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Eidechsen-Evolution
Auf größerem Fuß in Baumkronen

Biologie. - Die Evolution kann ein durchaus rasantes Tempo vorlegen. Innerhalb von nur 20 Eidechsengenerationen haben sich auf einigen Inseln vor Florida einheimische Reptilien an eine eingewanderte fremde Art angepasst und sich einen neuen Lebensraum erschlossen. Das berichten Biologen unter Leitung von Yoel Stuart, University of Texas, jetzt in "Science". Er erläutert die Ergebnisse im Gespräch mit Monika Seynsche.

Yoel Stuart im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Porträt einer Grünen Anolis, einer einheimischen Eidechsenart von den Inseln vor Florida.
    Eine Grüne Anolis von den Inseln vor Florida. (Science/ Todd Campbell, Uni Texas)
    Monika Seynsche: Was ist auf den Inseln vor der Küste Floridas passiert?
    Yoel Stuart: Nun, auf diesen Inseln lebte ursprünglich nur der Grüne Anolis. Das ist die einzige in Florida heimische Anolisart. Ohne Konkurrenten nutzte diese Art einen großen Teil der Insel. Sie lebte am Boden, genauso wie am Fuß der Bäume und in Büschen. Aber dann kam etwa in den 1950er-Jahren die aus Kuba eingeschleppte Art der Bahama-Anolis nach Südflorida und breitete sich aus. Aus Beobachtungsdaten wissen wir, dass der Grüne Anolis sich in die höheren Teile der Bäume zurückzog, wahrscheinlich – so unsere Hypothese - um dem Konkurrenzdruck durch die Bahama-Anolis zu entgehen. Auf den Inseln wollten wir diese Annahme überprüfen. Deshalb hat einer meiner Kollegen 1995 Bahama-Anolis auf drei dieser Inseln ausgesetzt auf denen vorher nur Grüne Anolis lebten. Er entdeckte dass die Tiere plötzlich weiter oben in den Bäumen lebten. Das war also der experimentelle Beweis. 15 Jahre beziehungsweise 20 Anolis-Generationen später kam ich dann dazu und wollte herausfinden ob dieser Lebensraumwechsel sich schon auf die Evolution der heimischen Grünen Anolis ausgewirkt hatte. Also fing ich einige der Tiere auf diesen Inseln und vermaß ihre Füße, um zu sehen ob die Haftzehen größer geworden waren.
    Seynsche: Und wie haben sich die Tiere verändert?
    Stuart: Sie haben sich verändert indem sie größere Haftzehen entwickelt haben, mit denen sie sich ähnlich wie Geckos besser an den dünnen, glatten Ästen in den Baumkronen festhalten konnten. Wahrscheinlich ist das eine Anpassung an ihren neuen Lebensraum in größeren Höhen.
    Seynsche: Und kommen sie dadurch jetzt besser klar mit den Neuankömmlingen?
    Stuart: Ja, die beiden Arten haben den Lebensraum jetzt zwischen sich aufgeteilt. Der Bahama-Anolis lebt in Bodennähe und der Grüne Anolis bewohnt die oberen Bereiche der Bäume. Wir gehen davon aus, dass es ihnen da oben besser geht.
    Seynsche: Und ist das ein gutes Zeichen? Invasive Arten sorgen ja überall auf der Welt für Probleme. Würden Sie anhand ihrer Ergebnisse sagen, dass zumindest Eidechsen sich schnell an neue Arten gewöhnen können?
    Stuart: Zumindest in diesem Fall ist es ein gutes Zeichen. Denn es beweist, dass dort wo der Grüne Anolis die Fähigkeit hat, sich in die Baumkronen zurückzuziehen, er mit dem eingeschleppten Bahama-Anolis gut zurecht kommt. Vermutlich hatte der Grüne Anolis genug genetische Vielfalt, so dass die Selektion ihn hinauf in die Bäume bringen konnte und er sich an das Leben dort oben anpassen konnte. Die Frage ist, ob man diese Erkenntnis generalisieren kann auf andere Organismen und ihre Reaktion auf invasive Arten, Umweltveränderungen oder Klimawandel. Haben sie genug genetische Variation um mit den Herausforderungen klarzukommen, denen sie gegenüberstehen? Das ist eine offene Frage. Unsere Entdeckung dieser schnellen evolutionären Reaktion lässt hoffen, dass sich möglicherweise auch andere Organismen an neue Arten oder den Klimawandel anpassen können aber das dürfte von System zu System oder von Organismus zu Organismus variieren.