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Ehrenamt im Tierheim
Schmusemama für die Katzen

Sie müssen nicht füttern, nicht sauber machen, nur ihre Streicheleinheiten sind gefragt: Ehrenamtliche Katzenkrauler im Tierheim sorgen sich um das seelische Wohl von Katzen. Sie kraulen und schmusen - und das hilft Tier wie Mensch gleichermaßen.

Von Mara Bierbach |
    Eine Frau krault eine Katze.
    Ehrenamtliche Katzenkrauler: Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit? (imago/Westend61)
    Es ist ein heißer Nachmittag mitten in den Sommerferien, kurz nach zwei. Im Süden von Köln hinter einem staubigen Großraumparkplatz, neben Bahnschienen und Hochspannungsmasten, liegt das Konrad-Adenauer-Tierheim. Große Bäume spenden den Tieren Schutz vor der stechenden Sonne. Die Zwinger lassen den Hunden viel Platz. Auf dem ganzen Gelände laufen Hühner frei herum.
    Zwischen den Zwingern schiebt Siegrid Jüttener einen Wagen mit Decken und Kissen hindurch. Sie ist ehrenamtliche Katzenkraulerin - ja, das ist der offizielle Titel. Wobei sie es lieber so ausdrückt:
    "Schmusemama für die Katzen. Ich brauch die nicht sauber machen, ich brauch die nicht füttern, ich kümmer mich einfach."
    Die Rentnerin pausiert kurz am Käfig eines scheuen, schwarz-braun getigerten Katers.
    "Wo ist denn mein Angsthase? Merlin, lass dich mal sehen! Merlin ... ein halbes Jahr hab ich den jeden Tag gerufen. Seit zwei Wochen kommt er raus. Du kriegst ein, ja, du kriegst ein Leckerchen."
    Nachdem ihr Kater verstorben war, kam Jüttener vor einem dreiviertel Jahr ins Tierheim, eigentlich, um sich eine neue Katze auszusuchen. Doch dann rekrutierte sie die Leiterin der Katzenabteilung als Ehrenamtliche. Seitdem kommt die Rentnerin jeden Tag ins Tierheim, um sich um die schnurbärtigen Vierbeiner zu kümmern.
    "Da waren hier so viele kleine Katzen. Dann kam Weihnachten, Silvester, dann bin ich auch Sonntags hier gewesen weil ich gesagt hab: Kann nicht sein, dass ich so viele Feiertage nicht bei den Katzenkindern bin."
    Viele der Katzen im Tierheim haben traumatische Geschichten hinter sich. Die sonst eher gelassene Katzenliebhaberin bringt das in Rage.
    "Wir haben kurz vor Karneval einen Kartäuser-Kater bekommen, der hatte die Hüfte ausgerenkt. Aber schon seit November. Die Frau ist mit dem nicht zum Tierarzt gegangen. Die hat und die Katze abgegeben und hat gesagt: Ich will sie nicht mehr. Der hab ich die Pest an den Hals gewünscht. 0406-0425 Ich wünsch der niemals, dass die ne neue Hüfte haben muss und wenn, dann soll sie keine kriegen, die ihr gut passt. So wütend war ich. So eine hübsche Katze, einfach wie ein Stück Dreck wegschmeißen. So wat kann man doch nicht machen. Die Leute machen das aber."
    Einige Katzen im Tierheim sind sehr scheu. Sie lassen niemanden in ihre Nähe. Solche Katzen an Menschen zu gewöhnen, das ist eine Aufgabe der Katzenkrauler.
    Kimba und Kitty, denen Siegrid Jüttener gerade ein frisches Katzenbett macht, sind heute zutraulich. Vor ein paar Monaten waren sie unsicher und kratzbürstig.
    "Wenn die Katzen hier hinkommen, es ist ja nichts mehr so, wie es war. Die Betreuung ist nicht mehr da, das ist nicht dasselbe Herrchen, das sind nicht dieselben Tapeten, das ist nicht dasselbe Sofa, Futter, Toilette, alles ist verkehrt. Alles ist verkehrt. Und da wieder vertrauen reinzukriegen ist nicht einfach. Man wird auch schon mal gekratzt oder vorsichtig gebissen, aber ich passe eigentlich ganz gut auf."
    Doch nicht alle Katzen sind so zaghaft. Manche betteln offensiv um den Zuspruch der Ehrenamtlichen. So wie Dandy. Der bildhübsche, schwarz-weiße Kater ist von einer anderen Katze verprügelt worden und hat eine Wunde unterm Kinn. Jetzt sitzt er mit Halskrause in einer kleinen Box in der Katzenquarantäne.
    Als Robin Krug den Raum betritt drückt Dandy sich gegen die Käfigstäbe und jammert nach Streicheleinheiten. Robin Krug, ein gemütlicher 30-Jähriger, ist wie Siegrid Jüttener ehrenamtlicher Katzenkrauler. Auch er kommt fast täglich.
    1600 neue Tiere im Jahr
    "Uhui, och, Dandy."
    Warum der menschenfreundliche Dandy ausgesetzt wurde ist im Tierheim allen ein Rätsel. Hier haben sie ihn sofort ins Herz geschlossen.
    Gut 1600 Tiere kommen pro Jahr neu in das Konrad-Adenauer-Tierheim, knapp 500 davon Katzen. Eine enorme Herausforderung für die Tierheimangestellten. Katzenpflegerin Elke Sans freut sich über jeden Helfer.
    "Für uns die Ehrenamtlichen in der Hinsicht ganz wichtig, wir versuchen immer, dass wir so viel Festpersonal haben, dass wir halt die Pflege hinkriegen – sprich: Futter, Wasser, Klo, ä, ist erledigt – obwohl wir da auch immer Unterstützung gebrauchen können. Aber es fehlt halt viel der Zuspruch. Wir können uns leider nicht zu alten, kranken oder bedürftigen Tieren ne Viertelstunde hinsetzten und Krauli, Krauli machen. [...] Und insofern ist uns das wirklich wichtig, dass wir ehrenamtliche Mitarbeiter haben, weil: Für die Seele der Tiere sind die total wichtig und für die Seele der Mitarbeiter auch. "
    Unter der Woche schließt das Konrad-Adenauer-Tierheim um17 Uhr.
    Lautsprecherdurchsage: "Liebe Kollegen, Liebe Besucher, das Tierheim schließt."
    Heute gibt es ein kleines Happy End. Dandy muss keine weitere Nacht im kleinen Käfig der Katzenquarantäne verbringen. Er hat ein neues Frauchen gefunden. Er zieht in einen Vorort von Köln mit viel Auslauf.

    Für Siegrid Jüttener ist so ein Moment immer bitter-süß:
    "Man freut sich, man freut sich doch. Bei manchen hängt das Herz dran, aber man freut sich auch. "
    Dutzende Katzen warten weiter im Tierheim auf einen neuen Besitzer. Kimba, Kitty und Ko. Werden sich also auch morgen wieder über den Besuch der Katzenkrauler freuen.