"Ecuador besitzt die am stärksten wachsende Wirtschaft in Lateinamerika und die am deutlichsten gesunkenen Zahlen der Armut und der Ungleichheit. Die Arbeitslosigkeit ist die geringste auf dem Kontinent, und die staatlichen Investitionen sind die höchsten, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Ecuador ist ein Land von großer Dynamik, das beträchtliche Anstrengungen in der Wissenschaft und der Technologie unternimmt, bei denen uns das geschätzte Deutschland unterstützen kann."
Präsident Rafael Correa während seiner Deutschland-Visite im vergangenen Monat. Er ist gekommen, um für Investitionen zu werben. Und: Er hat auch etwas zu bieten. Denn Ecuador – kaum größer als die alte Bundesrepublik – hat in den ersten sechs Jahren seiner Regierung größere Veränderungen erlebt als in den chaotischen, von Putschen, Staatsstreichen und Wirtschaftskrisen geprägten Jahrzehnten zuvor.
Diese Einschätzung teilen sogar seine Gegner. Correas Politik, dem Land Stabilität und Fortschritt zu bringen, ist gelungen. Das hatte niemand erwartet, als er zu Beginn des letzten Jahrzehnts auf der politischen Bühne auftauchte. Die heute 40-jährige Maria Fernanda Espinosa hat seinen Aufstieg miterlebt.
"Seit ich denken kann, war ich Aktivistin, aber ich habe stets für Kandidaten gestimmt, die verloren haben, denn die Linke hatte bisher in diesem Land keine Chance gegen den rechten Parteienklüngel, der alles kontrollierte. Als Rafael Correa antrat, hat keiner von uns daran geglaubt – noch nicht einmal er selbst – dass wir die Wahlen im ersten Anlauf gewinnen würden. Aber das politische System lag in Trümmern, und die alte politische Klasse hatte ihre Legitimität völlig eingebüßt. Deshalb erschien einer Mehrheit der Bevölkerung unser Projekt einer grundlegenden Veränderung, das inzwischen
'Bürger-Revolution' heißt, als die einzige Möglichkeit."
Die promovierte Umweltschützerin hat seither selbst eine rasante Karriere erlebt: Sie hat verschiedene Regierungsämter ausgeübt und ist vor Kurzem zur ersten Verteidigungsministerin Ecuadors ernannt worden.
"Rafael Correa und seine Mannschaft haben gezeigt, dass es wirklich eine Alternative zum Neoliberalismus gibt: den Staat, dem eine zentrale Rolle zukommt. Der Staat musste endlich wieder die Interessen des Gemeinwohls vertreten und durfte nicht länger ein Selbstbedienungsladen der Herrschenden bleiben. Also haben wir als Erstes seine Legitimität wieder hergestellt. Wir haben dabei die materiellen Grundlagen der Menschen verbessert, haben umfangreiche Sozialleistungen eingeführt und die Qualität von Krankenhäusern und Schulen erhöht. Und: Wir haben die Souveränität über unsere strategischen Rohstoffe zurückgewonnen."
Präsident Rafael Correa während seiner Deutschland-Visite im vergangenen Monat. Er ist gekommen, um für Investitionen zu werben. Und: Er hat auch etwas zu bieten. Denn Ecuador – kaum größer als die alte Bundesrepublik – hat in den ersten sechs Jahren seiner Regierung größere Veränderungen erlebt als in den chaotischen, von Putschen, Staatsstreichen und Wirtschaftskrisen geprägten Jahrzehnten zuvor.
Diese Einschätzung teilen sogar seine Gegner. Correas Politik, dem Land Stabilität und Fortschritt zu bringen, ist gelungen. Das hatte niemand erwartet, als er zu Beginn des letzten Jahrzehnts auf der politischen Bühne auftauchte. Die heute 40-jährige Maria Fernanda Espinosa hat seinen Aufstieg miterlebt.
"Seit ich denken kann, war ich Aktivistin, aber ich habe stets für Kandidaten gestimmt, die verloren haben, denn die Linke hatte bisher in diesem Land keine Chance gegen den rechten Parteienklüngel, der alles kontrollierte. Als Rafael Correa antrat, hat keiner von uns daran geglaubt – noch nicht einmal er selbst – dass wir die Wahlen im ersten Anlauf gewinnen würden. Aber das politische System lag in Trümmern, und die alte politische Klasse hatte ihre Legitimität völlig eingebüßt. Deshalb erschien einer Mehrheit der Bevölkerung unser Projekt einer grundlegenden Veränderung, das inzwischen
'Bürger-Revolution' heißt, als die einzige Möglichkeit."
Die promovierte Umweltschützerin hat seither selbst eine rasante Karriere erlebt: Sie hat verschiedene Regierungsämter ausgeübt und ist vor Kurzem zur ersten Verteidigungsministerin Ecuadors ernannt worden.
"Rafael Correa und seine Mannschaft haben gezeigt, dass es wirklich eine Alternative zum Neoliberalismus gibt: den Staat, dem eine zentrale Rolle zukommt. Der Staat musste endlich wieder die Interessen des Gemeinwohls vertreten und durfte nicht länger ein Selbstbedienungsladen der Herrschenden bleiben. Also haben wir als Erstes seine Legitimität wieder hergestellt. Wir haben dabei die materiellen Grundlagen der Menschen verbessert, haben umfangreiche Sozialleistungen eingeführt und die Qualität von Krankenhäusern und Schulen erhöht. Und: Wir haben die Souveränität über unsere strategischen Rohstoffe zurückgewonnen."
Öl-Gewinne für den Staat
Früher floss beispielsweise der Großteil der Gewinne aus der Ölförderung ins Ausland. Doch Präsident Correa änderte die Verträge mit den multinationalen Konzernen – ganz ähnlich wie seine Kollegen Evo Morales in Bolivien und der verstorbene Hugo Chávez in Venezuela. Heute kommen die Erträge dem ecuadorianischen Staatshaushalt zugute.
Keine Regierung hat jemals über so viele Einnahmen aus den Ölvorkommen verfügt wie diese. Correas bisher anspruchsvollstes Projekt, Yachay, die "Stadt des Wissens", wird ebenfalls damit finanziert. Héctor Rodríguez, der geschäftsführende Direktor:
"Sie ist Teil der Staatsreform. Unsere Einrichtungen sollen eine höhere soziale und wirtschaftliche Effizienz erlangen, vor allem die staatlichen wissenschaftlichen Forschungsinstitute. Zwölf davon gibt es. Sie sind übers ganze Land verteilt und überhaupt nicht an den Produktionsbereich angebunden. Sie verfügen auch nicht über die nötige Infrastruktur. Uns fehlen außerdem die Fachkräfte, die entscheidende Veränderungen bewirken könnten."
So entstand vor drei Jahren die Idee eines neuen Zentrums für Forschung und Lehre, in dessen unmittelbarer Nähe sich Unternehmen ansiedeln sollen, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse umzusetzen und anzuwenden. Also etwas Ähnliches wie der Technologie- und Wirtschaftsstandort Berlin-Adlershof, allerdings nicht in der Dimension eines Stadtteils, sondern einer ganzen Stadt, rund zehn Mal so groß wie Adlershof.
"Wir haben ein erhebliches Defizit an Studenten in technologischen Fachrichtungen und in der Forschung. Das hängt mit einem strukturellen Problem unserer Wirtschaft zusammen: Sie basiert auf Finanzgeschäften sowie auf Export und Import. Unsere hiesigen Unternehmer sind es nicht gewohnt, neue Produkte herzustellen. Das war schon in der Kolonialzeit so. Aber das kann sich Ecuador in einer Welt, die von neuen Erkenntnissen lebt, nicht mehr leisten. Unsere Ölvorkommen sollen in zwanzig Jahren erschöpft sein. Deshalb hat sich diese Regierung entschlossen, die nötigen Investitionen vorzunehmen, damit sich Ecuadors Ressourcenökonomie zu einer Forschungswirtschaft entwickeln kann."
Keine Regierung hat jemals über so viele Einnahmen aus den Ölvorkommen verfügt wie diese. Correas bisher anspruchsvollstes Projekt, Yachay, die "Stadt des Wissens", wird ebenfalls damit finanziert. Héctor Rodríguez, der geschäftsführende Direktor:
"Sie ist Teil der Staatsreform. Unsere Einrichtungen sollen eine höhere soziale und wirtschaftliche Effizienz erlangen, vor allem die staatlichen wissenschaftlichen Forschungsinstitute. Zwölf davon gibt es. Sie sind übers ganze Land verteilt und überhaupt nicht an den Produktionsbereich angebunden. Sie verfügen auch nicht über die nötige Infrastruktur. Uns fehlen außerdem die Fachkräfte, die entscheidende Veränderungen bewirken könnten."
So entstand vor drei Jahren die Idee eines neuen Zentrums für Forschung und Lehre, in dessen unmittelbarer Nähe sich Unternehmen ansiedeln sollen, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse umzusetzen und anzuwenden. Also etwas Ähnliches wie der Technologie- und Wirtschaftsstandort Berlin-Adlershof, allerdings nicht in der Dimension eines Stadtteils, sondern einer ganzen Stadt, rund zehn Mal so groß wie Adlershof.
"Wir haben ein erhebliches Defizit an Studenten in technologischen Fachrichtungen und in der Forschung. Das hängt mit einem strukturellen Problem unserer Wirtschaft zusammen: Sie basiert auf Finanzgeschäften sowie auf Export und Import. Unsere hiesigen Unternehmer sind es nicht gewohnt, neue Produkte herzustellen. Das war schon in der Kolonialzeit so. Aber das kann sich Ecuador in einer Welt, die von neuen Erkenntnissen lebt, nicht mehr leisten. Unsere Ölvorkommen sollen in zwanzig Jahren erschöpft sein. Deshalb hat sich diese Regierung entschlossen, die nötigen Investitionen vorzunehmen, damit sich Ecuadors Ressourcenökonomie zu einer Forschungswirtschaft entwickeln kann."
Der Campus für die Zukunft des Landes
In einer malerischen Hochebene zweieinhalb Autostunden von der Hauptstadt Quito entfernt, entsteht jetzt die erste Stufe dieses ehrgeizigen Projekts. Eine ehemalige Zuckerfabrik und zwei Haziendas werden zurzeit zum Kern der neuen "Universität des Wissens" umgebaut – streng nach den Auflagen der Denkmalpflege und des Naturschutzes. In einem Jahr will man starten, zunächst mit 200 Studenten und 25 Professoren.
In zehn Jahren sollen hier 10.000 junge Menschen aus der ganzen Welt lernen und forschen können – mit Hilfe von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland.
Ecuador – einst spöttisch auch als "Bananenrepublik" bezeichnet - möchte einen gewaltigen Sprung in die Zukunft machen. Umdenken wird gefordert sein - von der jungen Generation ebenso wie von den Unternehmern. Doch nur die eigenen Kräfte werden den tief greifenden Wandlungsprozess nicht schaffen können.
Deshalb kam Präsident Correa vor einigen Wochen auf Einladung der deutschen Wirtschaft und von Bundeskanzlerin Merkel zu einem Besuch in die Bundesrepublik. Eine ganze Reihe von Abkommen konnte er mit nach Hause nehmen. Auch eine wissenschaftliche Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität gehört dazu.
Bedenken gegen dieses Großvorhaben zerstreut die Regierung. Außerdem versucht sie gerade, mit einer Qualitätsoffensive die offenkundigen Mängel im Schul- und Hochschulbereich zu beseitigen. So will man die Voraussetzungen schaffen, den Bildungsstand künftiger Studentengenerationen auf das erforderliche Niveau zu heben.
Über ein Dutzend private Universitäten haben die Behörden inzwischen geschlossen. Sie hätten den akademischen Anforderungen nicht im Geringsten entsprochen und oft noch nicht einmal über die nötige Infrastruktur verfügt, hieß es zur Begründung. Lehrer und Hochschullehrer mussten sich einer Evaluierung unterziehen. Dabei habe sich herausgestellt, dass viele von ihnen nicht angemessen ausgebildet seien und dass man in der Vergangenheit Lehrerstellen sogar vererbt habe.
In zehn Jahren sollen hier 10.000 junge Menschen aus der ganzen Welt lernen und forschen können – mit Hilfe von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland.
Ecuador – einst spöttisch auch als "Bananenrepublik" bezeichnet - möchte einen gewaltigen Sprung in die Zukunft machen. Umdenken wird gefordert sein - von der jungen Generation ebenso wie von den Unternehmern. Doch nur die eigenen Kräfte werden den tief greifenden Wandlungsprozess nicht schaffen können.
Deshalb kam Präsident Correa vor einigen Wochen auf Einladung der deutschen Wirtschaft und von Bundeskanzlerin Merkel zu einem Besuch in die Bundesrepublik. Eine ganze Reihe von Abkommen konnte er mit nach Hause nehmen. Auch eine wissenschaftliche Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität gehört dazu.
Bedenken gegen dieses Großvorhaben zerstreut die Regierung. Außerdem versucht sie gerade, mit einer Qualitätsoffensive die offenkundigen Mängel im Schul- und Hochschulbereich zu beseitigen. So will man die Voraussetzungen schaffen, den Bildungsstand künftiger Studentengenerationen auf das erforderliche Niveau zu heben.
Über ein Dutzend private Universitäten haben die Behörden inzwischen geschlossen. Sie hätten den akademischen Anforderungen nicht im Geringsten entsprochen und oft noch nicht einmal über die nötige Infrastruktur verfügt, hieß es zur Begründung. Lehrer und Hochschullehrer mussten sich einer Evaluierung unterziehen. Dabei habe sich herausgestellt, dass viele von ihnen nicht angemessen ausgebildet seien und dass man in der Vergangenheit Lehrerstellen sogar vererbt habe.
Geschäfte mit dem Klimaschutz
In einem Bereich hatte Raffael Correa schon zu Beginn seiner Amtszeit mit der "Initiative Yasuní-ITT" ein Signal gesetzt:
"Wir wollen auf unbegrenzte Zeit 846 Millionen Barrel Öl in der Erde lassen: die größte Ölreserve des Landes, rund 20 Prozent unserer gesamten Ölvorkommen. Das soll unser Beitrag für die Zukunft von uns allen sein. Die Initiative Yasuní-ITT will den Klimaschutz effektiv unterstützen, denn auf diese Weise werden über 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen vermieden, die entstehen, wenn fossile Stoffe verbrennen."
Zugleich wird damit ein einzigartiges Naturschutzgebiet erhalten: der mit dem Kürzel ITT versehene Teil des Yasuní-Nationalparks. Dieses Gebiet mit seiner einzigartigen Bio-Diversität gilt als sehr fragil. Seine reiche Artenvielfalt würde selbst bei einer schonenden Ölförderung schwer geschädigt, wenn nicht sogar zerstört werden, sind sich Umweltschützer sicher.
Doch Ecuador kann auf den Erdöl-Export nicht einfach verzichten, wenn es sich weiterentwickeln will. Deshalb hat die Regierung der Weltöffentlichkeit ein Kompensationsgeschäft vorgeschlagen. Ivonne Baki, die Direktorin der Initiative:
"Der Wert unserer Ölvorkommen wird zurzeit auf rund 7,5 Milliarden Dollar geschätzt. Ecuador würde auf die Hälfte dieser Einnahmen verzichten, wenn die für die Umweltverschmutzung besonders verantwortlichen Länder dafür im Verlauf von 13 Jahren als Ausgleich 3,75 Milliarden bezahlen würden."
Dies, so ist sie überzeugt, wäre ein Schritt hin zu einem Zeitalter nach dem Öl. Und ein alternatives Entwicklungsprojekt. Denn mit diesen Milliarden sollen ausschließlich erneuerbare Energien weiter erforscht sowie die über vierzig Naturschutzgebiete Ecuadors erhalten werden: Bereits zerstörte Wälder ließen sich damit wieder aufforsten; der indigenen Bevölkerung in diesen Gebieten könnte man gezielt helfen. Auch für die Kontrolle der Finanzmittel wäre gesorgt: Das könnte ein Treuhandfonds der UNO übernehmen. Ivonne Baki:
"Das alles ist auf lange Sicht angelegt und in der Verfassung verankert. Wenn eine andere Regierung später das Öl fördern will, muss sie das Geld zurückzahlen. Doch dazu bedürfte es der Zustimmung des Parlaments. Der politische Preis dafür wäre sehr hoch, denn knapp achtzig Prozent der Ecuadorianer wollen das Yasuní-ITT-Gebiet erhalten."
330 Millionen Dollar sollen inzwischen vorliegen, zumeist allerdings in Form von Absichtserklärungen, vielfältigen Kooperationsprojekten oder auch direkten Investitionen in den Naturschutz, wie sie beispielsweise die deutsche Bundesregierung vorzieht. An Barmitteln, so ist zu hören, sollen bisher erst wenige Millionen in den Fonds geflossen sein, die man zur Regionalförderung eingesetzt habe.
"Wir wollen unser Energiekonzept modernisieren und bauen deshalb neun Wasserkraftwerke, das erste in Loja mit Fondsmitteln. Im April haben wir ein Abkommen mit den Gemeinden im Kanton Aguaríco abgeschlossen: über erneuerbare Energien, Ökotourismus, schonende Verfahren in der landwirtschaftlichen Produktion und im Fischfang, bei der Fortbildung und Arbeitsbeschaffung. Wir unternehmen eine Menge, damit das Projekt zum Erfolg wird."
Der Nationalpark Yasuní im riesigen Amazonasgebiet ist jedoch um ein Vielfaches größer als das relativ kleine Teilstück ITT. Dort wird seit Jahrzehnten Öl gefördert – trotz der Bio-Diversität. Und dort will Präsident Correa auch noch neue Bohrstellen genehmigen. Der Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta:
"Die Regierung öffnet neue Erdölfelder im Süden Amazoniens. Das heißt: Sie schützt einen Teil und opfert einen anderen, sehr viel größeren, wo viele Tausend Menschen leben, zahlreiche indigene Gemeinschaften und zwei Völker, die in freiwilliger Isolation leben. Sie überlässt sie der Rohstoffausbeutung durch transnationale Konzerne aus China, Kanada und den USA. Das ist ein enormer Widerspruch und zeigt auch, dass die Regierung noch nicht einmal eine klare Haltung zugunsten der beiden indigenen Völker einnimmt, die jeglichen Kontakt zur Außenwelt ablehnen."
"Wir wollen auf unbegrenzte Zeit 846 Millionen Barrel Öl in der Erde lassen: die größte Ölreserve des Landes, rund 20 Prozent unserer gesamten Ölvorkommen. Das soll unser Beitrag für die Zukunft von uns allen sein. Die Initiative Yasuní-ITT will den Klimaschutz effektiv unterstützen, denn auf diese Weise werden über 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Emissionen vermieden, die entstehen, wenn fossile Stoffe verbrennen."
Zugleich wird damit ein einzigartiges Naturschutzgebiet erhalten: der mit dem Kürzel ITT versehene Teil des Yasuní-Nationalparks. Dieses Gebiet mit seiner einzigartigen Bio-Diversität gilt als sehr fragil. Seine reiche Artenvielfalt würde selbst bei einer schonenden Ölförderung schwer geschädigt, wenn nicht sogar zerstört werden, sind sich Umweltschützer sicher.
Doch Ecuador kann auf den Erdöl-Export nicht einfach verzichten, wenn es sich weiterentwickeln will. Deshalb hat die Regierung der Weltöffentlichkeit ein Kompensationsgeschäft vorgeschlagen. Ivonne Baki, die Direktorin der Initiative:
"Der Wert unserer Ölvorkommen wird zurzeit auf rund 7,5 Milliarden Dollar geschätzt. Ecuador würde auf die Hälfte dieser Einnahmen verzichten, wenn die für die Umweltverschmutzung besonders verantwortlichen Länder dafür im Verlauf von 13 Jahren als Ausgleich 3,75 Milliarden bezahlen würden."
Dies, so ist sie überzeugt, wäre ein Schritt hin zu einem Zeitalter nach dem Öl. Und ein alternatives Entwicklungsprojekt. Denn mit diesen Milliarden sollen ausschließlich erneuerbare Energien weiter erforscht sowie die über vierzig Naturschutzgebiete Ecuadors erhalten werden: Bereits zerstörte Wälder ließen sich damit wieder aufforsten; der indigenen Bevölkerung in diesen Gebieten könnte man gezielt helfen. Auch für die Kontrolle der Finanzmittel wäre gesorgt: Das könnte ein Treuhandfonds der UNO übernehmen. Ivonne Baki:
"Das alles ist auf lange Sicht angelegt und in der Verfassung verankert. Wenn eine andere Regierung später das Öl fördern will, muss sie das Geld zurückzahlen. Doch dazu bedürfte es der Zustimmung des Parlaments. Der politische Preis dafür wäre sehr hoch, denn knapp achtzig Prozent der Ecuadorianer wollen das Yasuní-ITT-Gebiet erhalten."
330 Millionen Dollar sollen inzwischen vorliegen, zumeist allerdings in Form von Absichtserklärungen, vielfältigen Kooperationsprojekten oder auch direkten Investitionen in den Naturschutz, wie sie beispielsweise die deutsche Bundesregierung vorzieht. An Barmitteln, so ist zu hören, sollen bisher erst wenige Millionen in den Fonds geflossen sein, die man zur Regionalförderung eingesetzt habe.
"Wir wollen unser Energiekonzept modernisieren und bauen deshalb neun Wasserkraftwerke, das erste in Loja mit Fondsmitteln. Im April haben wir ein Abkommen mit den Gemeinden im Kanton Aguaríco abgeschlossen: über erneuerbare Energien, Ökotourismus, schonende Verfahren in der landwirtschaftlichen Produktion und im Fischfang, bei der Fortbildung und Arbeitsbeschaffung. Wir unternehmen eine Menge, damit das Projekt zum Erfolg wird."
Der Nationalpark Yasuní im riesigen Amazonasgebiet ist jedoch um ein Vielfaches größer als das relativ kleine Teilstück ITT. Dort wird seit Jahrzehnten Öl gefördert – trotz der Bio-Diversität. Und dort will Präsident Correa auch noch neue Bohrstellen genehmigen. Der Wirtschaftswissenschaftler Alberto Acosta:
"Die Regierung öffnet neue Erdölfelder im Süden Amazoniens. Das heißt: Sie schützt einen Teil und opfert einen anderen, sehr viel größeren, wo viele Tausend Menschen leben, zahlreiche indigene Gemeinschaften und zwei Völker, die in freiwilliger Isolation leben. Sie überlässt sie der Rohstoffausbeutung durch transnationale Konzerne aus China, Kanada und den USA. Das ist ein enormer Widerspruch und zeigt auch, dass die Regierung noch nicht einmal eine klare Haltung zugunsten der beiden indigenen Völker einnimmt, die jeglichen Kontakt zur Außenwelt ablehnen."
Das Prinzip "Buen vivir"
Alberto Acosta war anfangs einer der engsten Mitarbeiter Correas. Er hat viele programmatische Grundaussagen der so genannten "Bürger-Revolution" entworfen und die neue Verfassung entscheidend mit beeinflusst. Auch ein Grundprinzip indigenen Denkens ist dort verankert: das "buen vivir".
Dieser Begriff – "Gutes Leben" - beschreibt ein neues Verständnis in der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Ziel ist demnach nicht mehr ein stetig steigendes Wirtschaftswachstum, sondern eine Entwicklung, die schonend mit der Umwelt umgeht und die Rechte und Kulturen der indigenen Völker respektiert. Alle Teile der Gesellschaft und deren natürliche Grundlagen sollen in einem harmonischen Verhältnis, eben "gut" zusammenleben.
Präsident Correa, ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler, hat zwar die Verfassung von 2008 unterzeichnet. Doch seine bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen weisen in eine weniger utopische Richtung: Sie zielen auf schnellen Fortschritt und rasches Wachstum. Deshalb gehört Alberto Acosta heute zu den schärfsten Kritikern Correas:
"Die Regierung redet immer nur vom 'Buen vivir', aber sie praktiziert es nicht. Die kollektiven Rechte der Indios werden genauso wenig respektiert wie die Rechte der Natur. Correa ignoriert nicht selten die Verfassung. Es gibt keinerlei Fortschritt beim Aufbau einer neuen Gesellschaft, eines gesellschaftlichen Umdenkens … Diese Regierung ist gewiss besser als die früheren. Aber sie verändert nichts an den Strukturen Ecuadors. Deshalb ist dies keine 'Bürger-Revolution', sondern eine Modernisierung des Kapitalismus."
Dennoch: Kein Präsident hat jemals eine so hohe Zustimmung bei der Bevölkerung gefunden wie Rafael Correa bei den Wahlen im vergangenen Februar. Seither verfügt er sogar über die absolute Mehrheit im Parlament.
"Der Grund ist einfach: Die Rückkehr des Staates hat sich positiv ausgewirkt. Das zeigt sich in den Gemeinden und Stadtvierteln, wo sich so viele Probleme direkt lösen lassen. Sowie an den vielen Investitionen im Gesundheits- und Bildungswesen und vor allem auch in die Infrastruktur: beim Bau neuer Fernstraßen, Brücken und Wege. Der Staat ist heute überall präsent. Er funktioniert wie eine Regierungspartei, beide sind auch eng miteinander verwoben."
Diese starke Zentralisierung war nur deshalb möglich, weil der Staatsapparat beträchtlich ausgeweitet worden ist und zahllose neue staatliche Institutionen und Organisationen entstanden. Sie haben sich wie ein Netz übers ganze Land verbreitet und für große Abhängigkeiten in vielen Bereichen gesorgt. Auch bedienen die sozialen Fürsorgemaßnahmen wohl oft in erster Linie die eigene Klientel.
Dieser Begriff – "Gutes Leben" - beschreibt ein neues Verständnis in der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Ziel ist demnach nicht mehr ein stetig steigendes Wirtschaftswachstum, sondern eine Entwicklung, die schonend mit der Umwelt umgeht und die Rechte und Kulturen der indigenen Völker respektiert. Alle Teile der Gesellschaft und deren natürliche Grundlagen sollen in einem harmonischen Verhältnis, eben "gut" zusammenleben.
Präsident Correa, ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler, hat zwar die Verfassung von 2008 unterzeichnet. Doch seine bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen weisen in eine weniger utopische Richtung: Sie zielen auf schnellen Fortschritt und rasches Wachstum. Deshalb gehört Alberto Acosta heute zu den schärfsten Kritikern Correas:
"Die Regierung redet immer nur vom 'Buen vivir', aber sie praktiziert es nicht. Die kollektiven Rechte der Indios werden genauso wenig respektiert wie die Rechte der Natur. Correa ignoriert nicht selten die Verfassung. Es gibt keinerlei Fortschritt beim Aufbau einer neuen Gesellschaft, eines gesellschaftlichen Umdenkens … Diese Regierung ist gewiss besser als die früheren. Aber sie verändert nichts an den Strukturen Ecuadors. Deshalb ist dies keine 'Bürger-Revolution', sondern eine Modernisierung des Kapitalismus."
Dennoch: Kein Präsident hat jemals eine so hohe Zustimmung bei der Bevölkerung gefunden wie Rafael Correa bei den Wahlen im vergangenen Februar. Seither verfügt er sogar über die absolute Mehrheit im Parlament.
"Der Grund ist einfach: Die Rückkehr des Staates hat sich positiv ausgewirkt. Das zeigt sich in den Gemeinden und Stadtvierteln, wo sich so viele Probleme direkt lösen lassen. Sowie an den vielen Investitionen im Gesundheits- und Bildungswesen und vor allem auch in die Infrastruktur: beim Bau neuer Fernstraßen, Brücken und Wege. Der Staat ist heute überall präsent. Er funktioniert wie eine Regierungspartei, beide sind auch eng miteinander verwoben."
Diese starke Zentralisierung war nur deshalb möglich, weil der Staatsapparat beträchtlich ausgeweitet worden ist und zahllose neue staatliche Institutionen und Organisationen entstanden. Sie haben sich wie ein Netz übers ganze Land verbreitet und für große Abhängigkeiten in vielen Bereichen gesorgt. Auch bedienen die sozialen Fürsorgemaßnahmen wohl oft in erster Linie die eigene Klientel.
Gespaltene Stimmung im Volk
Teile der Zivilgesellschaft und die Mehrheit der indigenen Organisationen haben sich inzwischen von Correa getrennt: Sie halten seine "Bürger-Revolution" für undemokratisch und autoritär. Diana Atamaint, eine der wenigen Parlamentsabgeordneten indigener Herkunft:
"Der große Widerspruch dieser an sich progressiven oder sozialistischen Regierung besteht für mich darin, dass sie alles unternimmt, um die gesellschaftlichen Organisationen von Indios, Lehrern, staatlichen Angestellten, Studenten und auch Gewerkschaften zu zerschlagen. Durch neue Dekrete hat man uns beispielsweise das Widerspruchsrecht entzogen. Außerdem wird der politische Widerstand zunehmend kriminalisiert. Mehr als hundert Indio-Anführer sind verhaftet und des Terrorismus angeklagt worden."
Sie hatten oft durch Straßenblockaden gegen die weitere Privatisierung von Wasserquellen und neue Tagebauprojekte protestiert, nachdem zuvor alle Verhandlungsversuche gescheitert waren:
"Der Parlamentsabgeordnete Pepe Acacho wurde beispielsweise acht Tage lang festgehalten und des Terrorismus bezichtigt, ohne auch nur einen Haftbefehl gesehen zu haben. Er war in die Fänge eines Antiterrorkommandos geraten. Ein anderer unserer Indio-Vertreter, der ebenfalls für die uns zustehenden Wasserrechte kämpft, wurde mit einer geradezu lächerlichen Begründung eingesperrt, die zeigt, mit welchen Mitteln die Justiz gegen uns vorgeht: sie hat ihm vorgeworfen, sein Kampf sei altruistisch, zu selbstlos …"
Präsident Correa selbst ist inzwischen mehrfach international in die Schlagzeilen geraten, als er die privaten Medien seines Landes heftig attackierte. Nun will er deren Einfluss durch ein neues Gesetz weiter einschränken.
Und Regierungsvertreter haben sich immer wieder durch kritische Äußerungen von Abgeordneten der Opposition beleidigt gefühlt, woraufhin regelmäßig Verfahren eingeleitet worden sind, um ihren Kontrahenten die Immunität entziehen zu lassen. Noch hat das Plenum derlei Anträge stets abgewiesen. Doch nun soll das neue Parlament, in dem die Regierung die absolute Mehrheit besitzt, darüber grundsätzlich beraten.
Ecuador hat – trotz aller Widersprüche – einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Und das Modernisierungsprojekt von Rafael Correa scheint auf einer soliden Grundlage zu stehen. Für die Zukunft wird es allerdings entscheidend sein, die Polarisierung zu beseitigen und die auseinandergedrifteten gesellschaftlichen Kräfte wieder zusammenzuführen.
"Der große Widerspruch dieser an sich progressiven oder sozialistischen Regierung besteht für mich darin, dass sie alles unternimmt, um die gesellschaftlichen Organisationen von Indios, Lehrern, staatlichen Angestellten, Studenten und auch Gewerkschaften zu zerschlagen. Durch neue Dekrete hat man uns beispielsweise das Widerspruchsrecht entzogen. Außerdem wird der politische Widerstand zunehmend kriminalisiert. Mehr als hundert Indio-Anführer sind verhaftet und des Terrorismus angeklagt worden."
Sie hatten oft durch Straßenblockaden gegen die weitere Privatisierung von Wasserquellen und neue Tagebauprojekte protestiert, nachdem zuvor alle Verhandlungsversuche gescheitert waren:
"Der Parlamentsabgeordnete Pepe Acacho wurde beispielsweise acht Tage lang festgehalten und des Terrorismus bezichtigt, ohne auch nur einen Haftbefehl gesehen zu haben. Er war in die Fänge eines Antiterrorkommandos geraten. Ein anderer unserer Indio-Vertreter, der ebenfalls für die uns zustehenden Wasserrechte kämpft, wurde mit einer geradezu lächerlichen Begründung eingesperrt, die zeigt, mit welchen Mitteln die Justiz gegen uns vorgeht: sie hat ihm vorgeworfen, sein Kampf sei altruistisch, zu selbstlos …"
Präsident Correa selbst ist inzwischen mehrfach international in die Schlagzeilen geraten, als er die privaten Medien seines Landes heftig attackierte. Nun will er deren Einfluss durch ein neues Gesetz weiter einschränken.
Und Regierungsvertreter haben sich immer wieder durch kritische Äußerungen von Abgeordneten der Opposition beleidigt gefühlt, woraufhin regelmäßig Verfahren eingeleitet worden sind, um ihren Kontrahenten die Immunität entziehen zu lassen. Noch hat das Plenum derlei Anträge stets abgewiesen. Doch nun soll das neue Parlament, in dem die Regierung die absolute Mehrheit besitzt, darüber grundsätzlich beraten.
Ecuador hat – trotz aller Widersprüche – einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Und das Modernisierungsprojekt von Rafael Correa scheint auf einer soliden Grundlage zu stehen. Für die Zukunft wird es allerdings entscheidend sein, die Polarisierung zu beseitigen und die auseinandergedrifteten gesellschaftlichen Kräfte wieder zusammenzuführen.