Geistige Auseinandersetzungen in Deutschland verliefen häufig namenzentriert, waren dabei nicht unbedingt sachlich begründet: Der sogenannte Positivismusstreit zwischen Popper und Adorno hat so nie wirklich stattgefunden; Der Luhmann - Habermas Konflikt gewann seine Bedeutung rückblickend als Sprungbrett für enttäuschte Linke, die in die neobürgerliche Toskanafraktion wechselten; und Peter Sloterdijks Invektiven gegen Habermas bildeten vor Jahren eine reine Polemik um die richtige Lebensart und die Dominanz bei suhrkamp.
Kein Vergleich mit jener Auseinandersetzung, die in Deutschland schon in den frühen sechziger Jahren um die sogenannte Legitimität der Neuzeit geführt wurde - eine Kontroverse, die heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Einer der damals für Aufsehen sorgte, war Hans Blumenberg, dem der Suhrkamp -Verlag dankenswerterweise in den letzten Jahren durch eine Fülle von Veröffentlichungen die notwendige Würdigung erwies.
Blumenbergs fundamentaler Beitrag zur Diskussion um die Moderne soll hier kurz referiert werden. Er kündigt sein Einverständnis auf mit der geläufigen Vorstellung, der Neuzeit liege ein Subjekt zugrunde, das in einem Akt der Selbstermächtigung die Moderne erschaffen habe. Blumenbergs Perspektive ist eine geschichtliche mit stark anthropologischen Akzenten. Von hierher wendet er sich den Anfängen der Neuzeit zu, die er als Krise sich widersprechender religiöser Vorstellungswelten beschreibt. Aus dieser Not entwickelte die damals junge Wissenschaft ein neues Paradigma von Selbstbehauptung. Blumenberg lässt mit Forschern wie Newton und Leonardo einen Prozess der theoretischen Neugierde beginnen, in dem die Ratio aus den Methoden der Physik geschöpft wird.
Mit dieser Position setzte sich Blumenberg zugleich gegen die damals vorherrschende Säkularisierungsthese ab. Sie besagt, dass man in der Moderne lediglich die Fortführung und Transformation der christlichen Heilsgeschichte zu sehen hat.
Hier nun kommt Carl Schmitt ins Spiel. Schmitt, wesentlich älter als Blumenberg, von Haus aus ein Jurist, hatte schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Anlehnung an die Säkularisierungsthese das geschichtliche Prozedere in der Neuzeit als Vollzugsform politischer Theologie gefasst; und auch sein berühmtes Paradigma für politisches Handeln, nämlich die Bestimmung eines Feindes, war aus dem religiösen Dualimus des Mittelalters abgeleitet.
Hier könnte man den Ansatzpunkt für den Briefwechsel der beiden Autoren vermuten - aber wer die wenigen hier aufgeführten Briefe liest, findet kaum Hinweise auf den Konflikt, ja man ist bald verärgert darüber, wie hier ein Buch zusammengestellt worden ist, dass zu 80 Prozent dem zusätzlichen Verständnis der Briefe und der Auseinandersetzung dienen soll: Hinzugefügte Texte und ein philologisch ausuferndes Nachwort der Herausgeber umfassen allein nahezu 250 Seiten. Ein geradezu groteskes Missverhältnis zu den 50 Seiten Brieftext, zumal diesem noch ausladende Fußnoten beigefügt sind.
Wenn der schmale Briefwechsel gleichwohl besticht und anrührt, dann aufgrund einer selten gewordenen Leseerfahrung. Man bemerkt schnell, was zwei Menschen mit einem so umfassenden Bildungsvermögen für eine Briefkultur beizusteuern vermochten, die für uns Nachgeborene heute nahezu verloren scheint. Dabei galt Carl Schmitt in jüngeren Jahren einmal als aggressive Vorhut des rechten politischen Spektrums, während Hans Blumenberg, der politischen Parteinahme seit jeher unverdächtig war und bis zuletzt einen Stil pflegte, in dem Skepsis, Melancholie und Empathie die Feder führten.
So entsteht auf den wenigen Briefseiten zwischen dem damals schon über achtzigjährigen Carl Schmitt und dem philosophischen Außenseiter Hans Blumenberg ein fast zartes Gespräch der Geister Zum wichtigsten Schnitt- und Treffpunkt wird ihnen dabei ein Satz aus Goethes Faust: "nemo contra deum nisi deus ipse." Niemand ist gegen Gott, außer Gott selbst. Blumenberg versteht dieses Zitat aus dem Prometheusmythos: ein Blitz zerreißt den Vorhang der erschreckenden Kontinuitäten der Religion und lässt den Menschen sich selbst gewinnen. Schmitt hingegen versteht die Textstelle aus der Immanenz des theologischen Dualismus, dem auch die säkularisierte Gesellschaft der Neuzeit nicht entrinnen kann. Treffen können sich beide in der Husserlschen Epoché, in jener Entfernung von der Welt, die Blumenberg zu einem trotzigen Verteidiger der Neuzeit werden ließ und den einst schrecklichen Juristen Carl Schmitt zur späten Einsicht bringt, dass man vom Gegner lernen kann.
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie befruchtend es hätte sein können, diesen beiden Männern in einem gemeinsam abgehaltenen Seminar zuhören zu können.
Alexander Schmitz (Hg.) Marcel Lepper (Hg.): "Hans Blumberg. Carl Schmitt. Briefwechsel"
(Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main)
Kein Vergleich mit jener Auseinandersetzung, die in Deutschland schon in den frühen sechziger Jahren um die sogenannte Legitimität der Neuzeit geführt wurde - eine Kontroverse, die heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat. Einer der damals für Aufsehen sorgte, war Hans Blumenberg, dem der Suhrkamp -Verlag dankenswerterweise in den letzten Jahren durch eine Fülle von Veröffentlichungen die notwendige Würdigung erwies.
Blumenbergs fundamentaler Beitrag zur Diskussion um die Moderne soll hier kurz referiert werden. Er kündigt sein Einverständnis auf mit der geläufigen Vorstellung, der Neuzeit liege ein Subjekt zugrunde, das in einem Akt der Selbstermächtigung die Moderne erschaffen habe. Blumenbergs Perspektive ist eine geschichtliche mit stark anthropologischen Akzenten. Von hierher wendet er sich den Anfängen der Neuzeit zu, die er als Krise sich widersprechender religiöser Vorstellungswelten beschreibt. Aus dieser Not entwickelte die damals junge Wissenschaft ein neues Paradigma von Selbstbehauptung. Blumenberg lässt mit Forschern wie Newton und Leonardo einen Prozess der theoretischen Neugierde beginnen, in dem die Ratio aus den Methoden der Physik geschöpft wird.
Mit dieser Position setzte sich Blumenberg zugleich gegen die damals vorherrschende Säkularisierungsthese ab. Sie besagt, dass man in der Moderne lediglich die Fortführung und Transformation der christlichen Heilsgeschichte zu sehen hat.
Hier nun kommt Carl Schmitt ins Spiel. Schmitt, wesentlich älter als Blumenberg, von Haus aus ein Jurist, hatte schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Anlehnung an die Säkularisierungsthese das geschichtliche Prozedere in der Neuzeit als Vollzugsform politischer Theologie gefasst; und auch sein berühmtes Paradigma für politisches Handeln, nämlich die Bestimmung eines Feindes, war aus dem religiösen Dualimus des Mittelalters abgeleitet.
Hier könnte man den Ansatzpunkt für den Briefwechsel der beiden Autoren vermuten - aber wer die wenigen hier aufgeführten Briefe liest, findet kaum Hinweise auf den Konflikt, ja man ist bald verärgert darüber, wie hier ein Buch zusammengestellt worden ist, dass zu 80 Prozent dem zusätzlichen Verständnis der Briefe und der Auseinandersetzung dienen soll: Hinzugefügte Texte und ein philologisch ausuferndes Nachwort der Herausgeber umfassen allein nahezu 250 Seiten. Ein geradezu groteskes Missverhältnis zu den 50 Seiten Brieftext, zumal diesem noch ausladende Fußnoten beigefügt sind.
Wenn der schmale Briefwechsel gleichwohl besticht und anrührt, dann aufgrund einer selten gewordenen Leseerfahrung. Man bemerkt schnell, was zwei Menschen mit einem so umfassenden Bildungsvermögen für eine Briefkultur beizusteuern vermochten, die für uns Nachgeborene heute nahezu verloren scheint. Dabei galt Carl Schmitt in jüngeren Jahren einmal als aggressive Vorhut des rechten politischen Spektrums, während Hans Blumenberg, der politischen Parteinahme seit jeher unverdächtig war und bis zuletzt einen Stil pflegte, in dem Skepsis, Melancholie und Empathie die Feder führten.
So entsteht auf den wenigen Briefseiten zwischen dem damals schon über achtzigjährigen Carl Schmitt und dem philosophischen Außenseiter Hans Blumenberg ein fast zartes Gespräch der Geister Zum wichtigsten Schnitt- und Treffpunkt wird ihnen dabei ein Satz aus Goethes Faust: "nemo contra deum nisi deus ipse." Niemand ist gegen Gott, außer Gott selbst. Blumenberg versteht dieses Zitat aus dem Prometheusmythos: ein Blitz zerreißt den Vorhang der erschreckenden Kontinuitäten der Religion und lässt den Menschen sich selbst gewinnen. Schmitt hingegen versteht die Textstelle aus der Immanenz des theologischen Dualismus, dem auch die säkularisierte Gesellschaft der Neuzeit nicht entrinnen kann. Treffen können sich beide in der Husserlschen Epoché, in jener Entfernung von der Welt, die Blumenberg zu einem trotzigen Verteidiger der Neuzeit werden ließ und den einst schrecklichen Juristen Carl Schmitt zur späten Einsicht bringt, dass man vom Gegner lernen kann.
Man mag sich gar nicht vorstellen, wie befruchtend es hätte sein können, diesen beiden Männern in einem gemeinsam abgehaltenen Seminar zuhören zu können.
Alexander Schmitz (Hg.) Marcel Lepper (Hg.): "Hans Blumberg. Carl Schmitt. Briefwechsel"
(Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main)