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Ehrenamt im ambulanten Hospiz
Sterben, Tod und Co

In Deutschland gibt es fast 250 stationäre Hospize und rund 1.500 ambulante Hospizdienste. Mehr als 100.000 Deutsche unterstützen die Arbeit für schwerstkranke und sterbende Menschen. Aber was muss man tun, um sich ausbilden zu lassen für das Ehrenamt im ambulanten Hospiz?

Von Thomas Weinert |
    Frauenhände ineinander verschlungen (28.09.2015).
    Frauenhände ineinander verschlungen. (dpa / picture-alliance / Ulrich Baumgarten)
    Berlin-Pankow an einem Sonntagmorgen im Sommer, das Hospiz der Caritas. Der moderne Klinkerbau liegt etwas versteckt im hinteren Teil eines Grundstücks im Grünen, nur die Einflugschneise des Flughafens Tegel stört hier die Ruhe. Im ersten Stock versammeln sich neun Frauen und ein Mann. Sie sind der jüngste Kurs zur ambulanten Hospizarbeit im Ehrenamt. Es ist ihr Abschlusstag nach neun Monaten Vorbereitung. Vorbereitung darauf, Menschen zu betreuen, die zu Hause sterben wollen.
    Zwei Kursteilnehmerinnen spielen auf einer Tambura, einem indischen Therapieinstrument und Marita Behrens, die Leiterin des ambulanten Hospizes, spricht leise in einer Ecke des Raumes. In der Mitte Kerzen und ein großer Rosenstrauß, eine freundliche Atmosphäre, auch etwas feierlich.
    "Ja, das war ein ganz toller Kurs, das wollte ich euch nochmal sagen, wir sind ja ein Stück unseres Lebensweges gemeinsam gegangen, ich denke, das war ein wichtiges Stück, ich wünsche euch Alles erdenklich Gute."
    Berlin-Pankow: der ehrenamtliche Kurs zur ambulanten Hospizarbeit der Caritas
    Berlin-Pankow: der ehrenamtliche Kurs zur ambulanten Hospizarbeit der Caritas (Deutschlandradio / Thomas Weinert)
    In einer Vorstellungsrunde – denn auch der Vizechef der Berliner Caritas hat sich für diesen Termin den Sonntag freigehalten – hat eine Teilnehmerin das Wort. Ruhig und vollkommen unaufgeregt spricht sie quasi das Motto des Tages aus.
    "Mein Name ist Renate Dahlheimer. Ich bin aus einem Bedürfnis hier, aus mir raus, Interesse am Thema Sterben, Tod und Co."
    Sterben, Tod und Co. Der Reporter hat seine Überschrift und denkt sich: So nüchtern, aber auch so bedacht über dieses Thema zu reden - Kursziel erreicht. Dafür gibt es ein Zertifikat.
    "Der Tod ist ein Tabuthema"
    Anerkennung und Auszeichnung für neun Monate Ausbildung an Themen wie "Kleine pflegerische Handreichungen" bis hin zu einem Seminar, das Trauern lehrt. Immer an einem Wochenende im Monat, in manchen Monaten auch an zwei. Schon bald werden die Absolventen Sterbende zu Hause besuchen. Sie werden versuchen, zu helfen, wenn möglich. Das ist die Idee der ambulanten Hospizdienste. Josefine Etzold ist mit Ende 20 die wohl jüngste Teilnehmerin:
    "Das ist auch ein Grund, weswegen ich hier bin: mich mit meiner eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen, die Angst ein Stück weit davor genommen zu bekommen. Gerade weil der Tod meiner Meinung nach ein unheimliches Tabuthema ist in der Gesellschaft, darüber wird nicht geredet, wir leben alle und jeden Moment. Aber wir leben alle nur einmal, was dann kommt, da scheuen wir uns alle darüber zu reden."
    So wie sie, hat auch Markus Hofmann schon früh ein Elternteil verloren, ohne diese Konfrontation mit dem Tod, so scheint es, kommen junge Menschen selten auf die Idee, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Wäre es jetzt leichter, zum Beispiel den Tod des Vaters zu ertragen?
    "Andererseits ist es immer schwieriger, bei den eigenen Eltern, diese nötige Distanz einfach zu wahren. Ich denke, auch wenn ich in der Theorie all das gewusst hätte, was ich jetzt weiß, ich hätte trotzdem meine Schwierigkeiten gehabt. Klar, es wäre in irgendeiner Art schon hilfreich gewesen, definitiv, ja."
    Konfession spielt keine Rolle
    Markus Hofmann war überrascht, als ihm klar wurde, dass die Ausbildung so umfangreich ist, dass man neun Monate lang mindestens ein Wochenende dran geben muss.
    "Ich finde es auch gut, denn letztendlich werden wir auf Menschen losgelassen, die ja aufgrund ihrer schweren Erkrankung hilflos sind und sie sollen dann auch Menschen an Ihrer Seite haben, die auch eine gute Ausbildung und eine gründliche Ausbildung genossen haben."
    Reporter: "Gab es da Bereiche, wo Sie gesagt haben: Das ist mir jetzt zu viel oder das brauche ich nicht oder ist das Portfolio dessen, was man ihnen da beigebracht hat, rund rum angemessen?"
    "Es gab für mich jetzt keine Themen, die ich für schlecht befunden habe. Gerade am Anfang haben wir uns sehr viel mit Wahrnehmung beschäftigt, die ja auch anders ist in der letzten Lebenszeit als bei uns gesunden Menschen. Man kann immer über die jeweilige Gewichtung der Themen sprechen, aber das, was wir gelernt haben, war auf jeden Fall hilfreich."
    Und kommt aus der kirchlichen Gemeindearbeit, aus der Praxis der Hospizbewegung, in der die beiden großen christlichen Kirchen eine wesentliche Rolle spielen. Hier aber in Berlin-Pankow, da merkt man nur an den kleinen Holzkreuzen im Zimmer, wo man ist. War es hilfreich, dass die katholische Kirche so zurückhaltend auftritt?
    "Für mich persönlich absolut. Sonst würde ich es nicht machen. Ich habe keinerlei religiösen Hintergrund. Bin interessiert daran, grundsätzlich, und ich finde es schön, dass unterschiedliche Hintergründe da zusammen kommen, unterschiedliche religiöse Kontexte, dass man was darüber erfährt. Jeder stirbt, ob er katholisch ist oder evangelisch oder buddhistisch oder einen muslimischen Hintergrund hat. Im Endeffekt sind wir alle gleich, wenn wir kurz davor sind, nicht mehr auf dieser Welt zu sein."
    Demut ausdrücklich erwünscht
    Marita Behrens, die Kursleiterin, ist evangelisch und wenn die Caritas ein Auswahlkriterium nicht hat bei der Auswahl ihrer Kandidaten, dann ist es deren Weltanschauung. Missionieren, so Behrens, das geht gar nicht. Allerdings Demut, mit oder ohne christlichen Hintergrund – die sei wünschenswert.
    "Da fragen wir nochmal ganz konkret danach, was das Motiv ist. Sehr zufrieden sind wir, wenn das Antworten sind in der Richtung, dass man sagt, ich habe viel Gutes im Leben erfahren, habe jetzt freie Zeit und möchte davon ein Stück zurückgeben. Wenn derjenige dann noch eine gesunde Skepsis hat dem eigenen Tun gegenüber und nicht überzeugt ist, ich mache in jedem Fall das Richtige, sondern ich bin bereit mich auf was Neues einzulassen, ich will mit einer Haltung von Demut – das klingt ein bisschen komisch, spielt aber eine ganz große Rolle – auch was ganz Neues Lernen und bin bereit mich auf was Neues einzulassen – also das wäre eine Haltung, die wünschenswert wäre."
    In dem Haus, in dem diese Worte gesprochen werden, ist am Morgen ein Besucher verstorben, zu erkennen an der großen Laterne, die vor dem Zimmer steht. Akustisch begleitet auch von der Fröhlichkeit der Kursteilnehmer an diesem Tag.
    Was sagte die freundliche Dame am Anfang des Seminars: Sterben, Tod und Co. Das Co. steht hier für Leben.