Le Thi Lai hatte keine Ahnung, was Geologie war und auch zuvor noch nie von Greifswald gehört, als sie in den 1960ern mit 16 Jahren aus ihrem Heimatdorf in Vietnam aufbrach, um in der DDR zu studieren. Die Reise dauerte Wochen: mit dem Zug über Peking und Moskau bis nach Leipzig zum Sprachkurs, dann weiter in den Norden, nach Greifswald. Frau Lai machte dort an der Uni ihr Diplom genauso wie die Promotion mit einer Eins.
Die DDR unterstützte in dieser Zeit das vom Krieg gebeutelte sozialistische Bruderland Vietnam und nahm an verschiedenen Hochschulen Studierende auf. Fast alle schlossen das Studium erfolgreich ab und gingen, als der Vietnam-Krieg zu Ende war, zurück in ihre Heimat. Und machten dort Karriere an den heimischen Hochschulen oder im Ministerium.
Vietnamesen ist Greifswald ein Begriff
Nach dem Mauerfall hatte es Greifswald nicht leicht im internationalen Kampf um die klügsten Köpfe. Wer kennt in der Welt schon die kleine Stadt an der polnischen Grenze? Die Vietnamesen! Ein ganz besonderes Kapital für die Hochschule. Sie entwickelte das Greifswald-Hanoi-Modell für die Promotion von Vietnamesen in Naturwissenschaften. Und sie eröffnete die erste und bisher einzige Außenstelle der Hochschule in Hanoi. Geleitet übrigens von Le Thi Lai.
Auch andere deutsche Hochschulen schlossen Kooperationen, und 2008 eröffnete im ehemaligen Saigon sogar eine Vietnamesisch-Deutsche Universität. Doch welchen Stellenwert hat diese Zusammenarbeit heute? Vietnam boomt wirtschaftlich und liegt in der aufstrebenden Wirtschaftsregion Asien. Inzwischen buhlen international viele Hochschulen um das Land.
Eine Sendung mit Reportagen von Andrea Lueg