Friedbert Meurer: Der Papst auf Lampedusa – Papst Franziskus hat gestern auf der italienischen Ferieninsel, die ja auch gleichzeitig eine Flüchtlingsinsel ist, eine Messe gehalten, vor Tausenden von Einwohnern und Migranten, ein Zeichen der Solidarität für die Flüchtlinge. Anschließend hat sich der Papst von der Küstenwache aufs offene Meer fahren lassen, um einen Kranz ins Wasser zu werfen, in Trauer für 20.000 in den letzten 15 bis 20 Jahren geschätzt ertrunkene Flüchtlinge.
Peter Neher: Ich denke, dass das ist ein ganz wichtiges starkes Signal des Papstes ist, der uns auf die Not dieser Menschen aufmerksam macht, aber mehr noch auf die Not zwischen dem sogenannten reichen Norden und dem armen Süden. Es ist ganz vergleichbar der Grenze USA zu Mexiko, was ich mir erst vor einer guten Woche dort selber angeschaut habe. Bei uns ist es das Mittelmeer, die Amerikaner bauen eine Mauer. Ich denke, da schotten sich die reichen Nationen ab gegenüber denen, die in Elend und Not leben.
Thielko Grieß: Nun hat der Papst es aber so formuliert, dass er gesagt hat, wir haben uns an das Leiden gewöhnt. Er hat keine Ausnahmen genannt, auch nicht die Hilfsorganisationen. Gilt seine Klage also auch zum Beispiel der Caritas?
Neher: Das kann ich so für uns auch nicht annehmen und ich glaube, so hat er es auch nicht gemeint. Denn gerade die Caritas Italiana engagiert sich seit vielen Jahren gerade für die Flüchtlinge auf Lampedusa. Sie berät und begleitet die Flüchtlinge bei Rechtsfragen, Schulbesuch der Kinder, versorgt die Flüchtlinge mit Hygieneartikeln. Der Deutsche Caritasverband engagiert sich seit vielen Jahren in den Herkunftsländern in Afrika, Äthiopien, Mali, im Kongo, um dort für wirtschaftliche, soziale Entwicklung einzutreten, und aber auch gleichzeitig bei uns eine Willkommenskultur auch stärker zu fördern. Insofern denke ich, dass gerade die kirchlichen Organisationen die sind, die hier seit vielen Jahren ihr best mögliches versuchen, aber wir gerade bei der Politik oft auf taube Ohren und verschlossene Augen stoßen.
Grieß: Sind Sie ganz sicher, dass der Papst das so gemeint hat, dass es so verstanden werden sollte, dass die einen sagen, wir tun genug und wir zeigen auf in dem Fall die Politik?
Neher: Ich weiß nicht, was der Papst im einzelnen gemeint hat. Ich bin ja auch nicht sein Interpret. Aber ich kann nur sagen, das was die Caritas in Italien und wir in Deutschland dafür tun, das ist mit einem hohen Engagement, und gleichzeitig ist es sicherlich auch ein mahnendes Wort. Das würde ich auch gerne für uns aufnehmen, falls der Eindruck entstünde, wir hätten uns vielleicht zu sehr daran gewöhnt, an diese Bilder. Vielleicht haben wir auch zu wenig nachdrücklich die Gesellschaft immer wieder darauf hingewiesen, was hier eigentlich an Tragödien abläuft, und vielleicht müssen wir auch der Politik gegenüber noch penetranter sein. Das will ich gerne aufnehmen, denn die Not der Gesichter und die Tragik dieser Ereignisse im Mittelmeer, vielleicht ist es wirklich so, dass wir uns alle zu sehr daran gewöhnt haben. Ich will es gerne aufnehmen und gleichzeitig sage ich, wir tun viel, um hier für bessere Bedingungen einzutreten.
Grieß: Wen will das Kirchenoberhaupt aufrütteln?
Neher: Ich glaube, es ist schon ein Aufrütteln von allen, die hier in irgendeiner Weise Verantwortung tragen, sei es die Politik, aber auch die Gesellschaft. Gerade hier in Deutschland, glaube ich, haben wir oft sehr schnell Angst, es könnten zu viele Flüchtlinge kommen und die Flüchtlinge könnten uns ja nur ausnutzen wollen und könnten nur unsere wirtschaftlichen Segnungen in Anspruch nehmen. Da, glaube ich, sagt der Papst ein klares Signal und sagt, Leute, guckt mal, was da eigentlich an Tragödien abläuft, tut ihr denn genügend, damit die Menschen in ihren Herkunftsländern eine Zukunft haben, und sorgt ihr für faire Bedingungen, um ihre Ansprüche auch sorgfältig zu prüfen, sind die Unterkünfte menschenwürdig, die ihnen dann auch das entsprechende Verfahren ermöglichen. Ich glaube, es ist schon eine provokante Aussage des Papstes, die jeder in seiner Weise, in seinem Arbeitsfeld und auch in seinem Lebensumfeld, glaube ich, sehr ernst aufnehmen sollte.
Grieß: Versuchen wir, das vielleicht ein Stück weit noch zu konkretisieren. Wo sehen Sie die entscheidenden Defizite in der europäischen, denn es ist ja eine gesamteuropäische Angelegenheit, Asylpolitik?
Neher: Ich denke, ein menschenwürdiges Grenzschutzsystem darf nie nur auf den Schutz der Grenzen abstellen, sondern muss auf den Schutz der Personen ausgerichtet sein, und dazu gehört eben, dass die Unterkünfte menschenwürdig sein müssen, dass es einen Zugang zu einem fairen Verfahren gibt. Schauen Sie, der Europäische Menschengerichtshof hat bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass die auf See aufgegriffenen Migranten nicht ohne Prüfung von Ansprüchen, auf internationalen Schutz wieder zurückgewiesen werden dürfen. Das sind, glaube ich, sehr konkrete Fragestellungen, die sich die Politik hier gefallen lassen muss, die dann aber immer auch unterstützt werden durch Stimmungen in der Bevölkerung. Und solange es möglich ist, mit Vorwürfen von Schmarotzertum an Migranten im Inland zu punkten, solange wird sich auch an diesen dramatischen Situationen nichts ändern. Da, glaube ich, weist der Papst zurecht darauf hin.
Grieß: Die große Mehrheit der EU-Staaten hat sich ja im vergangenen Monat ein neues Asylrecht gegeben, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Darin enthalten ist zum Beispiel ja mehr Rechtsbeistand oder einheitliche Kriterien, wer aus politischen, religiösen oder anderen Gründen dann Asyl bekommen kann. Es gibt auch mehr Anspruch für Betreuung, für Folteropfer zum Beispiel oder unbegleitete Minderjährige. Die Europäische Union kann sich ja dann doch auf höhere Standards einigen, unbeachtet der Populismen, die Sie gerade ansprachen.
Neher: Das ist richtig. Aber Sie sagen zurecht, es war erst vor Kkurzem, und die Rechtslage damit ist, glaube ich, geschaffen und es ist ein wichtiger Schritt, der mit diesem Integrationsgesetz vorangebracht wurde, der aber jetzt in den entsprechenden Ländern, bei uns allen auch umgesetzt werden muss. Da glaube ich, dass es schon noch weite Wege sind, in den unterschiedlichen Ländern unterschiedlich weit, aber wir alle haben dafür einiges zu tun, dass das, was in dem Gesetz steht an positiven Ansätzen, wie Sie es genannt haben, auch umgesetzt wird.
Meurer: Der Papst hat die Flüchtlingsinsel Lampedusa besucht – das war ein Interview, das mein Kollege Thielko Grieß geführt hat, gestern am späten Abend mit Peter Neher, dem Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Peter Neher: Ich denke, dass das ist ein ganz wichtiges starkes Signal des Papstes ist, der uns auf die Not dieser Menschen aufmerksam macht, aber mehr noch auf die Not zwischen dem sogenannten reichen Norden und dem armen Süden. Es ist ganz vergleichbar der Grenze USA zu Mexiko, was ich mir erst vor einer guten Woche dort selber angeschaut habe. Bei uns ist es das Mittelmeer, die Amerikaner bauen eine Mauer. Ich denke, da schotten sich die reichen Nationen ab gegenüber denen, die in Elend und Not leben.
Thielko Grieß: Nun hat der Papst es aber so formuliert, dass er gesagt hat, wir haben uns an das Leiden gewöhnt. Er hat keine Ausnahmen genannt, auch nicht die Hilfsorganisationen. Gilt seine Klage also auch zum Beispiel der Caritas?
Neher: Das kann ich so für uns auch nicht annehmen und ich glaube, so hat er es auch nicht gemeint. Denn gerade die Caritas Italiana engagiert sich seit vielen Jahren gerade für die Flüchtlinge auf Lampedusa. Sie berät und begleitet die Flüchtlinge bei Rechtsfragen, Schulbesuch der Kinder, versorgt die Flüchtlinge mit Hygieneartikeln. Der Deutsche Caritasverband engagiert sich seit vielen Jahren in den Herkunftsländern in Afrika, Äthiopien, Mali, im Kongo, um dort für wirtschaftliche, soziale Entwicklung einzutreten, und aber auch gleichzeitig bei uns eine Willkommenskultur auch stärker zu fördern. Insofern denke ich, dass gerade die kirchlichen Organisationen die sind, die hier seit vielen Jahren ihr best mögliches versuchen, aber wir gerade bei der Politik oft auf taube Ohren und verschlossene Augen stoßen.
Grieß: Sind Sie ganz sicher, dass der Papst das so gemeint hat, dass es so verstanden werden sollte, dass die einen sagen, wir tun genug und wir zeigen auf in dem Fall die Politik?
Neher: Ich weiß nicht, was der Papst im einzelnen gemeint hat. Ich bin ja auch nicht sein Interpret. Aber ich kann nur sagen, das was die Caritas in Italien und wir in Deutschland dafür tun, das ist mit einem hohen Engagement, und gleichzeitig ist es sicherlich auch ein mahnendes Wort. Das würde ich auch gerne für uns aufnehmen, falls der Eindruck entstünde, wir hätten uns vielleicht zu sehr daran gewöhnt, an diese Bilder. Vielleicht haben wir auch zu wenig nachdrücklich die Gesellschaft immer wieder darauf hingewiesen, was hier eigentlich an Tragödien abläuft, und vielleicht müssen wir auch der Politik gegenüber noch penetranter sein. Das will ich gerne aufnehmen, denn die Not der Gesichter und die Tragik dieser Ereignisse im Mittelmeer, vielleicht ist es wirklich so, dass wir uns alle zu sehr daran gewöhnt haben. Ich will es gerne aufnehmen und gleichzeitig sage ich, wir tun viel, um hier für bessere Bedingungen einzutreten.
Grieß: Wen will das Kirchenoberhaupt aufrütteln?
Neher: Ich glaube, es ist schon ein Aufrütteln von allen, die hier in irgendeiner Weise Verantwortung tragen, sei es die Politik, aber auch die Gesellschaft. Gerade hier in Deutschland, glaube ich, haben wir oft sehr schnell Angst, es könnten zu viele Flüchtlinge kommen und die Flüchtlinge könnten uns ja nur ausnutzen wollen und könnten nur unsere wirtschaftlichen Segnungen in Anspruch nehmen. Da, glaube ich, sagt der Papst ein klares Signal und sagt, Leute, guckt mal, was da eigentlich an Tragödien abläuft, tut ihr denn genügend, damit die Menschen in ihren Herkunftsländern eine Zukunft haben, und sorgt ihr für faire Bedingungen, um ihre Ansprüche auch sorgfältig zu prüfen, sind die Unterkünfte menschenwürdig, die ihnen dann auch das entsprechende Verfahren ermöglichen. Ich glaube, es ist schon eine provokante Aussage des Papstes, die jeder in seiner Weise, in seinem Arbeitsfeld und auch in seinem Lebensumfeld, glaube ich, sehr ernst aufnehmen sollte.
Grieß: Versuchen wir, das vielleicht ein Stück weit noch zu konkretisieren. Wo sehen Sie die entscheidenden Defizite in der europäischen, denn es ist ja eine gesamteuropäische Angelegenheit, Asylpolitik?
Neher: Ich denke, ein menschenwürdiges Grenzschutzsystem darf nie nur auf den Schutz der Grenzen abstellen, sondern muss auf den Schutz der Personen ausgerichtet sein, und dazu gehört eben, dass die Unterkünfte menschenwürdig sein müssen, dass es einen Zugang zu einem fairen Verfahren gibt. Schauen Sie, der Europäische Menschengerichtshof hat bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass die auf See aufgegriffenen Migranten nicht ohne Prüfung von Ansprüchen, auf internationalen Schutz wieder zurückgewiesen werden dürfen. Das sind, glaube ich, sehr konkrete Fragestellungen, die sich die Politik hier gefallen lassen muss, die dann aber immer auch unterstützt werden durch Stimmungen in der Bevölkerung. Und solange es möglich ist, mit Vorwürfen von Schmarotzertum an Migranten im Inland zu punkten, solange wird sich auch an diesen dramatischen Situationen nichts ändern. Da, glaube ich, weist der Papst zurecht darauf hin.
Grieß: Die große Mehrheit der EU-Staaten hat sich ja im vergangenen Monat ein neues Asylrecht gegeben, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Darin enthalten ist zum Beispiel ja mehr Rechtsbeistand oder einheitliche Kriterien, wer aus politischen, religiösen oder anderen Gründen dann Asyl bekommen kann. Es gibt auch mehr Anspruch für Betreuung, für Folteropfer zum Beispiel oder unbegleitete Minderjährige. Die Europäische Union kann sich ja dann doch auf höhere Standards einigen, unbeachtet der Populismen, die Sie gerade ansprachen.
Neher: Das ist richtig. Aber Sie sagen zurecht, es war erst vor Kkurzem, und die Rechtslage damit ist, glaube ich, geschaffen und es ist ein wichtiger Schritt, der mit diesem Integrationsgesetz vorangebracht wurde, der aber jetzt in den entsprechenden Ländern, bei uns allen auch umgesetzt werden muss. Da glaube ich, dass es schon noch weite Wege sind, in den unterschiedlichen Ländern unterschiedlich weit, aber wir alle haben dafür einiges zu tun, dass das, was in dem Gesetz steht an positiven Ansätzen, wie Sie es genannt haben, auch umgesetzt wird.
Meurer: Der Papst hat die Flüchtlingsinsel Lampedusa besucht – das war ein Interview, das mein Kollege Thielko Grieß geführt hat, gestern am späten Abend mit Peter Neher, dem Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.