Wukan – vereint im Protest. Ein ganzes Dorf lehnt sich auf gegen seine lokalen Beamten und Parteivertreter. Es ist hoch riskant, was sie da tun. Wer Revolten und Demonstrationen anzettelt in China, bekommt die Härte der Staatsmacht zu spüren, früher oder später. Der Konflikt schwelt seit September. Einer der Dorfbewohner, der seinen Namen nicht nennen will, telefonisch am Freitag.
"Wir alle im Dorf hoffen jetzt, dass die Zentralregierung in Peking eingreift. Der lokalen Regierung können wir nicht mehr vertrauen. Die betrügen uns seit drei Monaten und erheben falsche Vorwürfe gegen uns. Wir hoffen jetzt, dass die Zentralregierung das Problem lösen kann und beweist, dass die Anschuldigungen gegen uns falsch sind. Das ist, was wir alle sehr stark hoffen."
Lokale Proteste sind Alltag in China. Meistens erfährt die Welt nur nichts davon. Die Anzahl von Aufständen und Demonstrationen hat sich allein zwischen 2006 und 2010 verdoppelt, schätzen Soziologen von der Pekinger Qinghua-Universität. Sie gehen von 180 000 Protesten pro Jahr aus. Stimmt diese Schätzung, wären das fast 500 pro Tag.
In sehr vielen Fällen geht es dabei wie in Wukan um Landverkäufe und Zwangsenteignungen ohne entsprechende Entschädigung. Viele Kommunen, wirtschaftlich klamm, sind heutzutage auf Einnahmen durch Immobiliengeschäfte angewiesen. Das erhöht die Gier nach Land bei den örtlichen Behörden. Oftmals fließen bei diesen Geschäften große Summen in die Taschen korrupter Beamter. Den Dorfbewohnern bleibt all dies nicht verborgen. Die Wut kocht über. Die Wut auf die Mächtigen vor Ort. Li Weisen ist Wirtschaftswissenschaftler an der Shanghaier Fudan-Universität:
"Wer sind die Reichen in China? Die an der Macht und in der Nähe der Macht sind. Private Geschäftsleute sind oft nicht reich. Und die, die es sind, haben Verbindungen zur Macht. Macht ist der Weg zum Geld. All diese Probleme haben damit zu tun, dass die Machtverhältnisse nicht ausgewogen sind."
Die drei Jahrzehnte der Wirtschaftsreformen haben Hunderte Millionen Chinesen aus der Armut befreit. Doch in den vergangenen Jahren nahmen die sozialen Fliehkräfte enorm zu. Der Abstand zwischen arm und reich wächst. Die soziale Ungleichheit im kommunistischen China ist heute größer als in den Vereinigten Staaten. Das haben Soziologen errechnet. Mit einem großen Sicherheitsapparat, harter Repression, Zensur, Internetblockaden hält die Regierung die Lage unter Kontrolle. Bislang ist es immer gelungen, die Feuer auszutreten, bevor sie sich ausweiten konnten. Und es sind längst nicht nur enteignete Bauern, wo die Unruhe wächst.
Protest in Suzhou bei Shanghai. Rund 500 Arbeiterinnen streiken, weil ihr Betrieb in eine andere Stadt verlegt werden soll. Alle werden ihre Arbeit verlieren und verlangen eine Kompensation.
"Wir haben keine Angst, sagt diese junge Arbeiterin. Wir tun das für unser Überleben. Wenn wir jetzt nach Hause gehen, haben wir kein Leben mehr. Solange ich hier bin, werde ich Druck machen."
Auch solche Szenen sind in Chinas Industriestädten nichts Besonderes mehr. Arbeiter streiken, obwohl an sich illegal, kämpfen für mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen oder gegen den Verlust des Jobs. 30.000 Arbeitsniederlegungen finden pro Jahr in China statt, rechnet das China Labour Bulletin in Hongkong. Ein neues Selbstbewusstsein ist entstanden. Die jungen Arbeiter sind anders als die Generation ihrer Eltern, sagt der Arbeiterrechtler Liu Kaiming:
"Die kommenden zehn Jahre sind eine entscheidende Zeit für China. Die neue Generation der Arbeiter ist die wichtigste Kraft, die das Land verändern wird. Sie wollen vom Land in die Großstädte ziehen. Ihre Zahl wächst schnell auf bis zu 300 Millionen Menschen. Wenn sie auf Probleme stoßen, kann es schnell zu Unruhen kommen. Aufständen von bis zu 100.000 Personen. Das könnte zum Kollaps des Staates führen."
China sitzt auf einem brodelnden Vulkan, sagt Liu Kaiming.
Noch besitzt die kommunistische Regierung in Peking die Kontrolle. Wie in Wukan steht sie sogar oft noch hoch im Ansehen, gilt – ob zu Recht oder Unrecht – als Hoffnungsträgerin in den Konflikten mit den lokalen Machthabern. Doch klar ist: Die größte Gefahr droht der Herrschaft der kommunistischen Partei nicht von der kleinen Gruppe der politischen Dissidenten, sondern von Bauern und Arbeitern, die sich über Korruption und Ungerechtigkeit empören.
"Wir alle im Dorf hoffen jetzt, dass die Zentralregierung in Peking eingreift. Der lokalen Regierung können wir nicht mehr vertrauen. Die betrügen uns seit drei Monaten und erheben falsche Vorwürfe gegen uns. Wir hoffen jetzt, dass die Zentralregierung das Problem lösen kann und beweist, dass die Anschuldigungen gegen uns falsch sind. Das ist, was wir alle sehr stark hoffen."
Lokale Proteste sind Alltag in China. Meistens erfährt die Welt nur nichts davon. Die Anzahl von Aufständen und Demonstrationen hat sich allein zwischen 2006 und 2010 verdoppelt, schätzen Soziologen von der Pekinger Qinghua-Universität. Sie gehen von 180 000 Protesten pro Jahr aus. Stimmt diese Schätzung, wären das fast 500 pro Tag.
In sehr vielen Fällen geht es dabei wie in Wukan um Landverkäufe und Zwangsenteignungen ohne entsprechende Entschädigung. Viele Kommunen, wirtschaftlich klamm, sind heutzutage auf Einnahmen durch Immobiliengeschäfte angewiesen. Das erhöht die Gier nach Land bei den örtlichen Behörden. Oftmals fließen bei diesen Geschäften große Summen in die Taschen korrupter Beamter. Den Dorfbewohnern bleibt all dies nicht verborgen. Die Wut kocht über. Die Wut auf die Mächtigen vor Ort. Li Weisen ist Wirtschaftswissenschaftler an der Shanghaier Fudan-Universität:
"Wer sind die Reichen in China? Die an der Macht und in der Nähe der Macht sind. Private Geschäftsleute sind oft nicht reich. Und die, die es sind, haben Verbindungen zur Macht. Macht ist der Weg zum Geld. All diese Probleme haben damit zu tun, dass die Machtverhältnisse nicht ausgewogen sind."
Die drei Jahrzehnte der Wirtschaftsreformen haben Hunderte Millionen Chinesen aus der Armut befreit. Doch in den vergangenen Jahren nahmen die sozialen Fliehkräfte enorm zu. Der Abstand zwischen arm und reich wächst. Die soziale Ungleichheit im kommunistischen China ist heute größer als in den Vereinigten Staaten. Das haben Soziologen errechnet. Mit einem großen Sicherheitsapparat, harter Repression, Zensur, Internetblockaden hält die Regierung die Lage unter Kontrolle. Bislang ist es immer gelungen, die Feuer auszutreten, bevor sie sich ausweiten konnten. Und es sind längst nicht nur enteignete Bauern, wo die Unruhe wächst.
Protest in Suzhou bei Shanghai. Rund 500 Arbeiterinnen streiken, weil ihr Betrieb in eine andere Stadt verlegt werden soll. Alle werden ihre Arbeit verlieren und verlangen eine Kompensation.
"Wir haben keine Angst, sagt diese junge Arbeiterin. Wir tun das für unser Überleben. Wenn wir jetzt nach Hause gehen, haben wir kein Leben mehr. Solange ich hier bin, werde ich Druck machen."
Auch solche Szenen sind in Chinas Industriestädten nichts Besonderes mehr. Arbeiter streiken, obwohl an sich illegal, kämpfen für mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen oder gegen den Verlust des Jobs. 30.000 Arbeitsniederlegungen finden pro Jahr in China statt, rechnet das China Labour Bulletin in Hongkong. Ein neues Selbstbewusstsein ist entstanden. Die jungen Arbeiter sind anders als die Generation ihrer Eltern, sagt der Arbeiterrechtler Liu Kaiming:
"Die kommenden zehn Jahre sind eine entscheidende Zeit für China. Die neue Generation der Arbeiter ist die wichtigste Kraft, die das Land verändern wird. Sie wollen vom Land in die Großstädte ziehen. Ihre Zahl wächst schnell auf bis zu 300 Millionen Menschen. Wenn sie auf Probleme stoßen, kann es schnell zu Unruhen kommen. Aufständen von bis zu 100.000 Personen. Das könnte zum Kollaps des Staates führen."
China sitzt auf einem brodelnden Vulkan, sagt Liu Kaiming.
Noch besitzt die kommunistische Regierung in Peking die Kontrolle. Wie in Wukan steht sie sogar oft noch hoch im Ansehen, gilt – ob zu Recht oder Unrecht – als Hoffnungsträgerin in den Konflikten mit den lokalen Machthabern. Doch klar ist: Die größte Gefahr droht der Herrschaft der kommunistischen Partei nicht von der kleinen Gruppe der politischen Dissidenten, sondern von Bauern und Arbeitern, die sich über Korruption und Ungerechtigkeit empören.