Moskau im November 2020, zwei Monate nach den Regional- und Kommunalwahlen in Russland. An einem langen Konferenztisch sitzen rund ein Dutzend Senatoren aus dem mächtigen Föderationsrat. Anwesend sind auch Experten des Justizministeriums und der Generalstaatsanwaltschaft. Senator Andrej Klimow eröffnet die Sitzung:
"Im September haben wir eine Bilanz der Wahlen gezogen im Hinblick auf die Einmischung von außen. Und wir haben beschlossen, dass wir bis Ende 2020 ein Paket von Gesetzesänderungen verabschieden müssen. Wir sind heute hier, um zu besprechen, was wir konkret in dieses wichtige Gesetzespaket aufnehmen."
Klimow wirkt entschlossen. Die Kremlpartei Einiges Russland, deren Führungsgremium er angehört, hat zwar in den weitaus meisten Regionen erneut die Mehrheit geholt. Doch in einigen eben nicht.
Dafür ist unter anderem der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny verantwortlich. Er hatte mit seinem Team das sogenannte "kluge Wählen" propagiert. "Kluges Wählen" bedeutet, die Stimme dem jeweils aussichtsreichsten Oppositionskandidaten zu geben, ganz gleich, welcher Partei der angehört, Hauptsache nicht Einiges Russland.
Erfolge der Opposition sollen sich nicht wiederholen
Vor allem in Sibirien sitzen deshalb nun Vertraute Nawalnys in den Stadtparlamenten und bestimmen mit. Und auch die oppositionellen "Vereinigten Demokraten" haben in Russland verteilt mehrere Dutzend Mandate geholt. Sie wurden von der Stiftung "Offenes Russland" des im Ausland lebenden ehemaligen Oligarchen und Kremlkritikers Michail Chodorkowskij unterstützt.
In diesem Jahr im September wird in Russland das nationale Parlament, die Duma, gewählt. Es war also Eile geboten, als sich die ranghoch besetzte Kommission rund um Senator Klimow im Herbst in Moskau traf. Ihr Ziel ist ganz offensichtlich, dass sich die Erfolge der Opposition nicht wiederholen.
"Die Vorschläge, die wir heute erarbeiten, müssen noch vor dem Beginn des Duma-Wahlkampfes in Gesetze gegossen sein. Wir müssen fertig sein, bevor der Wahlkampf beginnt."
Die Kommission, der Klimow vorsitzt, trägt den sperrigen Namen "Kommission zum Schutze der staatlichen Souveränität und zur Abwehr von Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation".
Ein Leitmotiv: Der Kampf gegen angeblich äußere Feinde
Der Kampf gegen angebliche äußere Feinde ist in den letzten Jahren zu einem Leitmotiv der russischen Regierungspolitik geworden. Sowohl Oppositionspolitikern wie Nawalny als auch Menschen, die in Russland gegen die Regierung protestieren, wird unterstellt, sie würden vom Ausland gesteuert. Meist geschieht das, ohne Beweise zu liefern.
Es wirkt wie ein Mantra, das auch Präsident Putin ständig wiederholt, zum Beispiel vor Mitarbeitern des Geheimdienstes FSB. Das Ausland verfolge eine aggressive Linie, so Putin vor den Geheimdienstlern.
"Sie ist darauf gerichtet, unsere Entwicklung zu bremsen, innere Instabilität zu provozieren, die Werte zu untergraben, die die russische Gesellschaft einen, und am Ende Russland zu schwächen und einer äußeren Kontrolle zu unterstellen. Aber die Souveränität Russlands, seine nationalen Interessen, die Sicherheit unserer Bürger und das Recht unseres Volkes, seine Zukunft selbst zu bestimmen - das ist für uns das Wichtigste. Und wir müssen es verlässlich verteidigen."
Die Politiker um Senator Klimow brachten noch im November diverse Gesetzesvorhaben in die Staatsduma ein, die eine ausländische Einmischung verhindern sollen, dabei aber Hebel liefern, um verbliebene Freiheiten in Russland noch weiter einzuschränken. Die ersten Gesetze wurden noch im alten Jahr verabschiedet, von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet und sind bereits in Kraft.
Agentengesetz zieht Ungeliebte aus dem Verkehr
Einige davon bestehen schon länger und wurden verschärft. Zum Beispiel das sogenannte Agentengesetz.
Das trat in einer ersten Fassung bereits 2012 in Kraft. Seitdem müssen sich russische Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten und politisch tätig sind, in ein Register so genannter "ausländischer Agenten" eintragen. Für sie gelten höhere bürokratische Auflagen, und sie müssen alle Veröffentlichungen mit dem Label "Ausländischer Agent" versehen.
Die Bezeichnung diente in der Stalinzeit dazu, Menschen zu stigmatisieren, und das wirkt in Russland bis heute nach. Beamte und staatliche Institutionen meiden den Kontakt zu sogenannten "Agenten-NGOs". Deren praktische Arbeit wird dadurch erheblich erschwert.
Nach der Gesetzesverschärfung müssen sich nicht mehr nur NGOs, sondern auch nicht registrierte Gruppen und Einzelpersonen in das Agentenregister eintragen lassen. Es reicht, wenn sie logistische oder andere immaterielle Hilfe aus dem Ausland beziehen, zum Beispiel eine Hotelübernachtung im Rahmen eines Seminars.
Wer mehrfach gegen die Auflagen für "ausländische Agenten" verstößt, muss jetzt nicht mehr nur Strafen zahlen, sondern riskiert bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die Regelung richtet sich unter anderem gegen Kandidaten der Opposition. Senator Andrej Klimow rechtfertigt die Maßnahme im Gespräch mit dem Deutschlandfunk mit Transparenz bei den Wahlen.
"Wenn jemand bei uns offiziell als ausländischer Agent eingetragen ist, dann nehmen wir ihm ja nicht das Recht, gewählt zu werden oder gar zu wählen. Aber unsere Bürger müssen wissen, dass der Betreffende für seine politische Tätigkeit Geld aus dem Ausland bekommt. Er kann an der Dumawahl teilnehmen. Auf dem Wahlzettel und in seiner Wahlwerbung muss nur stehen, dass er ausländischer Agent ist. Das Weitere können die Wähler dann selbst entscheiden."
"Harter Schlag gegen die Medienvielfalt"
Außerdem zielt das verschärfte Agentengesetz auf die Wahlbeobachterorganisation "Golos". Sie hat bei vergangenen Wahlen in Russland immer wieder Manipulationen festgestellt und diese öffentlich gemacht. "Golos" wurde schon vor Jahren zur "Agenten-NGO" erklärt. Die Mitglieder fanden einen Ausweg: Sie lösten ihre Organisation formal auf und machten als loses Netzwerk weiter. Das dürfte bei der kommenden Duma-Wahl schwieriger werden.
Die ersten Einzelpersonen wurden bereits zu ausländischen Agenten erklärt. Darunter sind drei russische Journalistinnen und Journalisten. Es traf eine Mitarbeiterin des russischsprachigen Dienstes des aus den USA finanzierten Radio Liberty sowie zwei Mitarbeiter regionaler regierungsunabhängiger Portale, erläutert Galina Arapova. Sie leitet das "Zentrum für den Schutz der Rechte von Medien" im zentralrussischen Woronesch.
"Ziel des Gesetzes ist es natürlich, einzelne Medien zu stigmatisieren und die Leser von der Lektüre ausländischer Medien abzuhalten. Damit sie keine anderen Meinungen hören, damit sie nicht lesen, was Ausländer zu einem bestimmten Thema denken. Sie sollen nur dem immer gleichen einstimmigen Fluss von Informationen aus den landesweiten und staatlichen Kanälen folgen, den immer gleichen Standpunkt konsumieren. Das Gesetz ist ein harter Schlag gegen die Medienvielfalt, gegen die Unabhängigkeit von Journalisten, gegen ihren Beruf."
Justiz in Russland ist nicht unabhängig
Von Anfang an haben Kritiker des Agentengesetzes moniert, dass es nicht genau definiere, was "politische Tätigkeit" sei, und dass das Gesetz deshalb willkürlich gegen unliebsame Aktivisten der Zivilgesellschaft eingesetzt werden könne. Senator Klimow widerspricht.
"Im Gesetz ist genau festgelegt, was keine politische Tätigkeit ist: Betätigungen in der Kultur, in der Wissenschaft, in Bildung und Sport oder auch Wohltätigkeit. Das fällt nicht darunter, denn es ist nicht im Gesetz vorgesehen."
Doch die Praxis zeigt ein anderes Bild. Im Dezember wurden drei Organisationen in das Agentenregister aufgenommen, die – mit Zuwendungen aus dem Ausland - HIV-Infizierten helfen und sich um AIDS-Prävention kümmern.
Zu den ausländischen Förderern der russischen Zivilgesellschaft zählen die deutschen politischen Stiftungen in Russland. Auch sie sorgen sich um ihre Zukunft. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung setzt sich für Dialog in Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ein und wirbt für eine soziale und demokratische Entwicklung Russlands. Dazu führt sie im Jahr bis zu hundert Veranstaltungen durch, oft mit kleinen Projektpartnern.
Sie sieht Peer Teschendorf, der Leiter der Stiftung in Russland, nun gefährdet. Aber nicht nur das. Neuerdings können auch ausländische Staatsbürger unter das Agentengesetz fallen. Teschendorf rechnet nicht damit, dass ihn das demnächst persönlich betreffen werde, "aber natürlich wissen wir nicht, wie sich die internationalen Beziehungen weiter entwickeln und ob es irgendwann mal zu einer solchen Zuspitzung kommt, dass auch wir mehr oder weniger ins Fadenkreuz geraten. Da ist dieses Gesetz dann im Prinzip beliebig anwendbar."
Dazu kommt noch, dass die Justiz in Russland nicht unabhängig ist. Im Zuge der Gesetzesänderungen hat Russland auch das Versammlungsrecht erneut verschärft. Auch das fand bereits Anwendung.
Ende Januar 2021. In vielen Teilen Russlands gehen Menschen auf die Straße. Sie fordern die Freilassung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Er ist wenige Tage zuvor in Moskau verhaftet worden. Die Proteste sind nicht genehmigt. Die Sicherheitskräfte nehmen, Angaben der Menschenrechtsorganisation OVD-Info zufolge, mehr als 9.000 friedliche Demonstranten in Gewahrsam, die Polizeistationen sind überfüllt.
Ein Rekord in der jüngeren russischen Geschichte. Unter den Festgenommenen seien auch 200 Journalisten gewesen, erzählt die Medienexpertin Galina Arapova. Viele von ihnen hatten die Proteste live gestreamt.
"Nach den neuesten Änderungen im Gesetz über Kundgebungen und Demonstrationen ist es Journalisten verboten, an Kundgebungen teilzunehmen. Wenn sie von dort berichten, müssen sie jetzt Erkennungszeichen tragen. Offiziell soll das dem Schutz der Journalisten dienen, nicht dazu, dass die Polizisten sie schnell aus der Menge herausgreifen und wegbringen können. Aber in der Realität ist genau das passiert."
Veröffentlichungen über Korruption immer riskanter
Fast noch mehr besorgt Arapova die Verschärfung des Gesetzes zur Verleumdung. Bisher musste sich Verleumdung gegen eine konkrete Person richten. Nun ist es bereits strafbar, eine unbestimmte Gruppe von Menschen zu diffamieren. Und es droht nicht mehr nur eine Geld-, sondern eine mehrjährige Haftstrafe.
"Wenn wir zum Beispiel sagen, "die Machthaber lügen" oder "sind korrupt", dann kann es dafür bis zu fünf Jahre Gefängnis geben."
Das Gesetz sei so formuliert, dass es viel Interpretationsspielraum lasse, sagt Arapova. Insbesondere Veröffentlichungen über Korruption würden deshalb künftig immer riskanter. Veröffentlichungen wie die des Oppositionspolitikers Nawalny.
Nawalnys Team hat vor wenigen Wochen ein Youtube-Video über einen riesigen Palast an der russischen Schwarzmeerküste publiziert, den Vertraute Wladimir Putins für den russischen Präsidenten finanziert haben sollen, und zwar mit zum Teil aus der Staatskasse veruntreuten Geldern.
Nawalny stützt sich in dem Palast-Video über weite Teile auf Fakten, die russische Journalisten bereits vor ihm recherchiert hatten. Sein Film wurde mehr als 110 Millionen Mal aufgerufen.
"Auch solche Videos können jetzt im Hinblick auf den Verleumdungsparagraphen untersucht werden. Das ist ein herber Schlag gegen die politische Debatte und gegen die Meinungsfreiheit insgesamt. Es ist eine Warnung, besser nicht investigativ journalistisch zu arbeiten."
Nawalny selbst sitzt bereits in einem Gefängnis, verurteilt zu zweieinhalb Jahren. Grundlage ist ein früheres Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als willkürlich bezeichnet hat.
Gesetzesverschärfungen als "Tsunami"
Jelena Schachowa leitet die NGO "Bürgerkontrolle" in St. Petersburg. Angesichts der vielen Gesetzesverschärfungen spricht sie von einem "Tsunami". Und der sei noch lange nicht vorbei. Weitere Gesetze sind in Vorbereitung. Die Duma berät zum Beispiel darüber, NGOs mit dem Status eines ausländischen Agenten zu verpflichten, alle Veranstaltungen vorab vom Justizministerium genehmigen zu lassen.
"Wenn wir zum Beispiel ein Seminar zur Prävention von Folter in den russischen Polizeistationen und Gefängnissen planen, dann wird das Justizministerium sagen: Diese Veranstaltung ist sinnlos, denn in russischen Gefängnissen gibt es keine Folter. Oder nehmen wir an, eine NGO will etwas zu politischen Gefangenen in Russland machen. Dann wird das Ministerium sagen: Es gibt keine politischen Gefangenen. Aber natürlich gibt es sie. Und Folter auch."
Vor wenigen Tagen hat die Duma zudem ein neues Bildungsgesetz beschlossen. Es räumt den Behörden ein Vetorecht ein, wenn russische Bildungsträger mit ausländischen kooperieren wollen. All das geschieht mit der Begründung, die Souveränität Russlands schützen zu müssen, denn die sei bedroht. Das Ausland führe einen hybriden Krieg gegen Russland, nicht etwa andersherum, heißt es von führenden russischen Politikern. Konkrete Belege bleiben sie schuldig.
Russland müsse sich verteidigen, betont auch Senator Klimow im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Darum die neuen Gesetze. Mit autoritärem Regierungsstil habe das nichts zu tun.
"Mein Arbeitstag beginnt um sechs Uhr morgens und endet abends um elf, wenn es gut läuft. Jeden Tag. Wenn wir in einem autoritären Staat lebten, wäre das nicht nötig. Dann käme ein Signal von oben, alle würden nicken, und das Volk würde sich fügen oder würde bestraft. Wir aber handeln politisch. Wir führen offene politische Debatten."
"Russland ist ein vollständig autoritär regiertes Land"
Der Politologe Andrej Kolesnikow vom Carnegie Zentrum Moskau widerspricht vehement.
"Russland ist ein vollständig autoritär regiertes Land. Das ist keine Zwischenform mehr. Seit der repressive Apparat mit voller Kraft genutzt wird, die Polizei, der FSB, seit die Zivilgesellschaft mit Polizeimethoden unterdrückt wird und mit einer Gesetzgebung, die Herr Klimow vorantreibt, um erfundene, absolut nicht existierende Bedrohungen abzuwehren, handelt es sich um einen vollwertigen Autoritarismus."
Der Schutz vor angeblichen äußeren Feinden sei nur ein Vorwand, um Kritik im Land zu unterdrücken, erläutert Kolesnikow. Und es gehe dabei um weit mehr, als nur politische Konkurrenz auszuschalten.
"Irgendwann ist der Staat auf die Idee gekommen, nicht mehr nur gegen die politische Opposition zu kämpfen, sondern auch gegen zivilgesellschaftliche Organisationen und einzelne Aktivisten. Daher die ständigen Gesetzesverschärfungen."
Doch viele Menschen in Russland scheinen das anders zu sehen. In einer Umfrage des Levada-Instituts im Januar gab fast jeder zweite an, die verschärften Gesetze seien dazu da, Russland vor der Einmischung des Westens zu bewahren. Dass sie darauf zielten, Kritik an der Regierung zu beschränken, glaubte nicht mal jeder dritte.
Wie zuverlässig solche Umfragen sind, ist allerdings umstritten. Denn auch das Levada-Institut ist als "ausländischer Agent" registriert, und viele Experten bezweifeln, dass die Befragten ehrlich antworten. Der Politologe Kolesnikow glaubt trotzdem, dass die Feindpropaganda wirkt. Er erklärt das mit einem, wie er sagt, "massenhaften Konformismus" in Russland.
"Die Leute wollen eine Erklärung für die unter anderem wirtschaftlichen Probleme im Land. Und auch wenn es immer weniger direkte Erklärungen dafür gibt, dass der Westen an der schlechten sozioökonomischen Lage in Russland Schuld ist, versuchen sie, schlechte Informationen über den eigenen Staat abzublocken. Obwohl sie selbst unzufrieden mit diesem Staat sind. Da bleiben sie Patrioten."
"Die Wahl ist ein natürlicher Anlass für Proteste"
Und trotzdem rechnen viele Beobachter damit, dass es vor der Duma-Wahl in einem halben Jahr erneut größere Proteste geben wird, trotz der zunehmenden Repressionen. Jelena Schachowa von der NGO Bürgerkontrolle in St. Petersburg:
"Die soziale und wirtschaftliche Lage im Land verschlechtert sich. Nach den Protesten am 23. und am 31. Januar war ich in vielen Polizeistationen. Viele der dort Festgehaltenen haben Nawalny gar nicht erwähnt, sondern gesagt, dass sie auf der Straße waren, weil sie mit allem unzufrieden sind, was im Land geschieht. Ich glaube nicht, dass man die Proteste mit immer neuen repressiven Gesetzen verhindern kann."
Peer Teschendorf von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland spricht von einer sehr angespannten Lage.
"Es gibt ja auch ein zunehmendes Umschlagen dieser Proteste hin zu mehr allgemeinen Fragen, also Fragen der Freiheit, Fragen der Mitbestimmung, Fragen der Gerechtigkeit, diese Stimmung ist da, diese Neigung zu Protesten wird auch weitergehen. Gleichzeitig baut der Staat natürlich eine Drohkulisse auf und will das unter Kontrolle halten."
Das Team um den inhaftierten Oppositionspolitiker Nawalny hat bereits für das Frühjahr Proteste angekündigt. Andrej Kolesnikow vom Carnegie-Zentrum glaubt nicht, dass das funktionieren wird; es fehle der emotionale Anlass. Vor der Duma-Wahl aber werde das anders sein.
"Die Wahl ist ein natürlicher Anlass für Proteste. Die fortschrittlichen Bevölkerungsschichten werden von keiner der etablierten Parteien vertreten. Es gibt keine Partei, die sie wählen könnten. Und deshalb ist ihre einzige Möglichkeit, Unzufriedenheit auszudrücken, die Straße."
Doch genauso sicher ist für viele Beobachter, dass Russlands Machthaber mit aller Härte reagieren werden. So wie kürzlich, als sich rund 200 oppositionelle Regionalabgeordnete in Moskau versammelten. Sie wollten über Strategien für die Duma-Wahl im September beraten. Die Polizei nahm alle Teilnehmer vorübergehend fest.