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Ein Chip, der unter die Haut geht

Medizintechnik. - Ein kleines Stück Hightech soll künftig die regelmäßige Medikamentenzufuhr gewährleisten. Ein kleiner Apparat mit einem entsprechenden Vorrat wird unter die Haut gepflanzt, ein Mikroprozessor steuert die Freisetzung genau zum richtigen Zeitpunkt. Das Gerät wurde jetzt auf der Jahrestagung der amerikanischen Wissenschaftsorganisation AAAS in Vancouver und gleichzeitig im Fachjournal "Science Translational Medicine" vorgestellt.

Von Jochen Steiner | 17.02.2012
    Das kleine technische Gerät, das vor Professor Michael Cima vom Massachusetts Institute of Technology auf dem Tisch liegt, ist kaum größer als ein USB-Stick. Dieser winzige Apparat, so Cimas Wunsch, soll eines Tages das Leben von Millionen von Patienten erleichtern. Sie müssten nicht mehr darüber nachdenken, wann sie wie viel von einem Medikament einnehmen sollen, das würde dann das neue Gerät erledigen, ganz automatisch. Seine Hülle besteht aus Titan und im Innern des von Michael Cima und Forschern des US-amerikanischen Unternehmens Microchips entwickelten Apparates steckt viel Elektronik.

    "An einer Stelle im Gerät befindet sich ein Siliziumchip nahe der Oberfläche. Auf diesem Chip sind viele winzige Kammern, jede kleiner als ein Millimeter und mit einem Volumen von 600 Nanolitern. Und in jeder Kammer ist eine individuelle Dosis eines Medikamentes."

    Dabei handelt es sich um Forsteo, das bei Osteoporose verschrieben wird. Es soll die verloren gegangene Knochensubstanz wieder aufbauen helfen. Die Forscher befüllten die 20 Kammern auf dem Chip mit dem Medikament und setzten den kleinen Apparat bei acht Osteoporose-Patienten aus Dänemark ein, und zwar unter die Haut, etwas unterhalb der Gürtellinie. Cima:

    "Das erstaunlichste Ergebnis war, und das haben wir durch die Befragung der Patienten im Laufe der Behandlung erfahren, dass sie das Gerät gar nicht in sich wahrgenommen haben."

    Vier Monate lang blieb es im Körper der Patienten. Ein Mikroprozessor sorgt im Gerät dafür, dass jede einzelne Kammer das Medikament an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit in den Blutkreislauf der Patienten entleert. Dazu fließt für den Bruchteil einer Sekunde eine winzige Spannung über die Kammer, die mit einer hauchdünnen Metallschicht versiegelt ist. Die Spannung löst diese Schicht sehr schnell auf und das Medikament ist befreit.

    "Osteoporose-Patienten haben jetzt den Vorteil, dass sie sich das Medikament nicht mehr täglich spritzen müssen. Das Gerät versorgt den Patienten ganz automatisch, er muss nicht mehr dran denken, denn der Apparat ist programmiert und setzt das Medikament jeden Tag zu einer bestimmten Zeit frei."

    Das Programmieren übernimmt der Arzt am Computer, per Funk werden die Befehle zum Entleeren der Kammern dann an den Apparat übertragen und vom Mikroprozessor zu gegebener Zeit abgerufen. Vor etwa 15 Jahren haben die Forscher damit begonnen, über solch ein Gerät nachzudenken. Später dann, nach mehreren Tierversuchen, kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die verwendeten Materialien sicher sind. Das habe sich nach der klinischen Studie mit den acht Osteoporose-Patienten bestätigt, so Cima, außerdem zeigte das Medikament Forsteo seine gewünschte Wirkung. Doch das ganze hat auch seinen Preis:

    "Wir glauben, dass wir den Eingriff, die Behandlung mit dem Medikament und das Gerät zusammen zu einem Preis anbieten können, der nicht höher liegt als der für eine tägliche Injektion wie sie heute üblich ist."

    Und das sind etwa 9.000 Euro jährlich. Bis der neue Apparat jedoch auf dem Markt sein wird, könnten noch gut drei Jahre vergehen, sagt Cima. Und in noch fernerer Zukunft könnte er auch bei anderen Krankheiten wie Multipler Sklerose oder Diabetes zum Einsatz kommen.