum katholischen Sakramentsverständnis", sagt Horst Gorski, Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD.
"Dass man lange Zeit an einem Abstandsgebot zwischen Trauung und Segnung festgehalten hat, war nicht wirklich theologisch zu begründen, sondern war eher eine Frage der Tradition, dass man gedacht hat, es kann doch nicht das Gleiche sein."
Dieses Abstandsgebot, um den besonderen Charakter der heterosexuellen Ehe zu unterstreichen, betonen noch immer die meisten Landeskirchen: unter anderem die Landeskirche Sachsens, die Württembergische, die Oldenburger und die Braunschweiger. Betont wird in diesen Landeskirchen auch, dass nicht die gleichgeschlechtlichen Paare gesegnet werden, sondern nur den beiden Menschen der Segen zugesprochen werde.
"Wie bleibt man verheiratet?"
In die Diskussion geraten war das evangelische Eheverständnis spätestens vor fünf Jahren mit dem Orientierungspapier der EKD zu Ehe und Familie. Viele konservative Protestanten hatten das Gefühl, hier werde die Ehe generell zur Disposition und allen anderen Lebensformen gleichgestellt. Horst Gorski sagt, das sei ein Missverständnis gewesen.
"Dabei war nur gemeint, vom hohen Ross herabzusteigen und Menschen, deren Leben aus welchen Gründen auch immer anders verläuft und die das Leben neu ordnen müssen, keine Verurteilungen mehr auszusprechen."
Petra Bahr plädiert dafür, dass ihre Kirche weniger den Fokus auf das mögliche Scheitern einer Ehe legt. Die Kirchen sollten Paare auf dem manchmal schwierigen Weg der Ehe intensiver begleiten.
Sie sagt: "Der heilige Stand weist darauf hin, dass vielleicht die eigentliche Herausforderung gar nicht die ist: Wie beginnt man eine Ehe? Sondern: Wie bleibt man verheiratet?"
Auch jenseits der Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare getraut oder nur gesegnet werden sollen: Das evangelische Eheverständnis befindet sich im Umbruch. Das von Luther skizzierte Spannungsfeld zwischen dem "weltlich Ding" und dem "heiligen Stand" wird immer offensichtlicher. Das christliche Eheverständnis löst sich mehr und mehr vom staatlichen Ehebegriff. Und selbst wenn Kirchenmitglieder heiraten, dürfte ihr Ja-Wort weniger der christlichen Institution als der partnerschaftlichen Beziehung zueinander gelten.