Das Fischerdorf Gilleleje an der Nordküste Seelands. Am Strand geht Tove Udsholt spazieren. Nur wenige Kilometer entfernt, auf der anderen Uferseite, liegt die schwedische Küste.
"Noch heute bedeutet mir Schweden sehr viel. Als Mädchen blickte ich abends aus meinem Zimmer und sah am anderen Ufer die Lichter angehen. Jemand hatte mir gesagt, dort, wo die Lichter sind, ist deine Mutter. Jeden Abend habe ich an sie gedacht. Für mich waren die Lichter ein Symbol für das Paradies."
Gemeinsam waren Tove und ihre Mutter in den letzten Septembertagen aus Kopenhagen aufgebrochen, um der Verfolgung der dänischen Juden durch die deutschen Besatzer zu entkommen. In Gilleleje wurden sie zusammen mit anderen auf einem Heuboden versteckt – und am Ende voneinander getrennt. Die Scheune steht noch heute mitten im Ort, den Heuboden aber möchte Tove nicht noch einmal betreten:
"In meinem Kopf ist so viel Grauen, das mit diesem Ort verbunden ist. Wenn man als Dreijährige ständig gesagt bekommt, du musst still sein, darfst dich nicht bewegen, welche Spuren hinterlässt das nicht? Alle da oben hatten Angst, immer wieder gingen draußen die Deutschen mit ihren Stiefeln vorbei, wie leicht hätten sie uns entdecken können? Das alles ist noch heute in meinem Kopf. Deswegen gehe ich da nicht hoch, will diese Tür in die Vergangenheit gar nicht erst öffnen."
Viggo Olsens Familie gehörte einst die Scheune. Stolz ist er, dass seine Eltern den Mut hatten, jüdische Flüchtlinge zu verstecken. Sie aber seien keineswegs die Einzigen im Ort gewesen, die derartige Zivilcourage gezeigt hätten:
"Viele hier im Dorf haben geholfen. Allein wir hatten Platz, mehrere Dutzend Juden aufzunehmen. Andere Familien haben vier, fünf Juden versteckt. Auf ihren Dachböden. Im Keller. Sogar unter den eigenen Betten."
Bo Lidegaard, Chefredakteur der dänischen Tageszeitung "Politiken", hat die Geschichte des Oktober 1943 gerade noch einmal rekapituliert. Auch auf Deutsch ist sein Band mit dem vielsagenden Titel "Die Ausnahme" gerade erschienen, denn tatsächlich, so Lidegaard, hätten in Dänemark sowohl die deutschen Besatzer, die Juden wie auch die Zivilbevölkerung anders gehandelt, als andernorts in Europa.
"Die dänische Gesellschaft lehnte die Verfolgung der Juden kategorisch und konsequent ab. Und zwar von Anfang an und schon sehr viel früher als im Oktober 43. Wir Dänen verweigerten uns bereits den ersten kleinen Schritten: Das Stempeln der Pässe, das Tragen des Judensterns, all diese Dinge, die andernorts der erste Schritt war in die Katastrophe."
In diesen Tagen nun wird dieses verhältnismäßig glückliche Kapitel des Zweiten Weltkriegs in Dänemark gefeiert. Gestern Abend wurden 700 Lichter auf dem Øresund entzündet. Stellvertretend für alle Dänen wird Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt heute mit der Raoul Wallenberg-Medaille geehrt. Am Abend dann gibt es einen Festakt im Königlichen Theater, auf dem Oberrabiner Bent Melchior, einer der Flüchtlinge des Oktober ‘43, sprechen wird:
"Lassen Sie es mich so sagen: Diejenigen von uns, die noch heute leben, haben 70 Jahre geschenkt bekommen. Ich bin im selben Monat geboren wie Anne Frank. Die Deutschen hatten mit mir das gleiche vor, wie mit ihr. Sie aber starb im Frühjahr ‘45."
Auch Tove Udsholt wird heute Abend Melchiors Rede lauschen. In Dankbarkeit. Aber eben auch in dem Wissen, dass selbst dieses glückliche Kapitel einen Preis hatte. Denn obwohl Toves Mutter 1945 nach Dänemark zurückkehrte, führte die Trennung der beiden zu einem tiefen Bruch, blieb Tove auch nach Ende des Krieges bei ihren Pflegeeltern in Gilleleje:
"Ich werde in das Königliche Theater gehen mit Demut und Dankbarkeit darüber, dass die Dänen uns Juden gerettet haben. Es ist gut, dass wir dieses Ereignis feiern. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass dieses Zeit tiefe Wunden im Leben vieler Menschen hinterlassen hat."
"Noch heute bedeutet mir Schweden sehr viel. Als Mädchen blickte ich abends aus meinem Zimmer und sah am anderen Ufer die Lichter angehen. Jemand hatte mir gesagt, dort, wo die Lichter sind, ist deine Mutter. Jeden Abend habe ich an sie gedacht. Für mich waren die Lichter ein Symbol für das Paradies."
Gemeinsam waren Tove und ihre Mutter in den letzten Septembertagen aus Kopenhagen aufgebrochen, um der Verfolgung der dänischen Juden durch die deutschen Besatzer zu entkommen. In Gilleleje wurden sie zusammen mit anderen auf einem Heuboden versteckt – und am Ende voneinander getrennt. Die Scheune steht noch heute mitten im Ort, den Heuboden aber möchte Tove nicht noch einmal betreten:
"In meinem Kopf ist so viel Grauen, das mit diesem Ort verbunden ist. Wenn man als Dreijährige ständig gesagt bekommt, du musst still sein, darfst dich nicht bewegen, welche Spuren hinterlässt das nicht? Alle da oben hatten Angst, immer wieder gingen draußen die Deutschen mit ihren Stiefeln vorbei, wie leicht hätten sie uns entdecken können? Das alles ist noch heute in meinem Kopf. Deswegen gehe ich da nicht hoch, will diese Tür in die Vergangenheit gar nicht erst öffnen."
Viggo Olsens Familie gehörte einst die Scheune. Stolz ist er, dass seine Eltern den Mut hatten, jüdische Flüchtlinge zu verstecken. Sie aber seien keineswegs die Einzigen im Ort gewesen, die derartige Zivilcourage gezeigt hätten:
"Viele hier im Dorf haben geholfen. Allein wir hatten Platz, mehrere Dutzend Juden aufzunehmen. Andere Familien haben vier, fünf Juden versteckt. Auf ihren Dachböden. Im Keller. Sogar unter den eigenen Betten."
Bo Lidegaard, Chefredakteur der dänischen Tageszeitung "Politiken", hat die Geschichte des Oktober 1943 gerade noch einmal rekapituliert. Auch auf Deutsch ist sein Band mit dem vielsagenden Titel "Die Ausnahme" gerade erschienen, denn tatsächlich, so Lidegaard, hätten in Dänemark sowohl die deutschen Besatzer, die Juden wie auch die Zivilbevölkerung anders gehandelt, als andernorts in Europa.
"Die dänische Gesellschaft lehnte die Verfolgung der Juden kategorisch und konsequent ab. Und zwar von Anfang an und schon sehr viel früher als im Oktober 43. Wir Dänen verweigerten uns bereits den ersten kleinen Schritten: Das Stempeln der Pässe, das Tragen des Judensterns, all diese Dinge, die andernorts der erste Schritt war in die Katastrophe."
In diesen Tagen nun wird dieses verhältnismäßig glückliche Kapitel des Zweiten Weltkriegs in Dänemark gefeiert. Gestern Abend wurden 700 Lichter auf dem Øresund entzündet. Stellvertretend für alle Dänen wird Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt heute mit der Raoul Wallenberg-Medaille geehrt. Am Abend dann gibt es einen Festakt im Königlichen Theater, auf dem Oberrabiner Bent Melchior, einer der Flüchtlinge des Oktober ‘43, sprechen wird:
"Lassen Sie es mich so sagen: Diejenigen von uns, die noch heute leben, haben 70 Jahre geschenkt bekommen. Ich bin im selben Monat geboren wie Anne Frank. Die Deutschen hatten mit mir das gleiche vor, wie mit ihr. Sie aber starb im Frühjahr ‘45."
Auch Tove Udsholt wird heute Abend Melchiors Rede lauschen. In Dankbarkeit. Aber eben auch in dem Wissen, dass selbst dieses glückliche Kapitel einen Preis hatte. Denn obwohl Toves Mutter 1945 nach Dänemark zurückkehrte, führte die Trennung der beiden zu einem tiefen Bruch, blieb Tove auch nach Ende des Krieges bei ihren Pflegeeltern in Gilleleje:
"Ich werde in das Königliche Theater gehen mit Demut und Dankbarkeit darüber, dass die Dänen uns Juden gerettet haben. Es ist gut, dass wir dieses Ereignis feiern. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass dieses Zeit tiefe Wunden im Leben vieler Menschen hinterlassen hat."