Nach Christoph Loys eingehender Analyse ist Arabella eben keine verwöhnte Adelstussi, deren Problemchen sich nach allzu viel Walzerseeligkeit und ein wenig Ball-Kater in Wohlgefallen auflösen. Mehr noch, Loys belegt den zunächst kühn klingenden Satz, dass Arabella Züge einer "bürgerlichen Salome" trägt, tatsächlich durch seine hoch differenzierte Personenregie: Keine der großen Rollenvorgängerinnen zeigte so nachvollziehbar wie nun Anne Schwanewillms, dass Arabella tanzend mit den sie umgebenden Männern spielt und ihre Wirkung teils gelangweilt, teils amüsiert genießt. Dabei gefährdet sie sich und diese Männer fast existentiell, etwa den Leutnant Matteo bis zur Pistole an der Stirn oder den kleinen Grafen Elemer zur rasant gefährlichen Kutschfahrt. Als mit Mandryka der "Richtige" aufgetaucht ist, bleibt sie glasklar, entschieden, sogar nach kurzer Enttäuschung unbeirrt bei der getroffenen Wahl.
Schon allein damit befreite Loy das bislang oft wegen seiner operettenhaften Handlung abqualifizierte Werk von aller Reduzierung auf die von Richard Strauss ja höchst gekonnt gelieferte "schöne Musi". Zu erleben war ein Gesellschaftsdrama aus krisenhafter Zeit - und die Parallelen sind frappierend: Strauss-Hofmannsthal beschwören ein Wien nach 1860, als die Industrialisierung den Adel verarmen ließ und 1873 alle in die "Gründerkrise" stürzten; ihr Werk entsteht in den Jahren um die Weltwirtschaftskrise 1929, wird 1933 uraufgeführt und von den Nazis als Beleg für ihre "deutsche Hochkultur" vereinnahmt. Und eine Familie Graf Waldner, die äußerlich ihre Fassade aufrechterhält, sich wie immer auf Society-Events zeigt, während dahinter die Konten leer sind - das ist 2009 unsere "Arabella"-Realität ...
Ganz folgerichtig war, dass Robert Haywards Mandryka zwar mit seiner Wotan-Stimme beeindruckte, aber eben keinen Frack trug, sondern durchweg im schwarzen Anzug mit zwei unauffälligen Bodyguards auftrat - ein Fremder in der Party-Szene. Diese überlegte Personenzeichnung gipfelte in einer Persönlichkeitsspaltung: die verheimlichte zweite Tochter Zdenka hat ihre Jungenrolle als "Zdenko" gänzlich akzeptiert - wenn da nicht die pubertären Eruptionen wären... das mündete in eine atemverschlagenden Szene, als Zdenka alle Verwirrungen auflöste, ihr langes Frauenhaar von der Mütze befreite, das Jackett auszog, vor allen buchstäblich die Hosen herunterließ und als Mädchen im kleinen Schwarzen dastand, in dem sie Stunden zuvor den heimlich geliebten Matteo als falsche Arabella verführt hatte. Britta Stallmeister gelang dies in anrührenden Tönen, gezielt "verdrücktem" Gehabe - und das brachte ihr die größte Ovation ein. Zusammen mit einem auch sonst bestechend ausdifferenziertem Ensemble bewies GMD Sebastian Weigle, dass er ein "Musiktheater-Dirigent" ist: mit schlankem, die Kompositionsraffinessen als seelische Nuancen vorführendem Orchesterklang parallel zum Kammerspiel auf der Bühne, mit Sinn fürs pseudodramatische Aufbrausen und mit Feuer für die wirklich großen Gefühle des Schlusses. Damit noch nicht genug: Ausstatter Herbert Murauer bescherte zwei unvergessliche Szenen. Zunächst waren in seinem weißen Guckkasten durch Schiebewände jeweils hinten die unterschiedlichen weißen Räume aufgetaucht, mit wenigen Details die Situation ganz realistisch charakterisierend.
Doch als Arabella sich im 1. Akt an den geheimnisvollen Fremden erinnert, tritt sie durch eine Tür ins schwarze Nichts, in eine unbekannte neue Existenz ... und genau dahin brechen am Schluss auch sie und Mandryka auf: losgelöst von der bisherigen mies-schicken Realität in ein neu zu gestaltendes Miteinander im dunklen Unbekannten - zunächst atemverschlagend, dann Jubel im Publikum auslösend. So gesehen, ist "Arabella" keine zuckersüß banale Strauss-Oper.
Schon allein damit befreite Loy das bislang oft wegen seiner operettenhaften Handlung abqualifizierte Werk von aller Reduzierung auf die von Richard Strauss ja höchst gekonnt gelieferte "schöne Musi". Zu erleben war ein Gesellschaftsdrama aus krisenhafter Zeit - und die Parallelen sind frappierend: Strauss-Hofmannsthal beschwören ein Wien nach 1860, als die Industrialisierung den Adel verarmen ließ und 1873 alle in die "Gründerkrise" stürzten; ihr Werk entsteht in den Jahren um die Weltwirtschaftskrise 1929, wird 1933 uraufgeführt und von den Nazis als Beleg für ihre "deutsche Hochkultur" vereinnahmt. Und eine Familie Graf Waldner, die äußerlich ihre Fassade aufrechterhält, sich wie immer auf Society-Events zeigt, während dahinter die Konten leer sind - das ist 2009 unsere "Arabella"-Realität ...
Ganz folgerichtig war, dass Robert Haywards Mandryka zwar mit seiner Wotan-Stimme beeindruckte, aber eben keinen Frack trug, sondern durchweg im schwarzen Anzug mit zwei unauffälligen Bodyguards auftrat - ein Fremder in der Party-Szene. Diese überlegte Personenzeichnung gipfelte in einer Persönlichkeitsspaltung: die verheimlichte zweite Tochter Zdenka hat ihre Jungenrolle als "Zdenko" gänzlich akzeptiert - wenn da nicht die pubertären Eruptionen wären... das mündete in eine atemverschlagenden Szene, als Zdenka alle Verwirrungen auflöste, ihr langes Frauenhaar von der Mütze befreite, das Jackett auszog, vor allen buchstäblich die Hosen herunterließ und als Mädchen im kleinen Schwarzen dastand, in dem sie Stunden zuvor den heimlich geliebten Matteo als falsche Arabella verführt hatte. Britta Stallmeister gelang dies in anrührenden Tönen, gezielt "verdrücktem" Gehabe - und das brachte ihr die größte Ovation ein. Zusammen mit einem auch sonst bestechend ausdifferenziertem Ensemble bewies GMD Sebastian Weigle, dass er ein "Musiktheater-Dirigent" ist: mit schlankem, die Kompositionsraffinessen als seelische Nuancen vorführendem Orchesterklang parallel zum Kammerspiel auf der Bühne, mit Sinn fürs pseudodramatische Aufbrausen und mit Feuer für die wirklich großen Gefühle des Schlusses. Damit noch nicht genug: Ausstatter Herbert Murauer bescherte zwei unvergessliche Szenen. Zunächst waren in seinem weißen Guckkasten durch Schiebewände jeweils hinten die unterschiedlichen weißen Räume aufgetaucht, mit wenigen Details die Situation ganz realistisch charakterisierend.
Doch als Arabella sich im 1. Akt an den geheimnisvollen Fremden erinnert, tritt sie durch eine Tür ins schwarze Nichts, in eine unbekannte neue Existenz ... und genau dahin brechen am Schluss auch sie und Mandryka auf: losgelöst von der bisherigen mies-schicken Realität in ein neu zu gestaltendes Miteinander im dunklen Unbekannten - zunächst atemverschlagend, dann Jubel im Publikum auslösend. So gesehen, ist "Arabella" keine zuckersüß banale Strauss-Oper.