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"Ein ganz erheblicher Verdacht"

Der Sohn des von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, Michael Buback, hofft auf einen neuen Prozess. Es gebe jetzt die Chance, die Wahrheit über das Attentat von 1977 ans Licht zu bringen. Die Täter seien höchstwahrscheinlich nie angeklagt worden.

Michael Buback im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Hat Michael Buback also doch recht? Seit Jahren bemüht sich der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, Licht ins Dunkel um den Mord an seinem Vater Siegfried Buback zu bringen. Nach eigenen Recherchen hat er Widersprüche bei den Ermittlungen angeprangert und auf zahlreiche Hinweise verwiesen, die Verena Becker mit der Tat in Zusammenhang bringen. Jetzt ist Michael Buback am Telefon. Guten Morgen!

    Michael Buback: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Buback, nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft steht nun offenbar fest, eine Woche nach der Tat hat Verena Becker Umschläge mit den Bekennerschreiben zugeklebt. Bringt das den Durchbruch, um den Mord nach 32 Jahren doch noch aufzuklären?

    Buback: Also mir hilft diese Information jetzt nicht sehr weiter, da ich – wie Sie schon drauf hingewiesen haben – seit mehr als zwei Jahren überzeugt bin, dass sich ein ganz erheblicher Verdacht auf Verena Becker richtet, dass sie Mittäterin beim Karlsruher Attentat war. Also insofern die Tatsache, dass sie am Bekennerbrief mitgewirkt hat, klärt ja nicht die Tatbeteiligung. Dennoch ist es für mich sehr wichtig, dass dies geschehen ist, denn es zeigt mir ja, dass nun auch die Bundesanwaltschaft einen erstarkten oder erhärteten Tatverdacht gegen Frau Becker wohl hat und auch Schritte gegen sie unternimmt. Ich war eben deshalb verzweifelt, nachdem wir – meine Frau und ich – mit wirklich all unserer Kraft, die neben dem Beruf noch bei mir blieb, das zusammengetragen haben und es sich jetzt ein erdrückendes Bild ergeben hat, das eben Frau Becker belastete, dass gar nichts geschah und dass man dies nicht aufgenommen hat. Das Ergebnis der Untersuchungen war ja gewesen – oder unserer Bemühungen, sagen wir mal –, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit die beiden Personen, die vom Motorrad aus den dreifachen Mord verübten, nicht angeklagt wurden und – das kommt dann noch hinzu oder erklärt auch, wie es sein könnte – dass es eine Täterdeckung gab, was für uns natürlich besonders schlimm war. Durch die jetzt entstandene Situation sehe ich die Chance wachsen, dass es zu einem Prozess kommt, bei dem wirklich Tatbeteiligte dann angeklagt sind, und das erhöht ja die Chance sehr, dass dann vor Gericht die volle Wahrheit ans Licht kommt. Ein weiteres Problem war ja gewesen, wir hatten dann inzwischen vier unabhängige Zeugen gemeldet haben, die meinten, dass eine Frau auf dem Soziussitz des Motorrads gesessen hatte, und all diese Zeugen waren nicht in den Prozessen mit dieser Aussage vertreten. Und die meisten von ihnen waren überhaupt nicht Zeugen.

    Barenberg: Sie sprechen ja von erdrückenden Indizien, die darauf hinweisen, dass Verena Becker beteiligt war. Was gehört noch dazu?

    Buback: Also Verena Becker wurde aufgegriffen mit Sonnenberg, und beide hatten die Karlsruher Tatwaffe bei sich. Dann wurde mir berichtet, dass in einem der Motorradhelme, die die Täter zurückgelassen hatten, ein Haar gefunden wurde, was Verena Becker zugeordnet wurde. Becker und Sonnenberg hatten bei ihrer Verhaftung einen Schraubenschlüssel aus einem Suzuki-Motorrad so wie dem Tatmotorrad bei sich, wie er auch im Tatmotorrad fehlte. Also für mich ist zum Beispiel das Auffinden dieses fehlenden Suzuki-Schraubendrehers wie ein Kainsmal. Und wer diesen Schraubenschlüssel hat, der ist dann einfach besonders tatverdächtig. Und es sind so viele Dinge, weitere Belege, vor allen Dingen auch Ermittlungen, die nicht gemacht wurden, die das Ganze sehr verräterisch machen. Also ich kann jetzt hier das nicht im Einzelnen schildern. Weil es so viele Dinge sind, habe ich das ja in diesem Buch "Der zweite Tod meines Vaters" alles aufgeschrieben. Also jeder, der sich dafür interessiert, sollte sich das dort anschauen. Ich bin jetzt gar nicht in der Lage und wir haben auch nicht die Zeit, diese vielen und ich würde schon sagen erdrückenden, für mich und meine Frau jetzt praktisch nahezu Gewissheit bedeutenden Belege hier auszubreiten.

    Barenberg: In Ihrem Buch haben Sie ja der Bundesanwaltschaft gewissermaßen als Fazit vorgeworfen, haarsträubende Fehler und Mängel bei den Nachforschungen begangen zu haben. Ist die Behörde, sind die Ermittlungsbehörden in Ihren Augen denn jetzt rehabilitiert?

    Buback: Also das Problem ist immer, für mich ist es ja sehr schwer, irgendetwas gegen die Bundesanwaltschaft zu sagen, mein Vater war Chef der Behörde, mein Schwiegervater war Bundesanwalt. Es geht ja letztlich auch um Versäumnisse und Mängel, die vor 30 Jahren von ganz anderen Personen begangen wurden, und von wenigen vermutlich, nur sehr wenigen Personen. Und es geht auch allgemein um Ermittler, also zum Beispiel auch die kriminalistischen Ermittler, das müssen nicht Bundesanwälte oder Oberstaatsanwälte gewesen sein, die Fehler gemacht haben, es kann durchaus sein, dass auch sie unvollständig oder unzutreffend informiert wurden und also auch getäuscht worden sind. Also es ist ein merkwürdiges Dickicht, das eben auch dadurch so schwierig geworden ist, weil es Verknüpfungen zu Geheimdiensten gab. Das Kritische ist ja, dass Verena Becker einerseits eine dringend tatverdächtige Person ist und gleichzeitig eine Informantin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das sind ja Ungeheuerlichkeiten, an die wir uns auch erst gewöhnen müssen. Vieles von dem, was ich jetzt weiß, hätte ich ja selbst vor zweieinhalb Jahren überhaupt nicht für möglich, nicht für denkbar gehalten.

    Barenberg: Gerade mit Blick, Herr Buback, auf diesen Zusammenhang, also dass Verena Becker zum einen Täterin war, zum anderen heimlich mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz zusammengearbeitet hat, später aus dem Gefängnis heraus dann, während ihrer Haft, da gibt es ja wichtige Unterlagen darüber, Akten, die bis heute unter Verschluss sind. Sollten diese Akten Ihrer Meinung nach freigegeben werden?

    Buback: Wir haben ja die merkwürdige Situation, dass die Bundesregierung einerseits sagt, sie verlangt eine restlose Aufklärung, was ich sehr gut verstehe und was völlig in meinem Sinne ist. Andererseits werden aber auch von der Bundesregierung, vom Bundesinnenminister Akten gesperrt, die ja hoffentlich weiterhelfen können. Also das passt irgendwie nicht zusammen, und ich verstehe das nicht. Vor allen Dingen, es geht jetzt ganz konkret ja auch um Akten, die der Bundesanwaltschaft vor 27 Jahren bereits übergeben worden sind, also Aussagen von Verena Becker, die – was eben auch unerklärlich ist – nicht mehr auffindbar sind. Die Frage ist jetzt, warum gibt man sie der Bundesanwaltschaft nicht erneut, denn die Bundesanwaltschaft ist ja eine pflichtbewusste Behörde, die wird sie ja nicht irgendwie in die Öffentlichkeit tragen. Das ist wiederum nur einer von vielen unerklärlichen Punkten. Und die Quintessenz all der Bemühungen ist, dass wenn man annimmt, wofür ja nun einiges spricht, dass es einen Schutzmantel oder eine Deckung für zumindest eine weibliche Täterin gab, dass dann all diese unerklärlichen Dinge, an denen man fast verzweifeln möchte, die werden verständlich, teilweise werden sie sogar notwendig, weil sonst dieser Schutz gar nicht aufrechterhalten hätte werden können.

    Barenberg: Wie glaubhaft, wie glaubwürdig ist also die Aussage, die auch Bundeskanzlerin Angela Merkel vor zwei Jahren getroffen hat, die nämlich gefordert hat eine restlose Aufklärung, ganz abgesehen von dem Bundesinnenministerium, das damals eine gründliche Sachaufklärung beim Verfassungsschutz und beim BKA angeordnet hat?

    Buback: Ja, selbstverständlich glaube ich Frau Merkel, dass sie das ganz ernst gemeint hat. Das ist ja oft ein politischer Reflex, weil Dinge, was auch immer passiert. Wenn etwas unerklärlich ist, die Bevölkerung ist beunruhigt, dann wird das sehr schnell erklärt. Aber es fehlt dann die engagierte Öffentlichkeit, auch die Journalisten, die eben dann nach sechs Wochen nachfragen, was habt ihr jetzt herausbekommen. Und dann, wenn man hört, es hat noch nicht gereicht, dann fragt man nach weiteren sechs Wochen nach. Das fehlt uns eigentlich. Ich denke schon, dass da der gute Wille da ist, aber es kommen ja immer wieder neue Probleme – und bei so wichtigen Dingen, es geht ja hier nicht um eine Privatangelegenheit der Familie Buback. Es steht im Raum, der Generalbundesanwalt ist mit zwei Begleitern von Terroristen ermordet worden, und im Raum steht, dass diejenigen, die ihn umgebracht haben, die Terroristen, dafür nicht angeklagt wurden und dass sie möglicherweise Schutz und Schonung genossen haben. Und das ist schon ungeheuerlich. Und das muss, da wir heute weltweit gegen Terror kämpfen, muss das geklärt werden. Das ist auch für den Rechtsstaat wichtig.

    Barenberg: Haben denn die Bundesbehörden Sie auf dem Laufenden gehalten, haben sie Kontakt zu Ihnen aufgenommen, um Sie zu unterrichten, zu informieren über den Fortgang der weiteren Ermittlungen?

    Buback: Also wir haben jetzt zum Beispiel erfahren und mir wurde mitgeteilt, dass eine solche Hausdurchsuchung bei Verena Becker stattfindet, bereits läuft, und man hat mir auch von diesen DNA-Spuren erzählt und man hat mir auch einen Hinweis darauf gegeben, warum untersucht wird – denn das ist in der Öffentlichkeit bislang, meine ich, gar nicht direkt nachgefragt worden: Warum wurde diese Hausdurchsuchung gemacht, was hat man dort gesucht, und hat man das gefunden? Ich hörte jetzt gerade, dass ein Computer beschlagnahmt worden sei, das deckt sich auch mit dem, was ich hörte, dass wohl die Möglichkeit besteht, dass Verena Becker ihre sagen wir mal Buback-Geschichte aufgeschrieben habe. Ich wage das nicht zu hoffen, dass das wahr wäre. Das wäre letztlich ja immer der Wunsch gewesen, den ich, aber auch viele andere hätten, dass Terroristen sich nun schließlich, auch nachdem nun viele neue Informationen gekommen sind, doch dazu durchringen, die Wahrheit zu sagen und die Tatumstände aufzuklären. Also ich kann es noch nicht glauben, dass es so ist, aber ich will auch nicht diese letzte Hoffnung, dass es doch so sein könnte, aufgeben. Und ich wäre sehr glücklich, wenn ich jetzt hörte, dass es der Bundesanwaltschaft zum Beispiel gelungen ist, solche Aufzeichnungen zu finden, und würde natürlich auch gern wissen, was drin steht, und dass das auch einer Überprüfung standhält.

    Barenberg: Vielen Dank für dieses Gespräch, Michael Buback!

    Buback: Bitte!