"Mein Zwillingsbruder und ich wurden in dieser Gegend geboren, - erzählt der Gabuner Unternehmer Benoit. Unsere Mutter starb bei der Geburt. Unser Vater hat uns zu Albert Schweitzer gebracht. Wir sind hier in Lambarene aufgewachsen, 15 Jahre lang. Ja, der Doktor hat uns vor dem Tod bewahrt! Er war ein großer Mann. Er hat die zivilisierte Welt hinter sich gelassen, um in den Dschungel zu gehen, zu Menschen wie uns, die nichts hatten. Für uns Afrikaner ist er bis heute ein lebender Mythos. Man kann ihn nicht genug bewundern."
Albert Schweitzer sah in seinem Spital ein Symbol gelebter Menschlichkeit. Dass Lambarene bis heute existiert und jetzt sein 100-jähriges Bestehen feiern kann, ist Spendern aus aller Welt zu verdanken. Sie bringen für das 150-Betten-Krankenhaus rund die Hälfte aller Kosten auf, die andere Hälfte trägt der Staat Gabun. 2012 habe die Ambulanz des Spitals über 15.000 Patienten versorgt, betont der Vorsitzende des Deutschen Hilfsvereins Roland Wolf:
"Die Leute gehen in Lambarene ins Albert-Schweitzer-Spital, wie sie zum Gemischtwarenladen um die Ecke gehen, wenn sie eine Dose Tomaten brauchen oder einen Maggi-Würfel. Das rührt sicher aus dem Ruf her noch von Zeiten Schweitzers. Das Wesentliche war immer im Schweitzer-Spital: Es wird jeder behandelt und danach wird versucht, die Kosten einzutreiben. Das ist in anderen privaten Krankenhäusern im Land nicht so. Albert Schweitzer hat alle überzeugt durch die menschliche Zuwendung. Und alle Gabuner sagen: Das war das Wichtigste am Schweitzer-Spital, und das muss heute und für die Zukunft erhalten bleiben."
Afrikanische Freunde hatten Albert Schweitzer gebeten, sein Spital so zu bauen, dass Einheimische, die bislang nur ihre Dörfer kannten, sich dort wohlfühlen könnten. Der Nobelpreisträger folgte ihrem Rat und schuf ein einzigartiges Modell interkulturellen Austausches.
Trotz vieler Um- und Neubauten gleicht die Klinik bis heute einem afrikanischen Dorf. Kinder spielen, Hunde streunen. Die Gebäude sind ebenerdig. Vor den Krankenzimmern sitzen Familienangehörige und Freunde der Patienten. Man tröstet sich, plaudert, wäscht und kocht. Der technische Leiter des Spitals, Andreas Renz:
"Ich glaube, der wesentliche Unterschied zwischen dem Schweitzer-Krankenhaus und anderen Krankenhäusern ist, dass viel Rücksicht genommen wird auf die kulturellen Eigenarten der Bevölkerung hier. Ein Beispiel dafür ist: Es ist ganz normal, dass hier die Familie die Kranken pflegt und auch für die Kranken kocht, dass die Familie im Krankenhaus mit den Kranken lebt, und das den Genesungs-Prozess verbessert. Dieses Modell gibt es in anderen Krankenhäusern nicht. Und dieses Modell basiert wirklich auf den Ideen von Albert Schweitzer, der das schon in den 20er-Jahren entwickelt hat."
Erst lange nach Albert Schweitzer hat man in europäischen Krankenhäusern erkannt, wie hilfreich die Anwesenheit von vertrauten Personen für Patienten sein kann. In Lambarene könne man viel lernen, erklärt die amerikanische Medizinstudentin, Jennifer Farrel. Sie kommt aus New Orleans und arbeitet mithilfe der Albert-Schweitzer-Stiftung für ein halbes Jahr als Praktikantin in der Kinderklinik des Spitals:
"Ich bin in den USA in einem System aufgewachsen, das sehr stark auf technischen Apparaten und Messungen beruht. Die Ärzte haben dabei viel Gefühl und Intuition für ihre Patienten verloren. Wir haben viele Daten, das ist gut, aber das ist auch sehr teuer, und es ist nicht genug. Hier ist das ganz anders. Wir haben wenig Geräte und sind weit mehr darauf angewiesen, bei einer Diagnose unseren Händen, Augen und Ohren zu vertrauen. Das fehlt in den USA völlig, das habe ich erst hier in Lambarene verstanden."
Die Kinderklinik von Lambarene hat 2012 mehr als 2300 Fälle aufgenommen. Ein mobiler Mutter-Kind-Dienst versorgt mit Booten entlegene Dörfer und erreicht so einige der Schwächsten in der Gesellschaft. All dies entspreche den Idealen Schweitzers, unterstreicht Roland Wolf, doch die Klinik auf dieser Basis zu finanzieren sei nicht einfach:
"Gabun hat es nicht geschafft, seinen Reichtum, der durch das Erdöl ins Land gekommen ist, auch durch Mangan und früher auch Uran in eine funktionierende Infrastruktur zu investieren, sondern das Geld ist leider in andere Kanäle geflossen. Wir haben hier eine Infrastruktur, die an allen Ecken und Enden Mängel aufweist. Im Januar war das Spital zwei Tage völlig ohne Strom, auch das Wasser wird ständig abgestellt. Wir haben das Strom-Problem jetzt in den Griff bekommen, wir haben ein Not-Strom-Aggregat angeschafft für fast 100.000 Euro. Aber es gibt eine ganze Menge von Problemen, unter denen das Spital leidet, weil der Staat seine Aufgaben nicht zu 100 Prozent erfüllt."
Darüber hinaus schlagen vor allem Schäden zu Buche, die das tropische Klima mit einer durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent verursacht: Holzbalken sind vermodert, Kabel verrostet, technische Geräte am Ende ihrer Kraft. Die Mängel zu beheben, ist eine finanzielle Herausforderung und wird mehrere Jahre Zeit kosten.
Gleichzeitig gewinnt die Vision Schweitzers aber auch immer neue Facetten. So ist dem Spital seit über 20 Jahren ein Institut für Tropenmedizin angegliedert. Die Forschungsarbeit leitet der Tübinger Professor Peter Kremsner:
"Wir machen Forschung zu Infektionskrankheiten, sind aber auch da, um in der Ausbildung, in der Lehre tätig zu sein, und auch in der Prävention von Krankheiten. Bei den Infektionskrankheiten haben wir einen Schwerpunkt auf der Malariaforschung. Wir haben z. B. die wichtigsten Malaria-Mittel in Lambarene mit entwickelt."
Sein Team, so Prof. Kremsner, sei inzwischen auf fast 200 Personen angewachsen: Mediziner, Ärzte, Biologen, Chemiker und Techniker. Über 70 Prozent der Mitarbeiter seien Afrikaner. Derzeit bemühe man sich, einen Malaria-Impfstoff zu entwickeln und könne bereits erste Erfolge verzeichnen:
"Die Ergebnisse bisher sind insofern sehr gut, als der Impfstoff sehr gut verträglich und sicher beim Einsatz bei afrikanischen Kindern ist. Die Wirksamkeit bei etwa 40 Prozent ist für einen Zeitraum von einem Jahr, vielleicht auch länger."
Prof. Kremsner und sein Team unterstützen erfolgreich die Fortbildung von Studenten und Ärzten. Gabuns Politiker hoffen, das Albert-Schweitzer-Spital und das Forschungsinstitut in den nächsten Jahren zu einem Universitätsklinikum erweitern zu können. Doch über diesen Plänen, mahnt Roland Wolf, dürfe man das Wesentliche nicht vergessen:
"Das Spital als Institution ist nach wie vor wichtig in dieser Provinz und im ganzen Land. Das sehen auch die gabunischen Behörden. Und wir in der internationalen Stiftung teilen natürlich diese Meinung. Aber es gibt zwei Bedingungen, damit dieses Spital eine Zukunft hat. Die erste Bedingung ist, dass das Spital technisch und auch medizinisch auf einen besseren Stand gebracht werden muss. Und die zweite Bedingung ist: Der Geist Schweitzers darf aus diesem Spital nicht verschwinden."
Dazu Albert Schweitzers Enkelin, die Ärztin und Pianistin Christiane Engel:
"Lambarene war eine Improvisation der Philosophie der Ehrfurcht vor dem Leben für meinen Großvater. Und von hier aus wurden Tausende und Tausende von Leuten inspiriert, die das in die Welt hinaus getragen haben. Und ich hoffe, dass Lambarene immer noch diese Botschaft weiter tragen kann. Dass die jungen Generationen immer noch davon inspiriert werden, das wäre ein großer Wunsch von mir!"
Albert Schweitzer sah in seinem Spital ein Symbol gelebter Menschlichkeit. Dass Lambarene bis heute existiert und jetzt sein 100-jähriges Bestehen feiern kann, ist Spendern aus aller Welt zu verdanken. Sie bringen für das 150-Betten-Krankenhaus rund die Hälfte aller Kosten auf, die andere Hälfte trägt der Staat Gabun. 2012 habe die Ambulanz des Spitals über 15.000 Patienten versorgt, betont der Vorsitzende des Deutschen Hilfsvereins Roland Wolf:
"Die Leute gehen in Lambarene ins Albert-Schweitzer-Spital, wie sie zum Gemischtwarenladen um die Ecke gehen, wenn sie eine Dose Tomaten brauchen oder einen Maggi-Würfel. Das rührt sicher aus dem Ruf her noch von Zeiten Schweitzers. Das Wesentliche war immer im Schweitzer-Spital: Es wird jeder behandelt und danach wird versucht, die Kosten einzutreiben. Das ist in anderen privaten Krankenhäusern im Land nicht so. Albert Schweitzer hat alle überzeugt durch die menschliche Zuwendung. Und alle Gabuner sagen: Das war das Wichtigste am Schweitzer-Spital, und das muss heute und für die Zukunft erhalten bleiben."
Afrikanische Freunde hatten Albert Schweitzer gebeten, sein Spital so zu bauen, dass Einheimische, die bislang nur ihre Dörfer kannten, sich dort wohlfühlen könnten. Der Nobelpreisträger folgte ihrem Rat und schuf ein einzigartiges Modell interkulturellen Austausches.
Trotz vieler Um- und Neubauten gleicht die Klinik bis heute einem afrikanischen Dorf. Kinder spielen, Hunde streunen. Die Gebäude sind ebenerdig. Vor den Krankenzimmern sitzen Familienangehörige und Freunde der Patienten. Man tröstet sich, plaudert, wäscht und kocht. Der technische Leiter des Spitals, Andreas Renz:
"Ich glaube, der wesentliche Unterschied zwischen dem Schweitzer-Krankenhaus und anderen Krankenhäusern ist, dass viel Rücksicht genommen wird auf die kulturellen Eigenarten der Bevölkerung hier. Ein Beispiel dafür ist: Es ist ganz normal, dass hier die Familie die Kranken pflegt und auch für die Kranken kocht, dass die Familie im Krankenhaus mit den Kranken lebt, und das den Genesungs-Prozess verbessert. Dieses Modell gibt es in anderen Krankenhäusern nicht. Und dieses Modell basiert wirklich auf den Ideen von Albert Schweitzer, der das schon in den 20er-Jahren entwickelt hat."
Erst lange nach Albert Schweitzer hat man in europäischen Krankenhäusern erkannt, wie hilfreich die Anwesenheit von vertrauten Personen für Patienten sein kann. In Lambarene könne man viel lernen, erklärt die amerikanische Medizinstudentin, Jennifer Farrel. Sie kommt aus New Orleans und arbeitet mithilfe der Albert-Schweitzer-Stiftung für ein halbes Jahr als Praktikantin in der Kinderklinik des Spitals:
"Ich bin in den USA in einem System aufgewachsen, das sehr stark auf technischen Apparaten und Messungen beruht. Die Ärzte haben dabei viel Gefühl und Intuition für ihre Patienten verloren. Wir haben viele Daten, das ist gut, aber das ist auch sehr teuer, und es ist nicht genug. Hier ist das ganz anders. Wir haben wenig Geräte und sind weit mehr darauf angewiesen, bei einer Diagnose unseren Händen, Augen und Ohren zu vertrauen. Das fehlt in den USA völlig, das habe ich erst hier in Lambarene verstanden."
Die Kinderklinik von Lambarene hat 2012 mehr als 2300 Fälle aufgenommen. Ein mobiler Mutter-Kind-Dienst versorgt mit Booten entlegene Dörfer und erreicht so einige der Schwächsten in der Gesellschaft. All dies entspreche den Idealen Schweitzers, unterstreicht Roland Wolf, doch die Klinik auf dieser Basis zu finanzieren sei nicht einfach:
"Gabun hat es nicht geschafft, seinen Reichtum, der durch das Erdöl ins Land gekommen ist, auch durch Mangan und früher auch Uran in eine funktionierende Infrastruktur zu investieren, sondern das Geld ist leider in andere Kanäle geflossen. Wir haben hier eine Infrastruktur, die an allen Ecken und Enden Mängel aufweist. Im Januar war das Spital zwei Tage völlig ohne Strom, auch das Wasser wird ständig abgestellt. Wir haben das Strom-Problem jetzt in den Griff bekommen, wir haben ein Not-Strom-Aggregat angeschafft für fast 100.000 Euro. Aber es gibt eine ganze Menge von Problemen, unter denen das Spital leidet, weil der Staat seine Aufgaben nicht zu 100 Prozent erfüllt."
Darüber hinaus schlagen vor allem Schäden zu Buche, die das tropische Klima mit einer durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent verursacht: Holzbalken sind vermodert, Kabel verrostet, technische Geräte am Ende ihrer Kraft. Die Mängel zu beheben, ist eine finanzielle Herausforderung und wird mehrere Jahre Zeit kosten.
Gleichzeitig gewinnt die Vision Schweitzers aber auch immer neue Facetten. So ist dem Spital seit über 20 Jahren ein Institut für Tropenmedizin angegliedert. Die Forschungsarbeit leitet der Tübinger Professor Peter Kremsner:
"Wir machen Forschung zu Infektionskrankheiten, sind aber auch da, um in der Ausbildung, in der Lehre tätig zu sein, und auch in der Prävention von Krankheiten. Bei den Infektionskrankheiten haben wir einen Schwerpunkt auf der Malariaforschung. Wir haben z. B. die wichtigsten Malaria-Mittel in Lambarene mit entwickelt."
Sein Team, so Prof. Kremsner, sei inzwischen auf fast 200 Personen angewachsen: Mediziner, Ärzte, Biologen, Chemiker und Techniker. Über 70 Prozent der Mitarbeiter seien Afrikaner. Derzeit bemühe man sich, einen Malaria-Impfstoff zu entwickeln und könne bereits erste Erfolge verzeichnen:
"Die Ergebnisse bisher sind insofern sehr gut, als der Impfstoff sehr gut verträglich und sicher beim Einsatz bei afrikanischen Kindern ist. Die Wirksamkeit bei etwa 40 Prozent ist für einen Zeitraum von einem Jahr, vielleicht auch länger."
Prof. Kremsner und sein Team unterstützen erfolgreich die Fortbildung von Studenten und Ärzten. Gabuns Politiker hoffen, das Albert-Schweitzer-Spital und das Forschungsinstitut in den nächsten Jahren zu einem Universitätsklinikum erweitern zu können. Doch über diesen Plänen, mahnt Roland Wolf, dürfe man das Wesentliche nicht vergessen:
"Das Spital als Institution ist nach wie vor wichtig in dieser Provinz und im ganzen Land. Das sehen auch die gabunischen Behörden. Und wir in der internationalen Stiftung teilen natürlich diese Meinung. Aber es gibt zwei Bedingungen, damit dieses Spital eine Zukunft hat. Die erste Bedingung ist, dass das Spital technisch und auch medizinisch auf einen besseren Stand gebracht werden muss. Und die zweite Bedingung ist: Der Geist Schweitzers darf aus diesem Spital nicht verschwinden."
Dazu Albert Schweitzers Enkelin, die Ärztin und Pianistin Christiane Engel:
"Lambarene war eine Improvisation der Philosophie der Ehrfurcht vor dem Leben für meinen Großvater. Und von hier aus wurden Tausende und Tausende von Leuten inspiriert, die das in die Welt hinaus getragen haben. Und ich hoffe, dass Lambarene immer noch diese Botschaft weiter tragen kann. Dass die jungen Generationen immer noch davon inspiriert werden, das wäre ein großer Wunsch von mir!"