Es ist der 22. September 2009. Das erste Elbphilharmonie-Konzert in Hamburg: Beethovens 1. Sinfonie, dirigiert von Stardirigent Gustavo Dudamel. Doch der "heißeste Dirigent des Planeten" – so zumindest betitelt ihn die "Times" – schwingt nicht im großen Konzertsaal der Elbphilharmonie, dem neuen Wahrzeichen der Freien und Hansestadt Hamburg, den Taktstock, sondern in der Laiszhalle. Einem kleinen, aber feinen Saal in der Innenstadt.
Elbphilharmonie-Konzerte - die sonst wo, nur nicht in der Philharmonie stattfinden: Man versucht, die Zeit zu überbrücken, bis der "neue Leuchtturm der Stadt" endlich fertig gestellt ist.
Februar 2012: Der Wind pfeift über die Stahlkonstruktion der Elbphilharmonie, als die Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler den prominenten Besucher, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso über die Baustelle führt.
Barroso und seine Entourage tragen weiße Bauhelme und schwarze Schutzschuhe – der Politiker ist begeistert:
"Ich bin von diesem Projekt sehr beeindruckt – es wird wahrscheinlich das größte musikalische Zentrum Zentraleuropas werden."
Zwischenzeitlich ist es bis nach Brüssel vorgedrungen, dass die Elbphilharmonie sich zu einem Mammutprojekt entwickelt hat – dessen Kosten explodieren und dessen Fertigstellung sich immer mehr in die Länge zieht. Der routinierte EU-Politiker Barroso zeigt sich optimistisch, dass die Querelen früher – eher später - ausgeräumt werden können.
"An vielen Orten in Europa habe ich gesehen, wie sich solche Projekte entwickeln. Wahrscheinlich nicht so teuer, um ehrlich zu sein. Aber ich habe gesehen, dass sie einen großen Beitrag leisten zum Renommee, der Wettbewerbsfähigkeit und der Vitalität dieser Städte. Ich bin sicher, die Probleme hier in Hamburg wird man lösen – und am Ende wird die Stadt sehr davon profitieren. Und ich hoffe, bei der Eröffnung dabei zu sein."
Kultursenatorin Barbara Kisseler lächelt über José Manuel Barrosos zuversichtlichen Blick in die Zukunft – weiß sie doch, dass die Gegenwart sich alles andere als rosig darstellt. Zwar schwingen die Baukräne über das Gebäude an der Spitze der Hafencity, doch die werden für die Fertigstellung des Luxushotels und der diversen Eigentumswohnungen genutzt, die ebenfalls zum Elbphilharmonie-Komplex gehören, jedoch vom öffentlichen Teil – sprich dem Konzerthaus als solches, abgetrennt sind. Hier ist nicht die Stadt der Bauherr, sondern private Investoren. Und so zeigt sich auf der Baustelle folgendes Bild: Links und rechts des Gebäudes wuseln die Bauarbeiter, während in der Mitte, speziell am Dach des großen Konzertsaales, nicht weitergebaut wird: Dort herrscht Baustopp. Thomas Möller, Leiter der Hamburger Hochtief-Niederlassung:
"Am öffentlichen Teil wird etwa nur noch zu etwa 10 Prozent der Soll-Leistung gebaut, weil an 90 Prozent – aus unterschiedlichen Gründen – nicht gebaut werden kann. Weil keine Freigaben vorliegen, keine Pläne vorliegen, keine Entscheidungen."
Ein weiterer Grund für den Stillstand: Hochtief hat Sicherheitsbedenken bezüglich der Statik am komplizierten Tragwerk des Daches für den Konzertsaal. Anders die Generalplaner, das Architekturbüro Herzog und de Meuron aus der Schweiz. Für sie spricht David Koch:
"Das Dach ist sicher. Daran haben wir keine Zweifel. Das wurde von unserem Statiker mit zwei Modellen überprüft und mit einem dritten Modell und von einem dritten Gutachter überprüft. Und da hat keiner der Beteiligten Zweifel dran."
Hochtief ist davon zwar nicht überzeugt, hat aber zugesagt, sogenannte Ertüchtigungsmaßnahmen durchzuführen, also Stahlträger zu verstärken. Niederlassungsleiter Thomas Möller:
"So dass die Standsicherheit, die aus unserer Sicht – ich betone das – nicht gegeben ist, wieder nachgewiesen werden kann."
Wahrscheinlich wird diese Maßnahme ein Beweissicherungsverfahren nach sich ziehen, um klären zu lassen, ob diese Nachrüstungen technisch tatsächlich notwendig sind, um die erforderliche Sicherheit herzustellen und Folgeschäden zu vermeiden. Fest steht: Der Verlierer zahlt das Dach. Entweder Hochtief oder die Stadt.
Immerhin: Die Bereitschaft, dass Hochtief die 40 Bauarbeiter, die das Unternehmen bereits im November von der Baustelle abgezogen hat, bald wieder nach Hamburg schicken will, wertet Kultursenatorin Kisseler als gutes Zeichen:
"In der Tat sind wir im Augenblick in einem sehr konstruktiven und, wie ich hoffe, auch verlässlichen Weg mit Hochtief. Und mein Pendant auf deren Seite hat mir gerade noch einmal zugesichert, dass sie den zur Zeit aktuellen Konfliktpunkt – das Saaldach – auch weiterbauen werden."
Doch das kann nicht von heute auf morgen passieren, sagt Thomas Möller von Hochtief. Man sei abhängig von den Zuarbeiten des Architekturbüros, ein Statiker müsste die Planungen dann freigeben, damit die Stahlträger hergestellt und eingebaut werden können.
"Vor Mitte, Ende Mai kann da speziell an diesem Saaldach nichts gemacht werden."
Die Auseinandersetzung um die Sicherheit der Stahlträger ist nur ein Kapitel in dieser "Never ending Story" Elbphilharmonie. Dabei hatte alles so schön angefangen...
Im Jahr 2001 sprach der private Investor Alexander Gerard mit den Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron über die Vision eines Konzertsaals auf dem damaligen Kaispeicher A am westlichen Zipfel der Hafencity: Der Entwurf zeigte eine kühne Welle aus Glas, unter deren Hülle ein neuer Konzertsaal entstehen sollte – modern, avantgardistisch, atemberaubend. Die Vision wurde publik, erreichte den damaligen CDU-Bürgermeister Ole von Beust im Juni 2003. Und dessen Augen mögen aufgeleuchtet haben, als er sich vorstellte, wie das neue Wahrzeichen der Hansestadt zu noch mehr Prestige, noch mehr Touristen, noch mehr Einnahmen für die Stadt führen würde. 2005 stand auf dem Preisschild ein "Festpreis" von 77 Millionen Euro, die Kosten für die Stadt. Eröffnungsprognose: Sommer 2010.
Im Januar 2008 stellte Ole von Beust das Projekt erstmals in der Hauptstadt vor und versprach:
"Dass ein solches Bauwerk mit einer faszinierenden Architektur - mit einer Verbindung von Tradition, von Backstein, von Hafen, von Wasser etwas ist, was Strahlkraft hat, weit über Hamburg hinaus – nach Berlin, aber auch über Berlin und Hamburg hinaus nach Europa ... "
Die Begeisterung war groß – auch in der Hansestadt Hamburg. Ein "Leuchtturm der Kultur", ein "Juwel unter den Konzerthäusern"... tönt es aller Orten.
Der Dirigent Thomas Hengelbrock, der seit vergangenem Jahr das NDR-Sinfonieorchester führt, das zukünftige Residenzorchester der Elbphilharmonie, ist schon jetzt begeistert von dem, was kommt:
"Die Elbphilharmonie ist nach meinem Dafürhalten das... DAS Haus für die Musik. Und zwar weltweit. Ich glaube, es hat in den vergangenen Jahrzehnten nichts Vergleichbares gegeben. Also ich glaube, das wird als Gebäude eine Ausstrahlung nicht nur über Hamburg, sondern auch weit über Deutschland hinaus haben."
Ein erster Anlauf für das offizielle Eröffnungskonzert IN der Elbphilharmonie war für November 2011 geplant – doch dieser Traum ist längst geplatzt. Die Kosten für das Bauwerk sind mittlerweile um das Vierfache angestiegen: auf derzeit 323 Millionen Euro. Weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen. Der Stadt liegen Nachforderungen von Hochtief in Höhe von 60 Millionen Euro vor. Auf der anderen Seite verklagt die Stadt den Baukonzern wegen der Verzögerungen auf der Baustelle auf eine Vertragsstrafe von über 40 Millionen Euro.
"Mit dieser Klage wollen wir gerichtlich feststellen lassen, wer für die bisherigen Verzögerungen bei dem Bau der Elbphilharmonie verantwortlich ist. Wir sind der Auffassung, dass das ganz überwiegend ein Verschulden von Hochtief ist."
Sagt Karl Olaf Petters, Sprecher des Projekts Elbphilharmonie bei der Kulturbehörde. Hochtief sieht das naturgemäß anders: Für die Verzögerungen sei die Stadt zuständig, da während des Bauprozesses immer neue Änderungen gewünscht worden seien.
"Es wurde gestartet mit zwei Konzertsälen. Es wurde gestartet mit einer Elbwasser-Rückkühlung. Und während des Bauvorhabens, also während der Herstellungszeit schon, wurde erhöht auf drei Säle. Es wurde umgestellt auf eine Rückkühlung mit Tiefbrunnen. Um einfach diese beiden Beispiele zu bringen."
Dabei könnte er die Liste durchaus noch weiter führen, erläutert Hochtief-Manager Möller. Als Hamburg die Klage gegen Hochtief aufgrund der Verzögerungen und der damit verbundenen Mehrkosten beim Landgericht eingereicht hat, waren die Bauarbeiten 14 Monate im Verzug. Mittlerweile lassen sich die Monate kaum beziffern – der neue Übergabetermin wird derzeit noch mit November 2014 angegeben. Doch auf die Frage nach dem Eröffnungstermin kann Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler nur müde lächeln:
"Die Frage stelle ich mir ungefähr im Wochentakt. Und ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann eine belastbare Antwort darauf hätte."
2014 sei zwar avisiert:
"Ich wäre aber nicht überrascht, wenn es tatsächlich 2015 würde."
Doch was ist der Grund für all die Querelen: Die zeitlichen Verzögerungen, die Kostenexplosionen? Um dem auf den Grund zu gehen, hat die Hamburgische Bürgerschaft einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Der SPD-Abgeordnete Ole Torben Buschhüter ist der Vorsitzende des Gremiums. Eines der Hauptprobleme ist seiner Meinung nach der überstürzte Baubeginn.
"Was sich abzeichnet ist, dass es doch ein großer Fehler war, und da haben mehrere vor gewarnt, damals schon – zu einem Zeitpunkt auszuschreiben, die Bauleistung, als die Pläne für den Bau noch nicht fertig waren."
Am 16. Juni 2006 haben die mit dem Entwurf der Elbphilharmonie beauftragten Architekten Herzog und de Meuron, die bereits das bekannte Vogelneststadion in Peking und die Fußballarena in München geplant haben, Bürgermeister Ole von Beust angeschrieben und gebeten:
"Verschiebt doch die Ausschreibungen. Wir sind mit unseren Plänen noch nicht fertig. Gebt uns noch ein halbes Jahr oder so."
Erinnert sich Buschhüter an die Aussage der Architekten und deren Warnung:
Werde trotzdem final ausgeschrieben, seien – Zitat – "Kosten und Fertigstellung in höchster Gefahr". Der Baukonzern Strabag, der ursprünglich ebenfalls in Betracht kam, gab gar nicht erst ein Angebot ab, so Ole Torben Buschhüter:
"Die haben kein Angebot abgegeben mit der Begründung, die Pläne wären noch nicht ausgereift. Da könne man kein belastbares Angebot drauf abgeben. Na, das an sich wäre ja schon eine Warnung genug gewesen. Zu sagen: Oh, wenn Strabag sich das gar nicht zutraut – die sind ja auch ein großes Unternehmen – ein Angebot abzugeben... da müssen wir das Verfahren zurücksetzen. In einen Stand, wo wir wieder mehrere Angebote bekommen können."
Strabag rügte das Vergabeverfahren – und Ole von Beust persönlich setzte sich dafür ein, dass Strabag diese Rüge zurückzog, um das Projekt nicht zu verzögern. Ein Unding, findet auch die jetzige Kultursenatorin Barbara Kisseler und schüttelt den Kopf:
"Ich glaube, bei einem so komplexen Bauwerk wie der Elbphilharmonie – sowohl was die Architektur angeht, als auch die Nutzung, also den Inhalt, ist ein absolut zentrales Erfordernis eine differenzierte, sehr genaue Planung. Und wenn sie dabei nur den Faktor Zeit im Auge haben, dass sie der staunenden Öffentlichkeit möglichst schnell verkünden wollen, ab morgen wird gebaut... dann lässt das die nötige Sorgfalt vermissen."
Ein Mangel an Sorgfalt, der – wie sich heute zeigt – zu einer Kostenexplosion par excellence geführt hat. Doch warum diese Eile? Ole von Beust, der Anfang Februar dieses Jahres als Zeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen ist, weist sämtliche Vorwürfe von sich. Er habe niemals direkt oder indirekt politischen Einfluss auf Zeitpläne genommen. Für ihn sei es immer unerheblich gewesen, wann die Elbphilharmonie fertig werde. Wichtig sei ihm gewesen, dass sie fertig werde.
"Der Bürgermeister streitet ab, selbst politischen Druck ausgeübt zu haben. Auf der anderen Seite: Bestreiten konnte er nicht, dass einige aber den Eindruck hatten, dass es ganz gut wäre, diese Entscheidung schnell zu treffen."
Was steckt also dahinter? Eine Art vorauseilender Gehorsam? Ausschussvorsitzender Ole Torben Buschhüter, SPD:
"Es gibt keine andere Erklärung dafür, außer dass es ein Klima gab, bei der ReGe, bei der Stadt, bei den Entscheidungsträgern, dass man jetzt hier auch mal zügig zu Ergebnissen kommen sollte. Das ist die einzige schlüssige Erklärung aus meiner Sicht dafür, dass man doch wieder überhastet, übereilt Entscheidungen getroffen hat. Trotz ernstzunehmender Warnungen."
Bei dieser Vorgeschichte wundert es dann auch nicht mehr, dass sich die Stadt auf ein sehr "ungewöhnliches" Vertragskonstrukt eingelassen hat – mit drei Protagonisten: Der Stadt, Hochtief und den Architekten Herzog und de Meuron:
Ein kompliziertes Dreiecksverhältnis, bei dem der Konzern Hochtief baut, was das Architektenbüro Herzog und de Meuron entwirft und was die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe steuern und kontrollieren soll. Normalerweise kümmert sich der Generalunternehmer, in diesem Fall Hochtief, um die Details der Ausführungen. Da die Planungen nach wie vor weitergehen, ist Herzog und de Meuron dafür zuständig – also GeneralPLANER. Und während es zwischen dem Generalplaner Herzog und de Meuron und dem Generalunternehmer, Hochtief KEINE juristischen Regelungen gibt, hat die Stadt mit beiden Verträge ... Und so stehen die Entwürfe der Starachitekten auf der einen Seite - und ein knapp kalkulierender Konzern, der sämtliche neu dazukommenden Planungsentwicklungen auch neu honoriert, auf der anderen Seite.
"Ich glaube, in der Tat, das hat der damalige Erste Bürgermeister nicht ganz sehen wollen... vielleicht... Zumindest ist es de facto so, dass die Planung entschieden nicht sorgfältig genug ausgeführt worden ist, und dass die Konflikte, die es da gegeben hat – zwischen Entwurfsplanung der Architekten auf der einen Seite und technische Ausführungsplanung auf der anderen Seite – dass es da so viele konfliktäre Schnittstellen gegeben hat, dass eigentlich das Drama absehbar war."
Ole von Beust will davon so richtig nichts mehr wissen. Der 56-Jährige hat sich aus der Politik zurückgezogen: Und so scheinen die Vorkommnisse in den Entstehungsjahren der Elbphilharmonie für ihn weit weg. Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Zeuge befragt, kommt nur selten eine detaillierte Antwort. Er habe die politische Linie vorgegeben, sich ansonsten auf den damaligen Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe, Hartmut Wegener, verlassen:
"Sie können nur das wissen, was Ihnen gesagt wird. Wenn mir´s keiner sagt, dann weiß ich´s nicht."
Während der ehemalige Politiker von Beust augenscheinlich nichts mehr mit den Problemen der Elbphilharmonie zu tun haben will, steckt der Architekt Pierre de Meuron mitten drin. Auch er muss sich Kritik gefallen lassen – seine architektonischen Entwürfe seien kompliziert, schwer umsetzbar – und deshalb auch teuer. Doch der Schweizer Starachitekt weiß: Vieles wäre nicht passiert, wäre die Ausschreibung des Projektes nicht so übereilt durchgezogen worden, hätten er und seine Kollegen die Hauptplanungen erst einmal abschließen können. Und so wirkt er fast schon traurig, als er auf einer Veranstaltung des Freundeskreises der Elbphilharmonie erklärt:
"Diese erheblichen Schwierigkeiten, die leider immer noch das Projekt begleiten, dass uns das sehr betroffen macht... Und dass wir das noch nie erlebt haben und dass das für mich – für uns, als Büro ganz, ganz schwierig ist, mit diesen Sachen konfrontiert zu werden. Und das ist eine große Betroffenheit, das können Sie mir glauben."
An seiner Seite an diesem Abend: Christoph Lieben-Seutter, seit 2006 Generalintendant des monumentalen Konzerthauses, das es so noch gar nicht gibt. Der aber schon jetzt versucht, durch sogenannte "Elbphilharmonie-Konzertreihen" an anderen Orten in der Stadt für das Projekt zu werben. Schon mehrfach hat er Eröffnungskonzerte für die eigentliche Elbphilharmonie erdacht, ein Programm erarbeitet, Künstler überzeugt und eingekauft. Und: Wieder abgesagt:
"Das ist ja auch das Schöne: die Welt entwickelt sich weiter. Das Konzept, was es für die Elbphilharmonie 2008 gab, das wird jetzt anders aussehen im Jahr 2014 oder 2015. Das Eröffnungskonzert wird das NDR-Sinfonieorchester bestreiten, das ist klar. Das ist das Hausorchester. Wir haben Ideen gewälzt, aber was es sein wird, bleibt noch lange erstens in Diskussion und zweitens dann wahrscheinlich ein Geheimnis."
Schließlich kann sich bis zum tatsächlichen Termin noch einiges ändern. Ans Aufgeben – ja, daran habe er gedacht – gibt er zu. Sagt aber jetzt:
"Mir fällt da nur ein Wort von Cher ein, dem amerikanischen Popstar. Die irgendwann mal gesagt hat: Somebody has to do the job. Ich gebe gerne zu, dass es Phasen von großer Frustration gab und auch schon mal gewisse Fluchtreflexe… Aber das ist jetzt Jahre her."
Mittlerweile hat sich auch die politische Landschaft verändert: Seit mehr als einem Jahr regiert die SPD in Alleinherrschaft und der Tonfall, vor allem gegenüber Hochtief, ist jetzt ein etwas anderer. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind ... vielfältig – erklärt die Kultursenatorin:
"Wenn man jetzt bösartig wäre, würde man sagen: Es hat was mit Zuckerbrot und Peitsche zu tun."
Der SPD-Senat werde nun mit klarer Kante vorgehen – die Senatorin kündigt an:
"Keine Spielchen mehr."
Und Bürgermeister Olaf Scholz zeigt in der Öffentlichkeit ebenfalls keine Nachgiebigkeit gegenüber dem Baukonzern. Auch wenn das nicht als Ankündigung zu verstehen sei, macht der Sozialdemokrat klar:
"Wir könnten sie ja auch zu jedem Zeitpunkt alleine zu Ende bauen. Dauert dann etwas länger... würde aber auch gehen."
Hochtief-Manager Thomas Möller:
"Das hat mich persönlich, und die Kollegen, die auf der Baustelle arbeiten, sehr getroffen. Weil der Nachsatz: Ich hab´s nicht so gemeint, der ist in den Medien ein wenig untergegangen. Weil wir natürlich am Projekt und an der Bauausführung des Projektes sehr hängen, uns da sehr mit identifizieren. Wenn das das Ziel des Bürgermeisters ist, dann müssen wir auch damit umgehen, dann würden wir auch damit umgehen. Es würde uns aber hart treffen."
Die Elbphilharmonie ohne Hochtief – durchaus eine Option, wenn auch eher unrealistisch. Stattdessen bemühen sich hinter verschlossener Tür beide Seiten um "ein konstruktives Miteinander".
"Es gibt ganz konkret Gespräche zwischen der Hansestadt, Kulturbehörde und Hochtief über die Neuordnung des Projektes."
Wie konkret diese Neuordnung aussehen wird – man wird abwarten müssen. Fakt ist: Die Elbphilharmonie wird kommen. Man weiß nur immer noch nicht genau, wann. Nur eines ist sicher: Dass sie den Hamburgern derzeit weniger lieb als teuer ist.
Elbphilharmonie-Konzerte - die sonst wo, nur nicht in der Philharmonie stattfinden: Man versucht, die Zeit zu überbrücken, bis der "neue Leuchtturm der Stadt" endlich fertig gestellt ist.
Februar 2012: Der Wind pfeift über die Stahlkonstruktion der Elbphilharmonie, als die Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler den prominenten Besucher, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso über die Baustelle führt.
Barroso und seine Entourage tragen weiße Bauhelme und schwarze Schutzschuhe – der Politiker ist begeistert:
"Ich bin von diesem Projekt sehr beeindruckt – es wird wahrscheinlich das größte musikalische Zentrum Zentraleuropas werden."
Zwischenzeitlich ist es bis nach Brüssel vorgedrungen, dass die Elbphilharmonie sich zu einem Mammutprojekt entwickelt hat – dessen Kosten explodieren und dessen Fertigstellung sich immer mehr in die Länge zieht. Der routinierte EU-Politiker Barroso zeigt sich optimistisch, dass die Querelen früher – eher später - ausgeräumt werden können.
"An vielen Orten in Europa habe ich gesehen, wie sich solche Projekte entwickeln. Wahrscheinlich nicht so teuer, um ehrlich zu sein. Aber ich habe gesehen, dass sie einen großen Beitrag leisten zum Renommee, der Wettbewerbsfähigkeit und der Vitalität dieser Städte. Ich bin sicher, die Probleme hier in Hamburg wird man lösen – und am Ende wird die Stadt sehr davon profitieren. Und ich hoffe, bei der Eröffnung dabei zu sein."
Kultursenatorin Barbara Kisseler lächelt über José Manuel Barrosos zuversichtlichen Blick in die Zukunft – weiß sie doch, dass die Gegenwart sich alles andere als rosig darstellt. Zwar schwingen die Baukräne über das Gebäude an der Spitze der Hafencity, doch die werden für die Fertigstellung des Luxushotels und der diversen Eigentumswohnungen genutzt, die ebenfalls zum Elbphilharmonie-Komplex gehören, jedoch vom öffentlichen Teil – sprich dem Konzerthaus als solches, abgetrennt sind. Hier ist nicht die Stadt der Bauherr, sondern private Investoren. Und so zeigt sich auf der Baustelle folgendes Bild: Links und rechts des Gebäudes wuseln die Bauarbeiter, während in der Mitte, speziell am Dach des großen Konzertsaales, nicht weitergebaut wird: Dort herrscht Baustopp. Thomas Möller, Leiter der Hamburger Hochtief-Niederlassung:
"Am öffentlichen Teil wird etwa nur noch zu etwa 10 Prozent der Soll-Leistung gebaut, weil an 90 Prozent – aus unterschiedlichen Gründen – nicht gebaut werden kann. Weil keine Freigaben vorliegen, keine Pläne vorliegen, keine Entscheidungen."
Ein weiterer Grund für den Stillstand: Hochtief hat Sicherheitsbedenken bezüglich der Statik am komplizierten Tragwerk des Daches für den Konzertsaal. Anders die Generalplaner, das Architekturbüro Herzog und de Meuron aus der Schweiz. Für sie spricht David Koch:
"Das Dach ist sicher. Daran haben wir keine Zweifel. Das wurde von unserem Statiker mit zwei Modellen überprüft und mit einem dritten Modell und von einem dritten Gutachter überprüft. Und da hat keiner der Beteiligten Zweifel dran."
Hochtief ist davon zwar nicht überzeugt, hat aber zugesagt, sogenannte Ertüchtigungsmaßnahmen durchzuführen, also Stahlträger zu verstärken. Niederlassungsleiter Thomas Möller:
"So dass die Standsicherheit, die aus unserer Sicht – ich betone das – nicht gegeben ist, wieder nachgewiesen werden kann."
Wahrscheinlich wird diese Maßnahme ein Beweissicherungsverfahren nach sich ziehen, um klären zu lassen, ob diese Nachrüstungen technisch tatsächlich notwendig sind, um die erforderliche Sicherheit herzustellen und Folgeschäden zu vermeiden. Fest steht: Der Verlierer zahlt das Dach. Entweder Hochtief oder die Stadt.
Immerhin: Die Bereitschaft, dass Hochtief die 40 Bauarbeiter, die das Unternehmen bereits im November von der Baustelle abgezogen hat, bald wieder nach Hamburg schicken will, wertet Kultursenatorin Kisseler als gutes Zeichen:
"In der Tat sind wir im Augenblick in einem sehr konstruktiven und, wie ich hoffe, auch verlässlichen Weg mit Hochtief. Und mein Pendant auf deren Seite hat mir gerade noch einmal zugesichert, dass sie den zur Zeit aktuellen Konfliktpunkt – das Saaldach – auch weiterbauen werden."
Doch das kann nicht von heute auf morgen passieren, sagt Thomas Möller von Hochtief. Man sei abhängig von den Zuarbeiten des Architekturbüros, ein Statiker müsste die Planungen dann freigeben, damit die Stahlträger hergestellt und eingebaut werden können.
"Vor Mitte, Ende Mai kann da speziell an diesem Saaldach nichts gemacht werden."
Die Auseinandersetzung um die Sicherheit der Stahlträger ist nur ein Kapitel in dieser "Never ending Story" Elbphilharmonie. Dabei hatte alles so schön angefangen...
Im Jahr 2001 sprach der private Investor Alexander Gerard mit den Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron über die Vision eines Konzertsaals auf dem damaligen Kaispeicher A am westlichen Zipfel der Hafencity: Der Entwurf zeigte eine kühne Welle aus Glas, unter deren Hülle ein neuer Konzertsaal entstehen sollte – modern, avantgardistisch, atemberaubend. Die Vision wurde publik, erreichte den damaligen CDU-Bürgermeister Ole von Beust im Juni 2003. Und dessen Augen mögen aufgeleuchtet haben, als er sich vorstellte, wie das neue Wahrzeichen der Hansestadt zu noch mehr Prestige, noch mehr Touristen, noch mehr Einnahmen für die Stadt führen würde. 2005 stand auf dem Preisschild ein "Festpreis" von 77 Millionen Euro, die Kosten für die Stadt. Eröffnungsprognose: Sommer 2010.
Im Januar 2008 stellte Ole von Beust das Projekt erstmals in der Hauptstadt vor und versprach:
"Dass ein solches Bauwerk mit einer faszinierenden Architektur - mit einer Verbindung von Tradition, von Backstein, von Hafen, von Wasser etwas ist, was Strahlkraft hat, weit über Hamburg hinaus – nach Berlin, aber auch über Berlin und Hamburg hinaus nach Europa ... "
Die Begeisterung war groß – auch in der Hansestadt Hamburg. Ein "Leuchtturm der Kultur", ein "Juwel unter den Konzerthäusern"... tönt es aller Orten.
Der Dirigent Thomas Hengelbrock, der seit vergangenem Jahr das NDR-Sinfonieorchester führt, das zukünftige Residenzorchester der Elbphilharmonie, ist schon jetzt begeistert von dem, was kommt:
"Die Elbphilharmonie ist nach meinem Dafürhalten das... DAS Haus für die Musik. Und zwar weltweit. Ich glaube, es hat in den vergangenen Jahrzehnten nichts Vergleichbares gegeben. Also ich glaube, das wird als Gebäude eine Ausstrahlung nicht nur über Hamburg, sondern auch weit über Deutschland hinaus haben."
Ein erster Anlauf für das offizielle Eröffnungskonzert IN der Elbphilharmonie war für November 2011 geplant – doch dieser Traum ist längst geplatzt. Die Kosten für das Bauwerk sind mittlerweile um das Vierfache angestiegen: auf derzeit 323 Millionen Euro. Weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen. Der Stadt liegen Nachforderungen von Hochtief in Höhe von 60 Millionen Euro vor. Auf der anderen Seite verklagt die Stadt den Baukonzern wegen der Verzögerungen auf der Baustelle auf eine Vertragsstrafe von über 40 Millionen Euro.
"Mit dieser Klage wollen wir gerichtlich feststellen lassen, wer für die bisherigen Verzögerungen bei dem Bau der Elbphilharmonie verantwortlich ist. Wir sind der Auffassung, dass das ganz überwiegend ein Verschulden von Hochtief ist."
Sagt Karl Olaf Petters, Sprecher des Projekts Elbphilharmonie bei der Kulturbehörde. Hochtief sieht das naturgemäß anders: Für die Verzögerungen sei die Stadt zuständig, da während des Bauprozesses immer neue Änderungen gewünscht worden seien.
"Es wurde gestartet mit zwei Konzertsälen. Es wurde gestartet mit einer Elbwasser-Rückkühlung. Und während des Bauvorhabens, also während der Herstellungszeit schon, wurde erhöht auf drei Säle. Es wurde umgestellt auf eine Rückkühlung mit Tiefbrunnen. Um einfach diese beiden Beispiele zu bringen."
Dabei könnte er die Liste durchaus noch weiter führen, erläutert Hochtief-Manager Möller. Als Hamburg die Klage gegen Hochtief aufgrund der Verzögerungen und der damit verbundenen Mehrkosten beim Landgericht eingereicht hat, waren die Bauarbeiten 14 Monate im Verzug. Mittlerweile lassen sich die Monate kaum beziffern – der neue Übergabetermin wird derzeit noch mit November 2014 angegeben. Doch auf die Frage nach dem Eröffnungstermin kann Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler nur müde lächeln:
"Die Frage stelle ich mir ungefähr im Wochentakt. Und ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann eine belastbare Antwort darauf hätte."
2014 sei zwar avisiert:
"Ich wäre aber nicht überrascht, wenn es tatsächlich 2015 würde."
Doch was ist der Grund für all die Querelen: Die zeitlichen Verzögerungen, die Kostenexplosionen? Um dem auf den Grund zu gehen, hat die Hamburgische Bürgerschaft einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Der SPD-Abgeordnete Ole Torben Buschhüter ist der Vorsitzende des Gremiums. Eines der Hauptprobleme ist seiner Meinung nach der überstürzte Baubeginn.
"Was sich abzeichnet ist, dass es doch ein großer Fehler war, und da haben mehrere vor gewarnt, damals schon – zu einem Zeitpunkt auszuschreiben, die Bauleistung, als die Pläne für den Bau noch nicht fertig waren."
Am 16. Juni 2006 haben die mit dem Entwurf der Elbphilharmonie beauftragten Architekten Herzog und de Meuron, die bereits das bekannte Vogelneststadion in Peking und die Fußballarena in München geplant haben, Bürgermeister Ole von Beust angeschrieben und gebeten:
"Verschiebt doch die Ausschreibungen. Wir sind mit unseren Plänen noch nicht fertig. Gebt uns noch ein halbes Jahr oder so."
Erinnert sich Buschhüter an die Aussage der Architekten und deren Warnung:
Werde trotzdem final ausgeschrieben, seien – Zitat – "Kosten und Fertigstellung in höchster Gefahr". Der Baukonzern Strabag, der ursprünglich ebenfalls in Betracht kam, gab gar nicht erst ein Angebot ab, so Ole Torben Buschhüter:
"Die haben kein Angebot abgegeben mit der Begründung, die Pläne wären noch nicht ausgereift. Da könne man kein belastbares Angebot drauf abgeben. Na, das an sich wäre ja schon eine Warnung genug gewesen. Zu sagen: Oh, wenn Strabag sich das gar nicht zutraut – die sind ja auch ein großes Unternehmen – ein Angebot abzugeben... da müssen wir das Verfahren zurücksetzen. In einen Stand, wo wir wieder mehrere Angebote bekommen können."
Strabag rügte das Vergabeverfahren – und Ole von Beust persönlich setzte sich dafür ein, dass Strabag diese Rüge zurückzog, um das Projekt nicht zu verzögern. Ein Unding, findet auch die jetzige Kultursenatorin Barbara Kisseler und schüttelt den Kopf:
"Ich glaube, bei einem so komplexen Bauwerk wie der Elbphilharmonie – sowohl was die Architektur angeht, als auch die Nutzung, also den Inhalt, ist ein absolut zentrales Erfordernis eine differenzierte, sehr genaue Planung. Und wenn sie dabei nur den Faktor Zeit im Auge haben, dass sie der staunenden Öffentlichkeit möglichst schnell verkünden wollen, ab morgen wird gebaut... dann lässt das die nötige Sorgfalt vermissen."
Ein Mangel an Sorgfalt, der – wie sich heute zeigt – zu einer Kostenexplosion par excellence geführt hat. Doch warum diese Eile? Ole von Beust, der Anfang Februar dieses Jahres als Zeuge im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen ist, weist sämtliche Vorwürfe von sich. Er habe niemals direkt oder indirekt politischen Einfluss auf Zeitpläne genommen. Für ihn sei es immer unerheblich gewesen, wann die Elbphilharmonie fertig werde. Wichtig sei ihm gewesen, dass sie fertig werde.
"Der Bürgermeister streitet ab, selbst politischen Druck ausgeübt zu haben. Auf der anderen Seite: Bestreiten konnte er nicht, dass einige aber den Eindruck hatten, dass es ganz gut wäre, diese Entscheidung schnell zu treffen."
Was steckt also dahinter? Eine Art vorauseilender Gehorsam? Ausschussvorsitzender Ole Torben Buschhüter, SPD:
"Es gibt keine andere Erklärung dafür, außer dass es ein Klima gab, bei der ReGe, bei der Stadt, bei den Entscheidungsträgern, dass man jetzt hier auch mal zügig zu Ergebnissen kommen sollte. Das ist die einzige schlüssige Erklärung aus meiner Sicht dafür, dass man doch wieder überhastet, übereilt Entscheidungen getroffen hat. Trotz ernstzunehmender Warnungen."
Bei dieser Vorgeschichte wundert es dann auch nicht mehr, dass sich die Stadt auf ein sehr "ungewöhnliches" Vertragskonstrukt eingelassen hat – mit drei Protagonisten: Der Stadt, Hochtief und den Architekten Herzog und de Meuron:
Ein kompliziertes Dreiecksverhältnis, bei dem der Konzern Hochtief baut, was das Architektenbüro Herzog und de Meuron entwirft und was die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe steuern und kontrollieren soll. Normalerweise kümmert sich der Generalunternehmer, in diesem Fall Hochtief, um die Details der Ausführungen. Da die Planungen nach wie vor weitergehen, ist Herzog und de Meuron dafür zuständig – also GeneralPLANER. Und während es zwischen dem Generalplaner Herzog und de Meuron und dem Generalunternehmer, Hochtief KEINE juristischen Regelungen gibt, hat die Stadt mit beiden Verträge ... Und so stehen die Entwürfe der Starachitekten auf der einen Seite - und ein knapp kalkulierender Konzern, der sämtliche neu dazukommenden Planungsentwicklungen auch neu honoriert, auf der anderen Seite.
"Ich glaube, in der Tat, das hat der damalige Erste Bürgermeister nicht ganz sehen wollen... vielleicht... Zumindest ist es de facto so, dass die Planung entschieden nicht sorgfältig genug ausgeführt worden ist, und dass die Konflikte, die es da gegeben hat – zwischen Entwurfsplanung der Architekten auf der einen Seite und technische Ausführungsplanung auf der anderen Seite – dass es da so viele konfliktäre Schnittstellen gegeben hat, dass eigentlich das Drama absehbar war."
Ole von Beust will davon so richtig nichts mehr wissen. Der 56-Jährige hat sich aus der Politik zurückgezogen: Und so scheinen die Vorkommnisse in den Entstehungsjahren der Elbphilharmonie für ihn weit weg. Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Zeuge befragt, kommt nur selten eine detaillierte Antwort. Er habe die politische Linie vorgegeben, sich ansonsten auf den damaligen Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe, Hartmut Wegener, verlassen:
"Sie können nur das wissen, was Ihnen gesagt wird. Wenn mir´s keiner sagt, dann weiß ich´s nicht."
Während der ehemalige Politiker von Beust augenscheinlich nichts mehr mit den Problemen der Elbphilharmonie zu tun haben will, steckt der Architekt Pierre de Meuron mitten drin. Auch er muss sich Kritik gefallen lassen – seine architektonischen Entwürfe seien kompliziert, schwer umsetzbar – und deshalb auch teuer. Doch der Schweizer Starachitekt weiß: Vieles wäre nicht passiert, wäre die Ausschreibung des Projektes nicht so übereilt durchgezogen worden, hätten er und seine Kollegen die Hauptplanungen erst einmal abschließen können. Und so wirkt er fast schon traurig, als er auf einer Veranstaltung des Freundeskreises der Elbphilharmonie erklärt:
"Diese erheblichen Schwierigkeiten, die leider immer noch das Projekt begleiten, dass uns das sehr betroffen macht... Und dass wir das noch nie erlebt haben und dass das für mich – für uns, als Büro ganz, ganz schwierig ist, mit diesen Sachen konfrontiert zu werden. Und das ist eine große Betroffenheit, das können Sie mir glauben."
An seiner Seite an diesem Abend: Christoph Lieben-Seutter, seit 2006 Generalintendant des monumentalen Konzerthauses, das es so noch gar nicht gibt. Der aber schon jetzt versucht, durch sogenannte "Elbphilharmonie-Konzertreihen" an anderen Orten in der Stadt für das Projekt zu werben. Schon mehrfach hat er Eröffnungskonzerte für die eigentliche Elbphilharmonie erdacht, ein Programm erarbeitet, Künstler überzeugt und eingekauft. Und: Wieder abgesagt:
"Das ist ja auch das Schöne: die Welt entwickelt sich weiter. Das Konzept, was es für die Elbphilharmonie 2008 gab, das wird jetzt anders aussehen im Jahr 2014 oder 2015. Das Eröffnungskonzert wird das NDR-Sinfonieorchester bestreiten, das ist klar. Das ist das Hausorchester. Wir haben Ideen gewälzt, aber was es sein wird, bleibt noch lange erstens in Diskussion und zweitens dann wahrscheinlich ein Geheimnis."
Schließlich kann sich bis zum tatsächlichen Termin noch einiges ändern. Ans Aufgeben – ja, daran habe er gedacht – gibt er zu. Sagt aber jetzt:
"Mir fällt da nur ein Wort von Cher ein, dem amerikanischen Popstar. Die irgendwann mal gesagt hat: Somebody has to do the job. Ich gebe gerne zu, dass es Phasen von großer Frustration gab und auch schon mal gewisse Fluchtreflexe… Aber das ist jetzt Jahre her."
Mittlerweile hat sich auch die politische Landschaft verändert: Seit mehr als einem Jahr regiert die SPD in Alleinherrschaft und der Tonfall, vor allem gegenüber Hochtief, ist jetzt ein etwas anderer. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind ... vielfältig – erklärt die Kultursenatorin:
"Wenn man jetzt bösartig wäre, würde man sagen: Es hat was mit Zuckerbrot und Peitsche zu tun."
Der SPD-Senat werde nun mit klarer Kante vorgehen – die Senatorin kündigt an:
"Keine Spielchen mehr."
Und Bürgermeister Olaf Scholz zeigt in der Öffentlichkeit ebenfalls keine Nachgiebigkeit gegenüber dem Baukonzern. Auch wenn das nicht als Ankündigung zu verstehen sei, macht der Sozialdemokrat klar:
"Wir könnten sie ja auch zu jedem Zeitpunkt alleine zu Ende bauen. Dauert dann etwas länger... würde aber auch gehen."
Hochtief-Manager Thomas Möller:
"Das hat mich persönlich, und die Kollegen, die auf der Baustelle arbeiten, sehr getroffen. Weil der Nachsatz: Ich hab´s nicht so gemeint, der ist in den Medien ein wenig untergegangen. Weil wir natürlich am Projekt und an der Bauausführung des Projektes sehr hängen, uns da sehr mit identifizieren. Wenn das das Ziel des Bürgermeisters ist, dann müssen wir auch damit umgehen, dann würden wir auch damit umgehen. Es würde uns aber hart treffen."
Die Elbphilharmonie ohne Hochtief – durchaus eine Option, wenn auch eher unrealistisch. Stattdessen bemühen sich hinter verschlossener Tür beide Seiten um "ein konstruktives Miteinander".
"Es gibt ganz konkret Gespräche zwischen der Hansestadt, Kulturbehörde und Hochtief über die Neuordnung des Projektes."
Wie konkret diese Neuordnung aussehen wird – man wird abwarten müssen. Fakt ist: Die Elbphilharmonie wird kommen. Man weiß nur immer noch nicht genau, wann. Nur eines ist sicher: Dass sie den Hamburgern derzeit weniger lieb als teuer ist.