Anne Raith: Mit Deutschkursen in Deutschland fing es an, vor 60 Jahren. Inzwischen ist das Goethe-Institut in aller Welt vernetzt, auch im Irak, oder in Nowosibirsk kann man heute Deutsch lernen. Später kam dann ein reger Kulturaustausch hinzu, Kulturbotschafter wurden in die Welt geschickt, um Lust zu machen auf die deutsche Sprache, aber auch die deutsche Kultur, auf Deutschland im Allgemeinen. Einer von ihnen ist der Kölner Musikproduzent, DJ und Autor Hans Nieswandt. Er war für das Goethe-Institut als Botschafter elektronischer Musik unterwegs. Eine Reise führte ihn zum Beispiel über Jerusalem und Ramallah nach Kairo und Beirut. Ein anderes Mal tourte er durch Australien, Neuseeland und Asien, und bis vor Kurzem saß er im Beirat Musik des Instituts. Einen schönen guten Morgen, Herr Nieswandt!
Hans Nieswandt: Schönen guten Morgen, Frau Raith!
Raith: Viele assoziieren ja heute noch mit dem Goethe-Institut eher Deutsch lernen. Waren Sie eigentlich überrascht, als man Sie als DJ dann auf die Reise schicken wollte?
Nieswandt: Nein, nicht wirklich. Erstens mal ist ja das Kulturprogramm von Goethe schon sehr lange ein wichtiger Programmpunkt, das zweite Standbein. Das ist zwar normalerweise sehr viel klassische Musik, Chöre, Kammermusik und so weiter, aber das fing schon so in den frühen 70er-Jahren an, dass auch progressive Musikthemen verschickt wurden. Dazu kommt, als ich angesprochen wurde, damals, Anfang der 90er, war ich bei der Kölner Musikzeitschrift Spex, eine sehr gute Musikzeitung, und wurde quasi zunächst mal nicht als DJ angesprochen, sondern als so eine Art Experte: also ein Experte für Techno, für elektronische Musik, für DJ-Kultur auch. Und es gab damals in Brasilia, also der Hauptstadt von Brasilien, da saß damals ein Institutsleiter, der gerade vorher, Anfang der 90er, in Berlin gewesen war und da die Love-Parade erlebt hatte und den berühmten Tresor Club und so weiter, und sofort dachte, das ist ja ein sehr spezifisches, auch deutsches Thema, das sollte man unbedingt importieren beziehungsweise exportieren, je nachdem von wo aus man schaut.
Raith: Und damit wurden Sie dann sozusagen beauftragt. Mit welchem Arbeitsauftrag, mit welcher Mission hat man Sie denn losgeschickt? Was sollten Sie tun?
Nieswandt: Bei der allerersten Reise ging es eigentlich darum, dass ich von einem brasilianischen Institut zum anderen fahre und den Institutsleitern versuche zu erklären, was es mit dieser neuartigen Technomusik auf sich hat und was daran so toll sein soll. Bei der zweiten Reise ein Jahr später, wieder durch Brasilien, da war dann schon das bis heute gültige Konzept, nämlich Goethe versteht sich eigentlich ja nicht als Konzertagentur. Es geht nicht darum, dass man jetzt Auftritte für Künstler aus Deutschland organisiert, sondern im großen und im Allgemeinen müssen diese Künstler noch ein bisschen mehr machen: das heißt Workshops, Vorträge, mit einheimischen Leuten vor Ort zusammen Musik produzieren und so weiter und so fort. Also es ist meistens dann eben auch nicht nur, dass man eine Nacht irgendwo ist, sondern gerne mal eine ganze Woche oder zwei Wochen, je nachdem wie aufwendig das ausgedachte Projekt sich darstellt.
Raith: Hat man Sie denn als Kulturbotschafter sozusagen wahrgenommen durch das ganze Programm, oder war man jetzt primär an der Musik, an den Partys, am DJ interessiert?
Nieswandt: Diese DJ-Angebote, die Goethe macht, die finden ja oft, sagen wir mal, wenn wir jetzt von so einem Ort wie Brasilia in Brasilien, oder auch Bethlehem im Westjordanland reden, dann sind das ja keine Orte, wo jetzt ständig DJs aufkreuzen, wo das ganz normal ist, dass da irgendwelche Leute in Clubs spielen, sondern das ist dann auch für die örtliche Jugend und die örtlichen Studenten und so weiter schon eine Riesensache und die sind oft auch, gerade jetzt in Zeiten des Internets, extrem gut informiert. Man wird dann als Kulturbotschafter vor allem vielleicht vom jeweiligen deutschen Botschafter wahrgenommen, aber von dem örtlichen Publikum her ist es eigentlich fast schon ganz normal wie hier.
Raith: Aber haben Sie denn den Eindruck, dass man sich über die Musik, über die Workshops tatsächlich näher kommt, dass sozusagen deutsche Kultur besser vermittelt wird und Sie auch was über die Kulturen, die Sie besuchen, lernen?
Nieswandt: Ja. Ich persönlich lerne natürlich unendlich viel. Das ist so vielfältig und interessant, gerade in Gegenden, wo die Infrastruktur, oder auch nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die allgemeine Lebenslage weitaus komplizierter oder gar riskanter ist als hier. Und umgekehrt ist mir eben auch stark aufgefallen, was für ein positives Bild von Deutschland vielerorts dann herrscht. Gerade wenn es jetzt darum geht, dass man diese Musikkultur mitbringt, dann merkt man erst, dass die Leute Deutschland für so ein ganz frisches und junges Land irgendwie halten. Na ja, ein insgesamt sehr positives Bild ergibt sich da.
Raith: Gibt es Reaktionen oder Geschichten, die Ihnen von Ihren ganzen Reisen jetzt immer noch im Gedächtnis geblieben sind, die Sie so überrascht haben oder wo es vielleicht kulturelle Missverständnisse, Unterschiede gab?
Nieswandt: Ja. Sehr seltsam und wirklich nicht alltäglich war natürlich tatsächlich meine Reise durch Israel und durch die palästinensischen Autonomiegebiete. Das ist ja getrennt. Das Goethe-Institut von Ramallah gehört zur Region Naher Osten, während die Institute in Israel zur Region östliches Südeuropa gehören. Das heißt, ich habe dann die ganze Zeit immer verschiedene Checkpoints überqueren müssen und so weiter, wenn man dort so hin- und herfährt, und das Problem war, dass es im Westjordanland aber keine Schallplattenspieler zu mieten gab, weswegen ich dann eine große Konsole aus Deutschland mitgebracht habe, die lustigerweise so ungefähr die Formate von einem Sarg hatte, ein langer, schwerer Kasten, den wir dann in einem offenen Jeep durch die Gegend fahren mussten, weil der Goethe-Van leider noch im Zoll feststeckte. Und dann sind wir natürlich ständig kontrolliert worden und eines meiner spektakulärsten DJ-Erlebnisse war tatsächlich, wie an so einem israelischen Checkpoint die Soldaten sich dann bei mir erkundigten, mit vorgehaltener Waffe wohl gemerkt, ob ich auch Trance spiele.
Raith: Und dann haben Sie Trance gespielt?
Nieswandt: Da ich vorher schon gehört hatte, dass Trance gerade in Tel Aviv sehr beliebt ist, habe ich dann einfach gesagt, dass ich kein Problem mit Trance habe. Das stimmte natürlich nicht wirklich, aber in dem Moment habe ich es dann nicht so darauf ankommen lassen.
Raith: Trance, muss man noch nachschieben, ist ein spezieller Musikstil. – Der Kölner Musikproduzent, DJ und Autor Hans Nieswandt, der als Botschafter für elektronische Musik aus Deutschland für das Goethe-Institut unterwegs war - und das feiert heute seinen 60. Geburtstag. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Nieswandt.
Nieswandt: Danke schön! Ich danke Ihnen.
Hans Nieswandt: Schönen guten Morgen, Frau Raith!
Raith: Viele assoziieren ja heute noch mit dem Goethe-Institut eher Deutsch lernen. Waren Sie eigentlich überrascht, als man Sie als DJ dann auf die Reise schicken wollte?
Nieswandt: Nein, nicht wirklich. Erstens mal ist ja das Kulturprogramm von Goethe schon sehr lange ein wichtiger Programmpunkt, das zweite Standbein. Das ist zwar normalerweise sehr viel klassische Musik, Chöre, Kammermusik und so weiter, aber das fing schon so in den frühen 70er-Jahren an, dass auch progressive Musikthemen verschickt wurden. Dazu kommt, als ich angesprochen wurde, damals, Anfang der 90er, war ich bei der Kölner Musikzeitschrift Spex, eine sehr gute Musikzeitung, und wurde quasi zunächst mal nicht als DJ angesprochen, sondern als so eine Art Experte: also ein Experte für Techno, für elektronische Musik, für DJ-Kultur auch. Und es gab damals in Brasilia, also der Hauptstadt von Brasilien, da saß damals ein Institutsleiter, der gerade vorher, Anfang der 90er, in Berlin gewesen war und da die Love-Parade erlebt hatte und den berühmten Tresor Club und so weiter, und sofort dachte, das ist ja ein sehr spezifisches, auch deutsches Thema, das sollte man unbedingt importieren beziehungsweise exportieren, je nachdem von wo aus man schaut.
Raith: Und damit wurden Sie dann sozusagen beauftragt. Mit welchem Arbeitsauftrag, mit welcher Mission hat man Sie denn losgeschickt? Was sollten Sie tun?
Nieswandt: Bei der allerersten Reise ging es eigentlich darum, dass ich von einem brasilianischen Institut zum anderen fahre und den Institutsleitern versuche zu erklären, was es mit dieser neuartigen Technomusik auf sich hat und was daran so toll sein soll. Bei der zweiten Reise ein Jahr später, wieder durch Brasilien, da war dann schon das bis heute gültige Konzept, nämlich Goethe versteht sich eigentlich ja nicht als Konzertagentur. Es geht nicht darum, dass man jetzt Auftritte für Künstler aus Deutschland organisiert, sondern im großen und im Allgemeinen müssen diese Künstler noch ein bisschen mehr machen: das heißt Workshops, Vorträge, mit einheimischen Leuten vor Ort zusammen Musik produzieren und so weiter und so fort. Also es ist meistens dann eben auch nicht nur, dass man eine Nacht irgendwo ist, sondern gerne mal eine ganze Woche oder zwei Wochen, je nachdem wie aufwendig das ausgedachte Projekt sich darstellt.
Raith: Hat man Sie denn als Kulturbotschafter sozusagen wahrgenommen durch das ganze Programm, oder war man jetzt primär an der Musik, an den Partys, am DJ interessiert?
Nieswandt: Diese DJ-Angebote, die Goethe macht, die finden ja oft, sagen wir mal, wenn wir jetzt von so einem Ort wie Brasilia in Brasilien, oder auch Bethlehem im Westjordanland reden, dann sind das ja keine Orte, wo jetzt ständig DJs aufkreuzen, wo das ganz normal ist, dass da irgendwelche Leute in Clubs spielen, sondern das ist dann auch für die örtliche Jugend und die örtlichen Studenten und so weiter schon eine Riesensache und die sind oft auch, gerade jetzt in Zeiten des Internets, extrem gut informiert. Man wird dann als Kulturbotschafter vor allem vielleicht vom jeweiligen deutschen Botschafter wahrgenommen, aber von dem örtlichen Publikum her ist es eigentlich fast schon ganz normal wie hier.
Raith: Aber haben Sie denn den Eindruck, dass man sich über die Musik, über die Workshops tatsächlich näher kommt, dass sozusagen deutsche Kultur besser vermittelt wird und Sie auch was über die Kulturen, die Sie besuchen, lernen?
Nieswandt: Ja. Ich persönlich lerne natürlich unendlich viel. Das ist so vielfältig und interessant, gerade in Gegenden, wo die Infrastruktur, oder auch nicht nur die Infrastruktur, sondern auch die allgemeine Lebenslage weitaus komplizierter oder gar riskanter ist als hier. Und umgekehrt ist mir eben auch stark aufgefallen, was für ein positives Bild von Deutschland vielerorts dann herrscht. Gerade wenn es jetzt darum geht, dass man diese Musikkultur mitbringt, dann merkt man erst, dass die Leute Deutschland für so ein ganz frisches und junges Land irgendwie halten. Na ja, ein insgesamt sehr positives Bild ergibt sich da.
Raith: Gibt es Reaktionen oder Geschichten, die Ihnen von Ihren ganzen Reisen jetzt immer noch im Gedächtnis geblieben sind, die Sie so überrascht haben oder wo es vielleicht kulturelle Missverständnisse, Unterschiede gab?
Nieswandt: Ja. Sehr seltsam und wirklich nicht alltäglich war natürlich tatsächlich meine Reise durch Israel und durch die palästinensischen Autonomiegebiete. Das ist ja getrennt. Das Goethe-Institut von Ramallah gehört zur Region Naher Osten, während die Institute in Israel zur Region östliches Südeuropa gehören. Das heißt, ich habe dann die ganze Zeit immer verschiedene Checkpoints überqueren müssen und so weiter, wenn man dort so hin- und herfährt, und das Problem war, dass es im Westjordanland aber keine Schallplattenspieler zu mieten gab, weswegen ich dann eine große Konsole aus Deutschland mitgebracht habe, die lustigerweise so ungefähr die Formate von einem Sarg hatte, ein langer, schwerer Kasten, den wir dann in einem offenen Jeep durch die Gegend fahren mussten, weil der Goethe-Van leider noch im Zoll feststeckte. Und dann sind wir natürlich ständig kontrolliert worden und eines meiner spektakulärsten DJ-Erlebnisse war tatsächlich, wie an so einem israelischen Checkpoint die Soldaten sich dann bei mir erkundigten, mit vorgehaltener Waffe wohl gemerkt, ob ich auch Trance spiele.
Raith: Und dann haben Sie Trance gespielt?
Nieswandt: Da ich vorher schon gehört hatte, dass Trance gerade in Tel Aviv sehr beliebt ist, habe ich dann einfach gesagt, dass ich kein Problem mit Trance habe. Das stimmte natürlich nicht wirklich, aber in dem Moment habe ich es dann nicht so darauf ankommen lassen.
Raith: Trance, muss man noch nachschieben, ist ein spezieller Musikstil. – Der Kölner Musikproduzent, DJ und Autor Hans Nieswandt, der als Botschafter für elektronische Musik aus Deutschland für das Goethe-Institut unterwegs war - und das feiert heute seinen 60. Geburtstag. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Nieswandt.
Nieswandt: Danke schön! Ich danke Ihnen.