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"Ein Betrug an Europa"

Frankreichs Landwirte sollen Subventionen zurückzahlen, die sie von ihrer Regierung zwischen 1992 und 2002 unrechtmäßig erhalten haben - mindestens 330 Millionen Euro. Spanien, Frankreichs direkter Konkurrent auf dem Agrarmarkt, freut das.

Von Hans-Günter Kellner |
    Nachdenklich betritt Paco González sein Gewächshaus. Obwohl alle Fenster geöffnet sind, ist es fast unerträglich heiß, er öffnet sein Hemd, zieht den Strohhut ab. Er hat kapituliert: Eine schlimme Schädlingsplage hat die Tomatenpflanzen in einem der Gewächshäuser in nur wenigen Tagen zerstört. Und da sind jetzt auch noch die französischen Landwirte, die wieder damit begonnen haben, Lastwagen mit spanischem Obst und Gemüse an der Grenze zu blockieren.

    "Das ist uns natürlich immer schon sauer aufgestoßen, wenn sie unsere Lastwagen an der Grenze umgeworfen haben. Jetzt ist es vor zwei Wochen wieder passiert. Dabei haben wir doch einen europäischen Markt. Wenn das jetzt so weiter geht, müssen wir eben eigene Protestationen starten. Aber es wird so oder so immer schlimmer mit der Landwirtschaft. Unsere Kinder wollen das nicht mehr machen. Wo soll das bloß enden?"

    Das schlechte Verhältnis der spanischen Landwirte zu ihren französischen Kollegen hat Tradition. Als Spanien 1986 Mitglied der Europäischen Union wurde, bestand Frankreich auf langen Übergangszeiten für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Nachbarn im Süden. Immer wieder protestieren französische Bauern gegen die angebliche Wettbewerbsverzerrung durch das günstigere spanische Obst. Wettbewerbsverzerrung wirft auch Paco González den französischen Landwirten vor - wegen der ungerechtfertigten Subventionen.

    "Das war doch Betrug. Ein Betrug an Europa! Ich weiß nicht, wie so etwas passieren kann. Aber wenn diese Leute betrogen haben, müssen sie das zurück bezahlen. Zum Wohle der übrigen Europäer, auch derer, die gerade der EU beigetreten sind."

    Doch die Genugtuung hält sich in Grenzen. Die spanischen Landwirte haben eigene Sorgen. Die Erzeugerpreise lägen inzwischen unter den Herstellungskosten, klagt Paco González und zupft sich am dichten, ergrauten Schnurrbart. 30 Cent erhalte er noch für ein Kilo Gurken, erzählt der 60-Jährige. Bei aller Verbitterung klingt bei ihm auch Bewunderung durch für die gut durchorganisierte Bauern-Lobby auf der anderen Seite der Pyrenäen.

    "Ein französischer Landwirt ist doch viel reicher als ein spanischer. Die halten einfach besser zusammen. Ich glaube, bei uns Spaniern schaut jeder zu sehr auf seine eigenen Interessen, wir sind zu sehr Individualisten, um auch in Madrid Druck auf die Regierung machen zu können, um das zu erreichen, was wir vielleicht erreichen könnten, wenn wir enger zusammen stehen würden."

    Während Paco González die letzten von den Schädlingen verschonten Tomaten rettet, erntet Lorenzo Ramos in der weit entfernten Extremadura Kirschen. Er ist Sprecher des Verbands der Kleinbauern Upa. Er meint zur Entscheidung aus Brüssel über die ungerechtfertigt an die französischen Landwirte gezahlten Subventionen:

    "Einen solchen Fall hatten wir hier in Spanien noch nicht, dass eine Regierung Leute unterstützt hätte, die keinen Anspruch darauf haben nach den Regeln der EU. Aber auch wenn es rechtens ist, dass die Landwirte diese Subventionen jetzt zurückzahlen müssen: Es sollte doch von Fall zu Fall entschieden werden. Diese Rückzahlungen dürfen nicht dazu führen, dass die Leute pleite gehen."

    Doch damit hört die Solidarität mit den französischen Kollegen schon auf. Die umgekippten Lkw mit spanischen Orangen und Pfirsichen führten zu Misstrauen. Solche Aktionen könnten schnell zu einem Boomerang werden, spanische Bauern zu ähnlichen Protesten verleiten, warnt der Verbandssprecher. Denn Spanien importiert auch landwirtschaftliche Produkte aus Frankreich:

    "Die meisten Supermärkte hier in Spanien sind französische Unternehmen. Und die verkaufen vor allem französische Milch und französische Kartoffeln. Während unsere Bauern ihre innerhalb ihrer Quote hergestellte Milch nicht los bekommen und die Kartoffeln in Segovia auf den Feldern liegen bleiben. Dieses Problem muss auf europäischer Ebene gelöst werden. Die Länder der EU müssen sehen, dass ihre nationalen Erzeugnisse auch auf den Markt kommen. Es kann doch nicht sein, dass die französischen Supermarktketten keine spanischen Erzeugnisse mehr kaufen und alles importieren."