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Ein Drama in vielen Akten

Der Fall Gustl Mollath, dem Mann, der seit sieben Jahren möglicherweise zu Unrecht in der Bayreuther Psychiatrie sitzt, ist längst zum Politikum geworden. Mittlerweile spricht sich selbst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer dafür aus, den Fall neu zu bewerten.

Von Michael Watzke |
    So manchem kommt der Fall "Gustl Mollath" inzwischen wie eine Oper vor:

    Neulich, in der bayerischen Staatsoper, als Tenor Jonas Kaufmann auf der Bühne Verdis "Troubadour" sang, da schrie ein Mann im Publikum plötzlich "Freiheit für Gustl Mollath". Dann regneten aus dem Oberrang Anti-CSU-Flugblätter auf die Operngäste.

    Die Musik spielte ungerührt weiter – schließlich gab es den Troubadour und nicht den Gefangenenchor aus Nabucco. In der bayerischen Politik dagegen erlebt Gustl Mollath derzeit, um bei Verdi zu bleiben, einen Triumphmarsch.

    "Wir haben festgestellt, dass es ein gravierendes Versagen bayerischer Behörden gab. Die hätten unbedingt den Anzeigen von Herrn Mollath zu anonymisierten Kapital-Transfers in die Schweiz – Herr Mollath hat dahinter ja Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung vermutet – nachgehen müssen","

    sagt Martin Runge, grüner Landtags-Abgeordneter, als Bilanz des schnellsten Untersuchungs-Ausschusses in der Geschichte des bayerischen Landtags. Seine SPD-Kollegin Inge Aures hält in der Besetzungsliste der Oper "Gustl Mollath" sogar eine doppelte Entlassung für möglich: die von Gustl Mollath aus der Psychiatrie in Bayreuth. Und die von Beate Merk – aus dem bayerischen Justizministerium.

    ""Wenn sich herausstellt, dass durch dieses Staatsversagen der Herr Mollath zu Unrecht da drin sitzt in Bayreuth, dann ist Sie auch persönlich in der Haftung. Denn sie hat nichts getan, um die Sache aufzuklären."

    Wäre "Gustl Mollath" eine Oper von Giuseppe Verdi, dann spielte Beate Merk derzeit unfreiwillig die Rolle der bösen Eisprinzessin, deren Worte das Blut in den Adern gefrieren lassen.

    "Ich habe immer wieder zu hören bekommen, es sei eine kühle, kalte und schwer verständliche Sprache. Mir ist es ein Anliegen, dass wir das ändern und wir eine erklärende Sprache haben, die für die Bevölkerung viele schwierige Entscheidungen besser nachvollziehbar macht."

    Nachvollziehbar machen – das war bisher nicht die Stärke der bayerischen Justizministerin. Merk muss jetzt erst einmal dem Bundesverfassungsgericht nachvollziehbar machen, warum Gustl Mollath seit mehr als sieben Jahren in der Psychiatrie sitzt. Die Karlsruher Richter wollen wissen, ob das noch verhältnismäßig sei. Merk, die sich bisher mit Kritik an ihren bayerischen Richtern zurückgehalten hatte, sagt nun plötzlich:

    "... dass die Verhältnismäßigkeit mit dem Lauf der Zeit natürlich immer mehr in eine Richtung drängt. Aber wann es dazu kommt, dass es nicht mehr verhältnismäßig ist, ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts."

    Kaum hatte Merk diese Aussage schriftlich nach Karlsruhe geschickt, da begann ein neuer Akt in der "Oper Gustl Mollath". Auftritt Walter Groß. Der Vorsitzende des Bayerischen Richtervereins kritisiert mit donnernder Bassstimme, die Justizministerin dürfte sich nicht in Gerichtsprozesse einmischen. Das sei eine rote Linie:

    "Und diese rote Linie hat sie jetzt überschritten. Denn die Aussage, eine weitere Unterbringung sei nicht mehr verhältnismäßig, die kann natürlich als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden, wie künftig entschieden werden soll."

    Nämlich für Gustl Mollaths baldige Freilassung. Dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer graust schon jetzt bei der Vorstellung, dass der längst zum bayerischen Freiheits-Helden mutierte Mollath auch am 15.September noch in der Psychiatrie einsitzt. Dem Tag der bayerischen Landtags-Wahl. Seehofer gibt immer deutlicher zu verstehen

    "... dass bei der öffentlichen Debatte, die dazu stattfindet und stattgefunden hat, es gut wäre, wenn man – bei aller Unabhängigkeit der Gerichte – diesen Fall neu bewertet."

    Dafür ist das Landgericht Regensburg zuständig. Es muss über zwei Wiederaufnahme-Anträge im Fall Mollath entscheiden – und lässt sich dabei viel Zeit. Spätestens nächsten Freitag wollen die Richter endlich ihre Entscheidung verkünden. Seehofer prescht aber schon mal vor: Er denkt laut über eine Gesetzes-Initiative nach und will den Paragrafen 62 des Strafgesetzbuchs ändern. Der regelt die Einweisung in die Psychiatrie. In Zukunft soll eine Einweisung schwieriger werden und häufiger überprüft werden, fordert Seehofer. Ein Wahlkampf-Manöver findet Gerhard Strate, der Rechtsanwalt von Gustl Mollath:

    "Ich glaube kaum, dass das jetzt Ausdruck einer speziellen inneren Einkehr wäre. Ich nehme an, dass es einfach politisch opportun erscheint, sich so zu äußern."

    Und Gustl Mollath selbst? Die Hauptfigur der dramatischen Staats-Oper? Der bekannteste Psychiatrie-Insasse Deutschlands sitzt weiter auf Station 6 des Bezirkskrankenhauses Bayreuth. Wenn das Landgericht Regensburg nächste Woche eine Wiederaufnahme seines Prozesses anordnet, könnten sich schon bald die Pforten für Mollath öffnen.

    Aber gut möglich, dass Mollath gar nicht gehen will. Zumindest nicht so. Denn wie es sich für die Hauptfigur einer dramatischen Oper gehört, sucht Mollath nicht einfach nur Freiheit 2. Klasse. Im Telefon-Interview mit dem Bayerischen Rundfunk kündigte der 57-Jährige an:

    "Ein wirklich freier Mann kann man erst sein, wenn festgestellt wird: Dieses Gutachten, was mit Sicherheit der unsäglichste Teil an der ganzen Geschichte ist, ist von vorn bis hinten komplett falsch. Und das ist offensichtlich noch ein langer Weg."

    Offensichtlich. Denn seit Jahren gibt es kein Gutachten mehr, für das Gustl Mollath persönlich untersucht worden wäre. Der Grund: Gustl Mollath lässt es nicht zu. Es scheint, als sei die Pointe der Oper "Gustl Mollath" noch lange nicht geschrieben.