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Ehrung für deutsche Exilschriftsteller

Im französischen Fischerdorf Sanary-sur-Mer lebten vor mehr als 70 Jahren Schriftsteller wie Bert Brecht, Lion Feuchtwanger, Stefan Zweig und Thomas Mann als Exilanten auf der Flucht vor der deutschen Wehrmacht. Herbert Wiesner, Generalsekretär des deutschen P.E.N, berichtet von einem Gedenkprojekt.

Herbert Wiesner im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 05.01.2011
    Burkhard Müller-Ullrich: Heute ist Sanary-sur-Mer kein Fischerdorf mehr, sondern eine stolze Stadt, die im Wesentlichen vom Tourismus lebt. Dort wird demnächst auf Anregung des deutschen P.E.N.-Clubs eine Erinnerungsplakette für die Flüchtlinge angebracht. Herbert Wiesner, Generalsekretär des deutschen P.E.N., wollten Sie damit eine zusätzliche Touristenattraktion für Sanary schaffen?

    Herbert Wiesner: Nein, das wollten wir nicht. Es gibt dort eine Plakette seit 1987, am Hafen, eine Gedenktafel mit, ich glaube, etwa 36 Namen. Die Zahl der Namen hat sich durch die Forschung erheblich erhöht. Das verdanken wir eigentlich Manfred Flügge, mit dem ich da zusammengearbeitet habe. Und dann hat der Bürgermeister von Sanary, ein Herr Bernard, der kein Wort Deutsch spricht, sich aber für diese deutsche Vergangenheit interessiert - für diese deutsch-österreichische Vergangenheit muss man sagen, denn er ist Abkömmling von Wiener Juden. Und er hat versprochen, diese Plakette zu erweitern um all die neuen Namen - ich glaube, es sind inzwischen über 70. Und diese Plakette wird am 28. Januar in Sanary-sur-Mer neu enthüllt.

    Müller-Ullrich: Warum um Himmels Willen Ende Januar, wo doch wirklich da "saison basse" ist?

    Wiesner: Ja, es ist so, dass der P.E.N. ja normalerweise für seine Tätigkeiten Geld vom BKM, also von Bernd Neumann, vom Staatsminister erhält. In diesem Falle ist es aber nun wirklich eine außenpolitische Aufgabe, die wir da wahrnehmen. Und das Auswärtige Amt hat sich leider sehr lange geziert, uns wenigstens 3500 Euro Anreisekosten zu bezahlen. Das muss man mal ganz offen so sagen. Und nun bekommen wir dieses Geld aber, und Sanary ist unter Zeitdruck aus irgendwelchen Umständen, ich weiß nicht, woran das liegt, aber nun wird es halt im Januar eröffnet. Wir fahren ja auch nicht zum Vergnügen dorthin, wir wollen ja zeigen, dass wir an unseren Exilanten Interesse haben und dass wir uns freuen, dass Sanary-sur-Mer das macht, und wir wollen uns auch bei diesem Bürgermeister bedanken.

    Müller-Ullrich: Sie haben ja zu Recht von einer außenpolitischen Aufgabe gesprochen, wirkt das auf die Franzosen nicht ein bisschen peinlich? Haben die das überhaupt erfahren mit den 3500 Euro, die der Bundesrepublik fehlten?

    Wiesner: Die haben - muss man noch dazusagen - selbst nicht viel Geld. Ich glaube, das ist alles sehr diskret vonstatten gegangen. Wir hoffen, dass sich irgendwie die deutsche Botschaft noch in einer Weise wenigstens sichtbar macht, also wenigstens der Generalkonsul sollte ja wohl anwesend sein bei dieser Enthüllung. Und ich habe auch dafür gesorgt, und da habe ich eine feste Zusage, dass der französische P.E.N.-Präsident, Sylvestre Clancier, dafür nach Sanary reist.

    Müller-Ullrich: Bei über 70 Namen scheint mir ja der Begriff Plakette nicht mehr ganz angemessen zu sein, das muss ja ein größeres Teil sein . Wie hat man sich das vorzustellen, wie wird das aussehen, wissen Sie das schon?

    Wiesner: Ich weiß nur, dass diese "plaque", wie die Franzosen sagen, einen Überzug haben wird, der die "plaque" resistent macht gegen Schmierereien, die von Rechten angebracht werden können.

    Müller-Ullrich: Und wo wird sie hängen?

    Wiesner: Doch wohl wieder da, wo die alte war, am Hafen. Es gibt da so ein Rondell, da ist für alle sichtbar öffentlich diese "plaque" angebracht. Und darüber hinaus muss man sagen, ist auch sonst eine Menge geschehen. Es gibt also Hinweistafeln auf die Gedenkstätten, auf die Wohnungen, auf die Häuser, und man kann eine kleine Route abklappern und alle diese Häuser besichtigen, in denen die Exilanten gewohnt haben. Und man kann noch dazusagen, das waren nicht alles große, feine Villen. Es herrschte dort vor allen Dingen gegen Ende dieser Zeit - der ganze Spuk war ja spätestens 1942 zu Ende - und da herrschte doch ziemlich ...

    Müller-Ullrich: Als auch der Süden besetzt wurde.

    Wiesner: Ja ... und da herrschte ziemliche Not. Es gab wenig zu essen, es gab fast nichts zu heizen. Und wir machen heute diese Sendung an einem fast historischen Tag, denn am Dreikönigstag, also morgen vor 70 Jahren, ist Franz Hesse an Entkräftung und Hunger gestorben.

    Müller-Ullrich: Wie hat man sich das vorzustellen, wie sind Sie vorgegangen, als Sie diese Idee zum ersten Mal hatten? Dann muss man das ja irgendwie lancieren und sofort ist man auf der zwischenstaatlichen, internationalen Ebene.

    Wiesner: Ja, so international ist es nicht zugegangen, und ich muss auch gestehen, dass hier die Hauptarbeit bei Manfred Flügge lag, der eben auch ein Buch darüber geschrieben hat und der darüber zu einem Exilforscher geworden ist. Und da Flügge viel besser Französisch spricht als ich, hat er die ganzen Verhandlungen mit der Stadt geführt, und er kennt auch den Bürgermeister persönlich. Es ist also auf kleiner, aber intensiver Flamme dort gekocht worden.

    Müller-Ullrich: Und wie lange hat es gebraucht bis zum Erfolg, von der ersten Idee?

    Wiesner: Oh, das ist sicher mehr als ein Jahr gewesen.