Steuerpolitik
Ehegattensplitting – Was für und was gegen eine Abschaffung spricht

Durch das Ehegattensplitting können verheiratete Paare Steuern sparen. Kritiker argumentieren, dass das Verfahren neuere Partnerschaftsmodelle missachte und vor allem Frauen von Berufskarrieren abhalte. Dennoch möchte die Politik es beibehalten.

19.07.2024
    Ein Schild mit der Aufschrift „Just Married“ hängt auf der Rückseite eines blauen VW-Käfers und verdeckt das Nummernschild. An den Stoßstange sind Blechdosen an einem Seil angebracht, die auf dem Boden liegen.
    Ab dem Zeitpunkt der Hochzeit werden beide Partner vom Finanzamt standardmäßig zusammen veranlagt, also steuerlich abgerechnet. Dieses sogenannte Ehegattensplitting steht in der Kritik. (picture alliance / Zoonar / Manuela Schueler)
    Sobald zwei Menschen heiraten, werden sie fortan zusammen veranlagt, also gemeinsam steuerlich abgerechnet. (Es sei denn, es wird ausdrücklich eine Einzelveranlagung gewünscht.) Beide müssen dann nur noch eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, anstatt zwei separate - wie vor der Heirat. Mit dieser Zusammenveranlagung wird automatisch der sogenannte Splittingtarif bei der steuerlichen Abrechnung angewendet. Diese Methode, die auch als Ehegattensplitting bezeichnet wird, soll Verheirateten finanzielle Vorteile bringen – steht aber ebenso immer wieder in der Kritik.
    Wichtig, zu verstehen: Für welche Steuerklassenkombination sich ein Ehepaar entscheidet (ob Klasse 3 und 5, Klasse 4 und 4 ohne Faktor oder aber Klasse 4 und 4 mit Faktor), hat keinen Einfluss darauf, ob das Ehegattensplitting zum Tragen kommt oder nicht. Sobald ein Paar gemeinsam veranlagt wird, wird automatisch der Splittingtarif angewendet – so lange, bis das Paar einer gemeinsamen Veranlagung widerspricht.

    Inhalt

    Was ist das Ehegattensplitting?

    Beim Ehegattensplitting wird so getan, als ob beide Partner gleich viel zum Haushaltseinkommen beitragen – was in den meisten Ehen nicht der Fall ist. Dadurch muss der Partner mit dem höheren Einkommen nicht so hohe Steuern zahlen, wie er es normalerweise tun müsste. Denn die Steuer in Deutschland wächst progressiv an: Je höher das Einkommen, desto höher die prozentuale Steuer.
    In einer Ehe kann derjenige, der weniger verdient (meist sind es Frauen) die Steuerlast des Besserverdienenden abmildern. Dadurch müssen Paare mit unterschiedlich hohen Einkommen weniger Steuern bezahlen, als wenn beide einzeln als Alleinstehende besteuert würden.
    So funktioniert Ehegattensplitting
    Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame Einkommen eines Paares rechnerisch halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Davon profitieren bei der Steuer vor allem Paare, bei denen einer viel und der andere wenig verdient.
    Bei einem Ehepartner, der sehr gut verdient, und einem Partner, der deutlich weniger verdient, wird dadurch ein Teil des hohen Einkommens nicht mehr vom Spitzensteuersatz erfasst. Das Paar spart Geld. Dieser Vorteil ist umso größer, je weniger der zweite Partner (oder meistens die Partnerin) verdient.
    Wenn das zu versteuernde Einkommen des besserverdienenden Parts einer Ehe sehr hoch ist, beträgt der maximale Vorteil durch das Ehegattensplitting fast 20.000 Euro pro Jahr, sagt Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

    Gibt es politische Mehrheiten für die Abschaffung des Ehegattensplittings?

    Nein. Aber es gibt immer wieder Politikerinnen und Politiker, die eine Abschaffung fordern. Zuletzt hatte Familienministerin Lisa Paus in der „Bild“ davon gesprochen, dass hier ein veraltetes Instrument weiter bestehe, „das allein die klassische Ehe steuerlich begünstigt“. Trotzdem finden sich keine Mehrheiten, um das Ehegattensplitting zu streichen.
    Schon die Regierung unter Helmut Kohl versuchte 1980, am Ehegattensplitting zu rütteln, später dann – um die Jahrtausendwende – die rot-grüne Regierung mit ihrer Idee, die Splitting-Wirkung auf 8.000 D-Mark zu begrenzen.
    Auch im Bundeswahlkampf 2013 haben die Grünen das Thema prominent platziert, die SPD 2017 – das hat ihnen politisch keine Pluspunkte gebracht. Katharina Wrohlich vom DIW meint, viele Parteien sähen, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings „kein Gewinnerthema“ sei. Auch von der derzeitigen Regierungskoalition wird das Ehegattensplitting nicht angetastet.
    Warum? Grundsätzlich macht sich jede Partei damit unbeliebt, Steuererleichterungen zu streichen. Zum anderen träfe die Reform vor allem Ehepaare, bei denen einer sehr gut verdient. Die Gruppe der gut situierten Alleinverdiener ist eine klassische Wählerklientel der FDP. Bei der CDU finden immer noch Befürworter einer eher traditionellen Ehe ein Zuhause.

    Was spricht dafür, das Ehegattensplitting abzuschaffen?

    Weniger Geschlechter-Ungleichheit
    Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) würde eine Abschaffung des Ehegattensplittings die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt reduzieren.
    Ein Diagramm zeigt den Anteil der Teilzeiterwerbstätigen in Deutschland nach Geschlecht (von 2011 bis 2023)
    Anteil der Teilzeiterwerbstätigen in Deutschland nach Geschlecht (von 2011 bis 2023) (Statista / destatis.de)
    Denn die Hauptkritik lautet, dass das Splitting ein starker Anreiz für Frauen in Gutverdiener-Ehen sei, nicht oder sehr wenig zu arbeiten. Ähnlich argumentiert auch der Sachverständigenrat für Wirtschaft, der die Bundesregierung berät. Er – und besonders die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer – empfehlen, das Ehegattensplitting zu reformieren, damit Zweitverdiener Anreize bekommen, mehr zu arbeiten.
    Zu den prominenten Befürwortern einer Abschaffung des Ehegattensplittings zählt auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Er greift das Thema in seiner Konjunkturprognose auf - und sieht im Splitting einen der Gründe, warum in Deutschland 2,3 Millionen weniger Frauen als Männer erwerbstätig sind.
    Denn: Der Steuervorteil durch das Ehegattensplitting fällt besonders groß aus, wenn der eine viel und der andere sehr wenig oder nichts verdient.
    Ein Balkendiagramm zeigt die Vollzeit- und Teilzeitquote von erwerbstätigen Männern und Frauen mit minderjährigen Kindern im Haushalt im Jahr 2019.
    Vollzeit- und Teilzeitquote von erwerbstätigen Männern und Frauen mit minderjährigen Kindern im Haushalt im Jahr 2019 (Statista /genesis.destatis.de)
    Der Anreiz wird dadurch verstärkt, dass Ehepartner, die nicht arbeiten, in der gesetzlichen Krankenversicherung des Partners kostenlos mitversichert sind. Und: Um den Splittingvorteil nicht zu verlieren, stecken Frauen auch häufig in steuerbegünstigten Minijobs fest – ohne soziale Absicherung.
    Erhöhtes Bruttoinlandsprodukt
    Volkswirtschaftlich hätte die Abschaffung des Splittings laut Simulationen des RWI positive Folgen: Durch die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen könnte das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 1,5 Prozent steigen.
    These: Ohne Ehegattensplitting mehr Fachkräfte
    Das RWI geht außerdem davon aus, dass eine Abschaffung des Splittings gegen den Fachkräftemangel helfen würde: Wenn das Steueraufkommen gleich bliebe, würden durch den Wegfall des Splittings mehr als eine halbe Million zusätzliche Vollzeitkräfte zur Verfügung stehen. Die Ökonomin Nicola Fuchs-Schündeln sagt, durch das Splitting gehe dem Arbeitsmarkt viel Talent verloren. Die Hälfte der Uniabsolventinnen seien Frauen.

    Was spricht für eine Beibehaltung des Ehegattensplittings?

    Jahrelang war ein geläufiges Argument für das Ehegattensplitting, dass es mehr arbeitslose Männer gebe, wenn Frauen Anreize hätten, mehr arbeiten zu gehen: Noch im Jahr 1999 sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Carl-Ludwig Thiele, das würde „das Heer der Arbeitslosen tendenziell vergrößern“.
    Ein weiteres oft genanntes Argument: Das Splitting helfe Familien, weil es ermögliche, dass sich ein Elternteil stärker um die Kinder kümmern kann. Dagegen spricht, dass das Ehegattensplitting kein Familiensplitting ist, sondern auch Ehepaaren ohne Kinder zugutekommt. Zudem wird mehr als jedes dritte Kind außerhalb einer Ehe geboren.
    Höhere Steuerlast ohne Ehegattensplitting?
    Heute ist eines der Hauptargumente für das Ehegattensplitting: Eine reine Abschaffung würde die Steuerlast von vielen Ehepaaren erst einmal erhöhen. Denn bei einem progressiven Steuertarif sei das Ehegattensplitting der einzige Weg, Ehen nicht zu diskriminieren. Sonst könne es passieren, dass ein nicht verheiratetes Paar, das getrennt veranlagt wird, niedrigere Steuern zahlt als ein Ehepaar, bei dem einer alleine verdient oder der zweite sehr viel weniger. So argumentierte zum Beispiel der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg. Man bräuchte also eine größere Steuerreform, wenn man das verhindern möchte.

    Sandra Pfister, jma