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"Ein gewisser Optimismus ist schon angebracht"

Medizin. - Die Immunschwächekrankheit Aids hat ihren Schrecken noch lange nicht verloren. Medikamente können das Virus jahre-, manchmal sogar jahrzehntelang in Schach halten, doch sie haben Nebenwirkungen. Das Herzinfarktrisiko steigt, Nierenschädigungen drohen und die Knochen verlieren mit der Zeit an Masse. Deshalb suchen Forscher nach Alternativen. Eine solche wurde heute im Magazin "Science Translational Medicine" vorgestellt. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet darüber im Gespräch mit Monika Seynsche.

Martin Winkelheide im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Seynsche: Herr Winkelheide, was haben die Forscher da genau gemacht?

    Winkelheide: Sie haben so eine Art therapeutischer Impfung ausprobiert. Also das ist keine Schutzimpfung im eigentlichen Sinne, die ja vor einer Ansteckung schützen soll, sondern es ist eine Impfung, die helfen soll, das Virus unter Kontrolle zu bringen bei Menschen, die schon HIV-positiv sind, also die sich mit dem HI-Virus angesteckt haben. Und sie haben dazu Zellen im Labor manipuliert. Sie haben zunächst einmal von jedem Patienten unreife Zellen des blutbildenden Systems genommen und sie heranreifen lassen zu eben speziellen Immunzellen, so genannten dendritischen Zellen. Das ist so, das sind so ungefähr die Dirigenten des Immunsystems. also die zeigen den anderen Zellen des Immunsystems, was sie erkennen sollen und was sie angreifen sollen. Das ist wichtig vor allem wenn es darum geht, mit Viren infizierte Zellen zu erkennen und abzutöten. Und damit die dendritischen Zellen ihren Job sozusagen richtig gut machen, haben sie sie beladen mit abgetöteten Aidsviren. Also Viren, die nicht mehr krank machen können, die nicht mehr ansteckend sind und die sich auch nicht mehr vermehren können. Aber wichtig ist, und das war das Besondere bei diesem Versuch: Sie haben die HI-Viren jeweils von den Patienten, die sie geimpft haben, auch genommen. Und diese manipulierten Zellen sind dann dreimal gespritzt worden im Abstand von zwölf Wochen.

    Seynsche: Und hat das funktioniert?

    Winkelheide: Erstaunlich gut auf der einen Seite und deutlich schlechter als erhofft, das muss man auch sagen. Also das eigentlich Ziel war ja, Medikamente über eine lange Zeit überflüssig zu machen. Das Ziel wurde nicht erreicht. Aber man hat gesehen: So eine Behandlung mit den dendritischen Zellen, die ist sicher, es gibt keine gravierenden Nebenwirkungen. Rötungen an der Einstichstelle gibt es schon, manchmal sind auch die Lymphknoten etwas dicker, aber immerhin ist es gelungen, dass dem Immunsystem beigebracht worden ist, wie infizierte Zellen aussehen, und die Zahl der Viren im Körper hat auch zunächst mal deutlich abgenommen. Also man sieht in der Studie: Innerhalb der ersten zwölf Wochen fällt die Zahl der Viren dramatisch ab, und das ist schon mal ein großer Fortschritt, das hat man bei anderen Studien mit ähnlichen Ansätzen bislang noch nicht so gesehen. Aber, Problem: spätestens nach einer halben Jahr steigt die Zahl der Viren im Körper wieder an und auch in einem Maß an, dass man sagen kann: Nein, also das schafft der Körper alleine nicht mehr, das Virus unter Kontrolle zu halten.

    Seynsche: Und wie kommt das? Warum hält dieser Schutzeffekt nicht länger an?

    Winkelheide: Wenn man das wüsste. Das wäre eine nobelpreisverdächtige Frage. Das ist überhaupt das große Problem bei diesem Immuntherapien: Man weiß eigentlich noch gar nicht so richtig, welchen Immunschutz man… Also welches Ziel man eigentlich erreichen will. Also, man kann es noch nicht in Laborwerten ausdrücken. Man weiß von Menschen, die von Natur aus das Virus gut kontrollieren können, dass die eben besonders aktive Immunzellen haben, so genannte CD8-Zellen. und auch genau die werden hier ins Spiel gebracht. Aber wie man die dazu bringen kann, dass sie dauerhaft aktiv sind und das Virus bekämpfen, das ist eben unklar.

    Seynsche: Wie schätzen Sie denn die Sache ein? Könnte man mit so einer Immuntherapie langfristig die Medikamente weglassen, wenn sie denn weiterentwickelt wird?

    Winkelheide: Also man hat zunächst einmal gezeigt, dass der Ansatz im Prinzip funktionieren könnte. Aber ich glaube, man muss ihn noch schlauer machen. Man muss zum einen wahrscheinlich erst einmal mit Medikamenten behandeln und dafür sorgen, dass möglichst wenig Viren im Körper drin sind, dann solch eine Immuntherapie machen, und wahrscheinlich muss man noch zusätzlich zu den drei Impfungen noch Verstärker geben, so genannte Booster, die dafür sorgen, dass das Immunsystem richtig auf Trab kommt. Und dann allerdings muss man auch dafür sorgen, dass man diesen Ansatz, der ist der bislang nur an 36 Patienten ausprobiert worden, dass man diesen Versuch mit möglichst vielen Patienten noch einmal wiederholt. Und dann kann man endgültig sagen ob es funktioniert oder nicht. Aber ich glaube, ein gewisser Optimismus ist schon angebracht.