Dirk Müller: Der Druck ist enorm auf den Verteidigungsminister, auch wohl aus den eigenen Reihen inzwischen. 500 Millionen oder 600 Millionen Euro – wer weiß das schon so genau – einfach aus dem Fenster geschmissen für eine Drohne, die in Europa wachen und überwachen soll, aber das gar nicht darf, gar nicht zugelassen ist. Thomas de Maizière hat dies zu verantworten, zumindest an höchster politischer Stelle. Was ist mit der Reform der Truppe, das ist die nächste Frage, die viele frustrierte Soldaten zurücklässt? Was ist mit der Aussage des CDU-Politikers, wonach die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade in Afghanistan zu wehleidig sind? Vorbei die guten Noten für den einstigen Hoffnungsträger.
Hoch gehandelt und vielleicht jetzt politisch im freien Fall, Thomas de Maizière – darüber sprechen wollen wir nun mit dem Politikwissenschaftler und Konfliktforscher Professor Christian Hacke. Guten Tag!
Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Herr Müller!
Müller: Herr Hacke, ist der Verteidigungsminister zu sehr Aristokrat?
Hacke: Nein, das denke ich nicht. Ich glaube, dass er hier natürlich im Moment konfrontiert ist mit einer, sagen wir, Doppelwelle der Kritik. Einmal läuft seit einigen Jahren natürlich die Bundeswehrreform und sie läuft nach allem, was wir gehört haben, nicht so glücklich, wie er sich das selbst vorgestellt hat. Zum Zweiten kommt natürlich die aktuelle Drohnenproblematik hinzu und das wirft natürlich Licht auf Grundsatzfragen der Bundeswehr, die sich einmal auf den bürokratischen Aspekt beziehen, also Anschaffung, Modernisierung, Ähnliches mehr, und zweitens natürlich immer die Frage, die leider aber auch in dieser Bundestagsdebatte zu kurz gekommen ist: Welches Instrument ist die Bundeswehr für die Außen- und Sicherheitspolitik. Die gesamten grundlegenden strategischen Überlegungen, wie die Bundesrepublik und die Bundeswehr sich einbringt oder einbringen sollte im Bündnis oder im Anti-Terror-Kampf, diese gesamte Dimension ist ja seit Jahren, muss man sagen, zu kurz gekommen.
Müller: Verlangen Sie da nicht viel zu viel von einer schwarz-gelben Koalition?
Hacke: Nein. Ich denke, dass das eigentlich grundsätzlich die erste Entscheidung sein müsste, dass sowohl der Verteidigungsminister als auch in Zusammenarbeit mit dem Außenminister und mit der Bundeskanzlerin außen- und sicherheitspolitische Grundlinien deutlicher gemacht werden müssen als bisher und welche Funktion darin die Bundeswehr hat. Und dann hätte man natürlich auch überlegen müssen: Brauchen wir dann bewaffnete oder unbewaffnete Drohnen, ja oder nein, zu welchem Zweck, an welchem Ort. Das ist alles nicht geklärt worden. Aber das ist keine rein bürokratische Frage, sondern da muss vorher geklärt werden, welches strategische Umfeld man mit welchen Beiträgen bedienen will im Rahmen des Bündnisses und im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes.
Müller: Um jetzt nicht abzuschweifen, Herr Hacke, dennoch die Frage. Wenn Sie sagen, Grundlinien der Bundesregierung, wenn Sie die Bundeskanzlerin ansprechen, erkennen Sie in irgendeiner Form auf irgendeinem politischen Feld Grundlinien?
Hacke: Ich würde sagen, dass die Bundeskanzlerin in einem ganz entscheidenden Bereich, nämlich der Wirtschaftspolitik, unser Land führt, so gut es geht, in einem schwierigen Umfeld. Das müssen wir ja jetzt nicht vertiefen, was uns seit drei, vier Jahren in Europa entgegenschlägt. Und sie versucht, sozusagen ganz Europa zur Reform anzuhalten. Ich glaube, dass in diesem Bereich sie mit Zurückhaltung, gleichzeitig mit Festigkeit und mit großer Kenntnis dabei ist, hier durch dieses schwierige Tal zu gehen, und hält unser Land gut auf Kurs, auch wirtschaftlich. Aber im gesamten sicherheits- und außenpolitischen Bereich hält sie sich eher zurück. Wo sie immer auftritt, ohne jetzt ein klares Konzept, aber schon mit Schwerpunkten, ist, dass sie die Versorgung mit Rohstoffen, dass sie diese Dinge, also diese strategischen Aspekte schon mit einbezieht – Stichwort dann eben auch Ersatz für die nun ausscheidende Atomenergie zu finden und Ähnliches mehr. Da gibt es schon klare positive Elemente, wie ich finde, nicht gegossen in eine Strategie, die man sich manchmal wünschen würde, aber der ganze sicherheitspolitische Bereich, Stichwort Libyen, anderes mehr, wissen wir, sind wir kein gleichwertiger Partner bei den Bündnispartnern in der NATO, und das gilt auch für unseren Einsatz in Afghanistan, der sehr viel zu spät kam und letztlich nie auf Augenhöhe oder nur ganz selten in der Schlussphase auf Augenhöhe mit den anderen Partnern, die sehr viel größere Risiken eingegangen sind, gewesen ist.
Müller: Dann kommen wir auf Thomas de Maizière zurück, auf den Verteidigungsminister, der ja heute im Fokus der Kritik und auch der Aufmerksamkeit stand. Wir haben das eben in der Zusammenfassung aus dem Bundestag von Stephan Detjen gehört. Das war der Kronprinz, das war der Mann schlechthin in der Union, so wurde das jedenfalls viele, viele Monate, einige Jahre im Grunde kolportiert: Wir brauchen uns keine Sorgen machen um den potenziellen Nachfolger, die Nachfolgerin von Angela Merkel, das wird dieser Mann sein. Dann wird er Verteidigungsminister, er ist ganz gut eingestiegen nach den Irrungen und Wirrungen, die es vorher gegeben hat, und seitdem geht es Richtung Keller, geht es nach unten. Was hat er falsch gemacht?
Hacke: Ich würde nicht gleich sagen, dass es in Richtung Keller geht. Er versucht, diese Bundeswehrreform durchzuziehen, und er ist ein erstklassiger Verwaltungsfachmann. Denken Sie daran, wie er das Bundeskanzleramt geleitet hat, wie er jetzt auch versucht, die Bundeswehr in ihrer Reform auf den richtigen Weg zu bringen. Ich wiederhole mich von vorhin: Was bisher zu kurz gekommen ist – und das hat bisher noch niemand geleistet, auch er nicht -, ist die Frage, wo stehen wir sicherheitspolitisch mit den Streitkräften und wie müssen sie dann ausgerichtet werden.
Müller: Aber die Drohne hat er ja auch nicht so gut verwaltet?
Hacke: Genau! Das ist ja der Punkt! Hätte man klar gewusst, dass wir meinetwegen, wenn man klar überlegt – ich meine, wir sind auf diese Problematik jetzt nicht eingegangen, aber diese bewaffneten und auch unbewaffneten Drohnen sind ja juristisch, ethisch, politisch höchst umstritten, höchst umstritten. Und dann muss man schon vorsichtiger sein bei der Frage, soll man die einfach für die eigenen Streitkräfte anschaffen. Das denke ich schon, dass er hier vielleicht sich nicht die ganzen Konsequenzen überdacht hat.
Müller: Die Anschaffung ist getätigt worden, ohne dass man über die Grundsätze diskutiert hat?
Hacke: …, ohne dass man über die Grundsätze diskutiert hat und ohne darüber zu diskutieren, wozu braucht man sie. Und natürlich: Sind die rechtlichen, die völkerrechtlichen Grundlagen gegeben und ist auch der Partner, der das ganze Ding entwickelt, nämlich entscheidend vor allem die USA, auch bereit, das alles den Deutschen zur Verfügung zu stellen.
Müller: Und eine Kontrolle scheint es offenbar innerhalb der Bundeswehr, innerhalb der Verwaltung nicht zu geben. 500, 600 Millionen Euro, die jetzt einfach so weg sind, und dann hat man festgestellt, die darf gar nicht starten, die darf gar nicht fliegen. Ist doch ungeheuerlich!
Hacke: Ja, das ist sehr herb und ist natürlich ein großes Versagen innerhalb der Führung. Das muss man deutlich ansprechen und hier hat die Opposition ja heute die klaren Punkte und die klaren Kritikpunkte geäußert – eine sehr schwierige Situation.
Müller: Wer ist für Sie die Führung, auch der Minister selbst?
Hacke: Hier ist der Minister schon verantwortlich, das ist klar. Aber er hat die entsprechenden Leute um sich herum, er ist neu, es gibt erfahrenere. Ich weiß nicht, wann diese Frage der Anschaffung sich stellte, ob das noch vor seiner Zeit war. Aber das ist ein Lernprozess, wo jeder Minister, der noch relativ neu ist, dann lernt und sagt, ich werde mich in Zukunftsdingen, in zukünftigen Angelegenheiten erst mal sehr viel genauer informieren, vielleicht auch weniger auf mein Umfeld achten, und das wird er jetzt auch tun.
Müller: Dann reden wir doch noch einmal, Herr Hacke, über die psychologische Komponente. Thomas de Maizière war auch aufgefallen vor einigen Wochen mit einem Interview, wo er die Soldaten in Afghanistan, also die, die vor Ort kämpfen, die sich diesem Risiko stellen, tagtäglich, als zu wehleidig kritisiert hat, hingestellt hat. Seitdem hat es sehr viel Kritik gegeben aus Reihen der Soldaten. Versteht er nicht so richtig, was die da leisten?
Hacke: Ich glaube, dass er, um es deutlich zu sagen, in der Sache recht hat. Ich glaube, dass er in der Sache recht hat. Es ist natürlich die Frage, ob es richtig ist, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, oder ob man nicht viel eher intern auf einige Dinge hinweisen muss, dass der Soldatenberuf eben kein Zuckerschlecken ist und dass natürlich sich der Soldatenberuf in der Bundeswehr seit 1990 und seit dem Zeitalter, wo wir selbst mit Interventionen dabei sind, grundlegend geändert hat. Aber dass eine gewisse, sagen wir mal, Wehleidigkeit anzutreffen ist, das höre ich aus verschiedenen Stellen der Bundeswehr …
Müller: Entschuldigung, wenn ich hier unterbreche. Könnte das sein, dass es auch daran liegt, dass man nicht so richtig weiß, was man vor Ort überhaupt soll?
Hacke: Das ist absolut der Fall! Es gibt genügend Berichte über unser Engagement in Afghanistan, dass wir uns im Wesentlichen dort selbst verteidigt haben, aber kaum aus diesen Burgen rausgekommen sind, und wenn, dann sehr, sehr vorsichtig, und natürlich im klassischen Sinne keine gleichberechtigte Kampftruppe sind, wie es die Holländer, die Briten, die Amerikaner gewesen sind und andere mehr. Das muss man klar sagen. Und solange wir nicht diesen Status haben und solange nicht – wir haben das in dieser langen Diskussion gehabt, bis überhaupt erst mal zugegeben wurde, dass deutsche Soldaten in einem Krieg sich in Afghanistan befinden. Das wurde alles so verschleppt, dass natürlich auch bei der Bundeswehr selbst und bei den Soldaten enorme Frustrationen entstanden sind. Es gibt genügend Beispiele, wo dann eben klar wird, dass die Soldaten selbst die Letzten sind, die so gegängelt werden sollen. Dass die selbst natürlich ihren Auftrag sehr viel handfester in die Hand nehmen wollten. Das ist eine sehr widersprüchliche schwierige Lage, wo immer, ich meine, der Primat der Politik, der Primat der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes zu unklar war, die führenden Militärs und natürlich die Truppe selbst nicht genau wusste, was sie eigentlich in Afghanistan und anderswo tun. Diese Unklarheit hat natürlich im Wechselspiel von Unklarheit im strategischen außenpolitischen Sinne und der Unklarheit mit den bürokratischen Hemmnissen, eins hat das andere im Negativen befruchtet.
Müller: Bei uns heute Mittag live im Deutschlandfunk der Politikwissenschaftler und Konfliktforscher Professor Christian Hacke. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Hacke: Ich danke Ihnen, Herr Müller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hoch gehandelt und vielleicht jetzt politisch im freien Fall, Thomas de Maizière – darüber sprechen wollen wir nun mit dem Politikwissenschaftler und Konfliktforscher Professor Christian Hacke. Guten Tag!
Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Herr Müller!
Müller: Herr Hacke, ist der Verteidigungsminister zu sehr Aristokrat?
Hacke: Nein, das denke ich nicht. Ich glaube, dass er hier natürlich im Moment konfrontiert ist mit einer, sagen wir, Doppelwelle der Kritik. Einmal läuft seit einigen Jahren natürlich die Bundeswehrreform und sie läuft nach allem, was wir gehört haben, nicht so glücklich, wie er sich das selbst vorgestellt hat. Zum Zweiten kommt natürlich die aktuelle Drohnenproblematik hinzu und das wirft natürlich Licht auf Grundsatzfragen der Bundeswehr, die sich einmal auf den bürokratischen Aspekt beziehen, also Anschaffung, Modernisierung, Ähnliches mehr, und zweitens natürlich immer die Frage, die leider aber auch in dieser Bundestagsdebatte zu kurz gekommen ist: Welches Instrument ist die Bundeswehr für die Außen- und Sicherheitspolitik. Die gesamten grundlegenden strategischen Überlegungen, wie die Bundesrepublik und die Bundeswehr sich einbringt oder einbringen sollte im Bündnis oder im Anti-Terror-Kampf, diese gesamte Dimension ist ja seit Jahren, muss man sagen, zu kurz gekommen.
Müller: Verlangen Sie da nicht viel zu viel von einer schwarz-gelben Koalition?
Hacke: Nein. Ich denke, dass das eigentlich grundsätzlich die erste Entscheidung sein müsste, dass sowohl der Verteidigungsminister als auch in Zusammenarbeit mit dem Außenminister und mit der Bundeskanzlerin außen- und sicherheitspolitische Grundlinien deutlicher gemacht werden müssen als bisher und welche Funktion darin die Bundeswehr hat. Und dann hätte man natürlich auch überlegen müssen: Brauchen wir dann bewaffnete oder unbewaffnete Drohnen, ja oder nein, zu welchem Zweck, an welchem Ort. Das ist alles nicht geklärt worden. Aber das ist keine rein bürokratische Frage, sondern da muss vorher geklärt werden, welches strategische Umfeld man mit welchen Beiträgen bedienen will im Rahmen des Bündnisses und im Rahmen des Anti-Terror-Kampfes.
Müller: Um jetzt nicht abzuschweifen, Herr Hacke, dennoch die Frage. Wenn Sie sagen, Grundlinien der Bundesregierung, wenn Sie die Bundeskanzlerin ansprechen, erkennen Sie in irgendeiner Form auf irgendeinem politischen Feld Grundlinien?
Hacke: Ich würde sagen, dass die Bundeskanzlerin in einem ganz entscheidenden Bereich, nämlich der Wirtschaftspolitik, unser Land führt, so gut es geht, in einem schwierigen Umfeld. Das müssen wir ja jetzt nicht vertiefen, was uns seit drei, vier Jahren in Europa entgegenschlägt. Und sie versucht, sozusagen ganz Europa zur Reform anzuhalten. Ich glaube, dass in diesem Bereich sie mit Zurückhaltung, gleichzeitig mit Festigkeit und mit großer Kenntnis dabei ist, hier durch dieses schwierige Tal zu gehen, und hält unser Land gut auf Kurs, auch wirtschaftlich. Aber im gesamten sicherheits- und außenpolitischen Bereich hält sie sich eher zurück. Wo sie immer auftritt, ohne jetzt ein klares Konzept, aber schon mit Schwerpunkten, ist, dass sie die Versorgung mit Rohstoffen, dass sie diese Dinge, also diese strategischen Aspekte schon mit einbezieht – Stichwort dann eben auch Ersatz für die nun ausscheidende Atomenergie zu finden und Ähnliches mehr. Da gibt es schon klare positive Elemente, wie ich finde, nicht gegossen in eine Strategie, die man sich manchmal wünschen würde, aber der ganze sicherheitspolitische Bereich, Stichwort Libyen, anderes mehr, wissen wir, sind wir kein gleichwertiger Partner bei den Bündnispartnern in der NATO, und das gilt auch für unseren Einsatz in Afghanistan, der sehr viel zu spät kam und letztlich nie auf Augenhöhe oder nur ganz selten in der Schlussphase auf Augenhöhe mit den anderen Partnern, die sehr viel größere Risiken eingegangen sind, gewesen ist.
Müller: Dann kommen wir auf Thomas de Maizière zurück, auf den Verteidigungsminister, der ja heute im Fokus der Kritik und auch der Aufmerksamkeit stand. Wir haben das eben in der Zusammenfassung aus dem Bundestag von Stephan Detjen gehört. Das war der Kronprinz, das war der Mann schlechthin in der Union, so wurde das jedenfalls viele, viele Monate, einige Jahre im Grunde kolportiert: Wir brauchen uns keine Sorgen machen um den potenziellen Nachfolger, die Nachfolgerin von Angela Merkel, das wird dieser Mann sein. Dann wird er Verteidigungsminister, er ist ganz gut eingestiegen nach den Irrungen und Wirrungen, die es vorher gegeben hat, und seitdem geht es Richtung Keller, geht es nach unten. Was hat er falsch gemacht?
Hacke: Ich würde nicht gleich sagen, dass es in Richtung Keller geht. Er versucht, diese Bundeswehrreform durchzuziehen, und er ist ein erstklassiger Verwaltungsfachmann. Denken Sie daran, wie er das Bundeskanzleramt geleitet hat, wie er jetzt auch versucht, die Bundeswehr in ihrer Reform auf den richtigen Weg zu bringen. Ich wiederhole mich von vorhin: Was bisher zu kurz gekommen ist – und das hat bisher noch niemand geleistet, auch er nicht -, ist die Frage, wo stehen wir sicherheitspolitisch mit den Streitkräften und wie müssen sie dann ausgerichtet werden.
Müller: Aber die Drohne hat er ja auch nicht so gut verwaltet?
Hacke: Genau! Das ist ja der Punkt! Hätte man klar gewusst, dass wir meinetwegen, wenn man klar überlegt – ich meine, wir sind auf diese Problematik jetzt nicht eingegangen, aber diese bewaffneten und auch unbewaffneten Drohnen sind ja juristisch, ethisch, politisch höchst umstritten, höchst umstritten. Und dann muss man schon vorsichtiger sein bei der Frage, soll man die einfach für die eigenen Streitkräfte anschaffen. Das denke ich schon, dass er hier vielleicht sich nicht die ganzen Konsequenzen überdacht hat.
Müller: Die Anschaffung ist getätigt worden, ohne dass man über die Grundsätze diskutiert hat?
Hacke: …, ohne dass man über die Grundsätze diskutiert hat und ohne darüber zu diskutieren, wozu braucht man sie. Und natürlich: Sind die rechtlichen, die völkerrechtlichen Grundlagen gegeben und ist auch der Partner, der das ganze Ding entwickelt, nämlich entscheidend vor allem die USA, auch bereit, das alles den Deutschen zur Verfügung zu stellen.
Müller: Und eine Kontrolle scheint es offenbar innerhalb der Bundeswehr, innerhalb der Verwaltung nicht zu geben. 500, 600 Millionen Euro, die jetzt einfach so weg sind, und dann hat man festgestellt, die darf gar nicht starten, die darf gar nicht fliegen. Ist doch ungeheuerlich!
Hacke: Ja, das ist sehr herb und ist natürlich ein großes Versagen innerhalb der Führung. Das muss man deutlich ansprechen und hier hat die Opposition ja heute die klaren Punkte und die klaren Kritikpunkte geäußert – eine sehr schwierige Situation.
Müller: Wer ist für Sie die Führung, auch der Minister selbst?
Hacke: Hier ist der Minister schon verantwortlich, das ist klar. Aber er hat die entsprechenden Leute um sich herum, er ist neu, es gibt erfahrenere. Ich weiß nicht, wann diese Frage der Anschaffung sich stellte, ob das noch vor seiner Zeit war. Aber das ist ein Lernprozess, wo jeder Minister, der noch relativ neu ist, dann lernt und sagt, ich werde mich in Zukunftsdingen, in zukünftigen Angelegenheiten erst mal sehr viel genauer informieren, vielleicht auch weniger auf mein Umfeld achten, und das wird er jetzt auch tun.
Müller: Dann reden wir doch noch einmal, Herr Hacke, über die psychologische Komponente. Thomas de Maizière war auch aufgefallen vor einigen Wochen mit einem Interview, wo er die Soldaten in Afghanistan, also die, die vor Ort kämpfen, die sich diesem Risiko stellen, tagtäglich, als zu wehleidig kritisiert hat, hingestellt hat. Seitdem hat es sehr viel Kritik gegeben aus Reihen der Soldaten. Versteht er nicht so richtig, was die da leisten?
Hacke: Ich glaube, dass er, um es deutlich zu sagen, in der Sache recht hat. Ich glaube, dass er in der Sache recht hat. Es ist natürlich die Frage, ob es richtig ist, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, oder ob man nicht viel eher intern auf einige Dinge hinweisen muss, dass der Soldatenberuf eben kein Zuckerschlecken ist und dass natürlich sich der Soldatenberuf in der Bundeswehr seit 1990 und seit dem Zeitalter, wo wir selbst mit Interventionen dabei sind, grundlegend geändert hat. Aber dass eine gewisse, sagen wir mal, Wehleidigkeit anzutreffen ist, das höre ich aus verschiedenen Stellen der Bundeswehr …
Müller: Entschuldigung, wenn ich hier unterbreche. Könnte das sein, dass es auch daran liegt, dass man nicht so richtig weiß, was man vor Ort überhaupt soll?
Hacke: Das ist absolut der Fall! Es gibt genügend Berichte über unser Engagement in Afghanistan, dass wir uns im Wesentlichen dort selbst verteidigt haben, aber kaum aus diesen Burgen rausgekommen sind, und wenn, dann sehr, sehr vorsichtig, und natürlich im klassischen Sinne keine gleichberechtigte Kampftruppe sind, wie es die Holländer, die Briten, die Amerikaner gewesen sind und andere mehr. Das muss man klar sagen. Und solange wir nicht diesen Status haben und solange nicht – wir haben das in dieser langen Diskussion gehabt, bis überhaupt erst mal zugegeben wurde, dass deutsche Soldaten in einem Krieg sich in Afghanistan befinden. Das wurde alles so verschleppt, dass natürlich auch bei der Bundeswehr selbst und bei den Soldaten enorme Frustrationen entstanden sind. Es gibt genügend Beispiele, wo dann eben klar wird, dass die Soldaten selbst die Letzten sind, die so gegängelt werden sollen. Dass die selbst natürlich ihren Auftrag sehr viel handfester in die Hand nehmen wollten. Das ist eine sehr widersprüchliche schwierige Lage, wo immer, ich meine, der Primat der Politik, der Primat der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes zu unklar war, die führenden Militärs und natürlich die Truppe selbst nicht genau wusste, was sie eigentlich in Afghanistan und anderswo tun. Diese Unklarheit hat natürlich im Wechselspiel von Unklarheit im strategischen außenpolitischen Sinne und der Unklarheit mit den bürokratischen Hemmnissen, eins hat das andere im Negativen befruchtet.
Müller: Bei uns heute Mittag live im Deutschlandfunk der Politikwissenschaftler und Konfliktforscher Professor Christian Hacke. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Hacke: Ich danke Ihnen, Herr Müller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.