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Ein Gangster aus dem Osten

Der Autor Jürgen Roth hat ein Buch über die Verquickung von Politik und organisierter Kriminalität in Bulgarien geschrieben. Das brachte ihm eine Klage vor dem Amtsgericht von Sofia ein. Kläger ist der ehemalige bulgarische Innenminister Rumen Petkov, der sich von Roth verunglimpft fühlt.

Jürgen Roth im Gespräch mit Dina Netz |
    Dina Netz: Dieses Ausmaß an Einschüchterung habe er noch nicht einmal bei seinen Recherchen in Sizilien erlebt. Nein, diese Äußerung stammt nicht von Roberto Saviano, dem von der süditalienischen Mafia mit dem Tod bedrohten Autor des Buches "Gomorra", dies hat ein deutscher Autor gesagt, Jürgen Roth nämlich. Und er hat ein Buch über die Verquickung von Politik und organisierter Kriminalität in Bulgarien geschrieben. Das Buch "Die neuen Dämonen" erscheint Ende des Monats in Bulgarien, Auszüge sind dort schon in einer Tagszeitung abgedruckt worden. Und jetzt hat der ehemalige bulgarische Innenminister Rumen Petkov vor dem Sofioter Amtsgericht Klage gegen Jürgen Roth eingereicht. Mit dem Autor habe ich gesprochen und ihn gefragt, Herr Roth, was schreiben Sie über Herrn Petkov, dass ihn so erbost?

    Jürgen Roth: Na, ich schreibe über Herrn Petkov, dass er Verbindungen zu kriminellen Strukturen in der Vergangenheit gehabt hat und dass ausländische Diplomaten wirklich gejubelt haben, als er, jetzt im April war das ja, gehen musste. Deswegen denke ich, Herr Petkov will sich irgendwie wieder rehabilitieren und macht eigentlich mehr Propaganda für das Buch, als dass er in Bulgarien ernst genommen wird.

    Netz: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass Sie vor dem Gericht in Sofia recht bekommen? Welche Quellen haben Sie, wird denen Glauben geschenkt werden vor dem Gericht?

    Roth: Es ist in der Tat ein Problem mit der bulgarischen Justiz. Wenn die EU-Fortschrittsberichte liest, wird ja gerade an der fehlenden Unabhängigkeit der bulgarischen Justiz heftig Kritik geübt. Im Übrigen verklagt er mich ja nicht auf Verleumdung, sondern er will nur Schadenersatz haben, 10.000 Lewa, das sind mickrige 5000 Euro für die harten Beschuldigungen, die ich gegen ihn gerichtet haben soll, dann sind das ja geradezu Peanuts.

    Netz: Herr Roth, jetzt mal weg von diesem Fall Petkov. Wie typisch ist der denn? Der ist ja nur ein Teilaspekt Ihres Buches, aber diese Verbindungen zwischen organisierter Kriminalität und Politik, was haben Sie denn darüber allgemein herausgefunden in Bulgarien?

    Roth: Na ja, ich habe herausgefunden, dass es drei Wurzeln dieser kriminellen politischen Strukturen gibt. Zum einen sind das Stasi, den Nachrichtendiensten, die ja eine ganz wichtige Rolle gespielt haben und immer noch spielen, die Wende- beziehungsweise Privatisierungsgewinnler und eben ganz normale Krimelle. Dann gibt es diese Bildung von neuen kriminellen Schichten, die sich durch den Bruch des Jugo-Embargos bereichern konnten und eben, was ganz wichtig ist, und darauf lege ich natürlich in dem Buch großen Wert, die Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit der Nachrichtendienste. Und da kommt hinzu eine enge Verflechtung mit Russland. Bulgarien gilt ja immer noch ein bisschen als de facto 16. Republik und eben, was einmalig ist in den Transformationsstaaten, ist diese besondere Brutalität der Mafia. Es hat ja in den letzten Jahren 200 Auftragsmorde gegeben, von denen kaum einer aufgeklärt worden ist. Es geht ja immer weiter, ob Bulgarien jetzt in der EU ist oder nicht in der EU.

    Netz: Sie haben ja schon mal ein Buch über organisierte Kriminalität in Osteuropa geschrieben, "Die Gangster aus dem Osten". Wie ordnet sich denn Bulgarien da ein im Vergleich mit den Nachbarländern? Ist es da schlimmer, weniger schlimm?

    Roth: Na ja, es ist deswegen schlimmer, weil Bulgarien eben zur EU gehört. So gesehen hat das eine andere Qualität. Die Strukturen der Kriminalität, die Verbindungen in die politische Elite hinein, das ist fast genauso wie in Russland. Was aber in Bulgarien noch eine große Rolle spielt, es gibt viele Reformwillige, aber die haben überhaupt keine Möglichkeit, Änderungen in Bulgarien herbeizuführen, das Wachsen einer, wie man so schön sagt, Civil Society. Das ist anscheinend ein sehr langer Prozess. Das Einzige, was in Bulgarien das Positive ist, das sind wirklich die kritischen Medien, die vielfältigen Medien, das Internet. Das sind die Wurzeln einer bürgerlichen Gesellschaft. Aber die haben es in Bulgarien eben ganz schwer.

    Netz: Herr Roth, ich habe eingangs schon Ihren Sizilien-Vergleich zitiert. Wie stark sind Sie denn in Ihrer Arbeit behindert worden?

    Roth: Na, behindert worden bin ich eigentlich überhaupt nicht. Nur das Problem war die Angst der Journalisten, der Staatsanwälte, der Polizeibeamten, auch der Politiker, mit denen ich in Bulgarien gesprochen habe. Das habe ich in der Tat auch in Sizilien nicht erlebt. Man hat ja auch zu Recht Angst. Das ist ja das große Dilemma, weil es werden ja Journalisten ermordet. Einer, den ich persönlich kannte, ist im April erschossen worden. Es werden Journalisten, wie vor Kurzem, schwer zusammengeschlagen. Das ist eine wirklich eine körperliche Angst, die Sie haben, insbesondere in einer Gesellschaft, in einem Staat, der zur EU gehört. Das darf eigentlich nicht sein. Ich nenne deshalb Quellen nicht mit Namen, das sind hochrangige Staatsanwälte, Polizeibeamte. Das habe ich wirklich noch nie erlebt.

    Netz: Herr Roth, diese Recherchen, die jetzt in Bulgarien veröffentlicht werden demnächst, werden wir denn eigentlich auch auf Deutsch lesen können?

    Roth: Nein, nur in Bulgarien, weil das große Probleme sind. In Deutschland interessierte sich halt niemand, Bulgarien, mein Gott, da wird man keine Käufer für ein Buch finden.

    Netz: Der Autor und Journalist Jürgen Roth über sein Buch "Die neuen Dämonen" und die organisierte Kriminalität in Bulgarien.