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Ein echter Klassenunterschied

Grundschüler in Bayern, Baden-Württemberg und auch in Sachsen sind ihren Altergenossen in Berlin, Bremen und Hamburg in den Disziplinen Mathe, Lesen und Zuhören rund zehn Monate voraus. Das ist ein zentrales Ergebnis einer bundesweiten Leistungsstudie.

Von Philip Banse |
    Der Abstand zwischen den Spitzen-Ländern und den Stadtstaaten lässt sich am besten so ausdrücken: Grundschüler in Bayern, Baden-Württemberg und auch in Sachsen sind ihren Altergenossen in Berlin, Bremen und Hamburg rund zehn Monate voraus. Und zwar in allen gemessenen Disziplinen: Mathe, Lesen und Zuhören. Zehn Monate - ein echter Klassenunterschied. Das ist ein zentrales Ergebnis dieses bundesweiten Grundschultest.

    Getestet wurden rund 27.000 Viertklässler. Verantwortlich ist das Institut zur Qualitätssicherung im Bildungswesen an der Humboldt Universität Berlin. Auftraggeber ist die Kultusministerkonferenz. Dessen Chef, der Hamburger Schulsenator, Ties Rabe, ist mit der Leistungsfähigkeit der deutschen Grundschüler – trotz der großen Unterschiede zwischen Stadtstaaten und einigen Flächenländern – zufrieden:

    "Insgesamt bewerten wir das Ergebnis positiv insofern, als dass die meisten Schülerinnen und Schüler die Regelstandards erreichen und nur ein geringer Teil von zehn, elf, zwölf Prozent die Mindeststandards verfehlt. Das ist insgesamt ein ordentliches Ergebnis – wenn es auch Höhen und Tiefen dabei gibt."

    Zu den Tiefen zählt: Kaum ein Umstand beeinflusst den schulischen Erfolg von Grundschulkindern so stark wie ihre Herkunft. Kommen Kinder aus sozial schwachen, bildungsfernen Familien, haben sie gar zwei Eltern, die nicht in Deutschland geboren wurden, sind die Kinder in der Regel schlecht in der Schule. Studien-Autor Hans Anand Pant sagt, Bildungsstand und Migrationshintergrund sorgten sogar für mehr als einen Klassenunterschied:

    "Das sind 1,3 Schuljahre im Lernzuwachs Unterschied bei Kindern, die aus diesen beiden elterlichen Hintergrundsbereichen kommen. Das ist wirklich viel."

    Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft weist darauf hin, dass vor allem Stadtstaaten viele Schüler aus sozial schwachen Familien hätten. Ein Vergleich von Flächenländern wie Bayern mit Stadtstaaten wie Berlin sei daher nicht fair. Die Forscher kontern, es sei in einem ersten Schritt sehr wohl angebracht, die Bundesländer zu vergleichen. Auch könnte ein hoher Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund das schlechte Abschneiden der Stadtstaaten allein nicht erklären. Denn es gebe auch Länder mit vielen Migranten und dennoch guten Leistungen.

    Der Grundschultest ist also lediglich eine Beschreibung der Lage – und die hat sich seit den letzten Tests vor zwei Jahren nicht geändert: "Es sind immer die gleichen Länder an der Spitze und die gleichen am Ende", sagte die Vizevorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Marianne Demmer: "Warum das so ist, ist auch zehn Jahre nach der ersten Pisa-Studie ein Buch mit sieben Siegeln. Und wie es zu ändern wäre, ist gänzlich unerforscht."

    In der Tat stellt sich auch der Hamburger Schulsenator und Chef der Kultusminister-Konferenz, Ties Rabe, die Frage:

    "Woran liegt es denn eigentlich? Ist es der soziale Hintergrund, die Migration? Sind es andere Unterrichtsmethoden? Mehr Unterricht oder weniger Unterricht? Ganztag oder nicht Ganztag? Inklusion oder nicht Inklusion? Man kann über vieles spekulieren, aber es bleibt doch das ungute Gefühl, dass wir außer diesen Spekulationen immer nur einzelne Lichter werfen können auf dieses große Dunkel: Was ist es denn jetzt genau an Ursachen?"

    Diese Ursachen für die großen Leistungsunterschiede müssten jetzt genauer erforscht werden. Wissenschaftler und Politiker deuteten jedoch schon an, worauf sich die Politik jetzt mehr konzentrieren müsse. Bisher seien vor allem die schulischen Rahmenbedingungen verändert worden: Frühe Einschulung, Ganztagsschulen, jahrgangsübergreifender Unterricht.

    Jetzt müsse der Unterricht selbst verbessert werden, vor allem durch eine bessere Weiterbildung und eine bessere Ausbildung der Lehrer. Sie müssten besser lernen, mit heterogenen Klassen umzugehen, Schwache zu fördern, Starke zu fordern. Gewerkschaftler fordern auch, mehr Lehrer einzustellen. Darüber verloren die Bildungspolitiker heute jedoch kein Wort.