Wenn ich an meine Kindheit denke und überlege, welches die schönsten Geschichten für mich waren, die, die ich, noch klein, nicht müde wurde zu hören und lesend später verschlang, dann sind das immer die, in denen einer fortging, und zwar recht weit weg und viel erlebte, aber am Ende kam er immer an. Und zwar immer bei sich selbst. Ich konnte gar nicht genug kriegen davon, vielleicht liegt das daran, dass ich ein Kind war, das weg wollte, aber eigentlich geht es mir sogar heute noch so. Es ist der Stoff aus dem die Abenteuer sind, sie zeigen uns Neuland, es geht um Mut, Zuversicht, Wagnisse und Risiko. Und wenn wir die Abenteuer bestanden haben, dann sind wir in der Regel ein Stück gewachsen. Und wenn ich an das Schöne der Kindheit denke, dann ist sie so: ein einziges Neuland, jeden Tag macht man sich auf den Weg, jeden Tag entdeckt man was: einen dicken Käfer, ein Gefühl, ein Blatt, dass man laufen kann, dass Zitronen sauer sind und immer ist da eine geheime Kraft, die uns das alles machen lässt, anfangs zumindest ohne Verzagen.
Irgendwann entdecken Kinder den Tod, dass er traurig macht und ein Verlust ist. Darum, so vermutete ich anfangs, geht es in der Geschichte von Wolf Verroen „Ein Himmel für den kleinen Bären“. Sie beginnt so:
„Auf einmal, nachmittags, war Großvater Bär tot. Der kleine Bär war sehr traurig, aber seine Mutter sagte: ‚Opa Bär war alt und müde. Jetzt ist er im Bärenhimmel, wo alle Bären glücklich sind.‘ ‚Da will ich auch hin‘, sagte der kleine Bär. Und er ging fort, um den Bärenhimmel zu suchen.“ Sodann geht das Abenteuer los, in altbewährter Manier, im Ton erinnernd an die berühmte gefräßige Raupe. Der kleine Bär geht von Tier zu Tier, doch keines will ihn fressen. Er kommt und kommt nicht in den Bärenhimmel, die Eule belehrt ihn, dass er da nicht hingehört, er sei doch noch jung und die Welt um ihn herum ganz wunderbar, doch das stimmt nicht: es regnet, der Bär wird nass, er ist allein und jetzt erst recht ganz furchtbar traurig. Erst ganz am Ende entdeckt er dann etwas, wir ahnen es schon, es ist die heimische Höhle. Der Himmel auf Erden, die Eltern warten schon.
Wie ich eingangs sagte, eine Geschichte, ganz nach meinem Geschmack: Ich war gerührt als ich das las und noch mehr als ich es betrachtete, denn der kleine Bär ist ein entzückender Kerl, das liegt an seinem Vater. Wolf Erlbruch ist der Illustrator, das Buch lebt von seinen Bildern, von seinem unverwechselbaren Stil: Eine Mischung aus Zeichnung und Collagetechnik mit scharfen Umrissen das Wesentliche betonend, das Skurrile andeutend, und mit einem großen Gespür für Zartheit im Details. So haucht Erlbruch diesem kleinen Gesellen so viel Leben ein, dass man richtiggehend nachdenkt. Doch ach, das hat auch meine Tochter gemacht, zugegeben, mit 13 Jahren nicht gerade das anvisierte Lesealter, aber was sagte sie? Da geht es ja um Selbstmord. Das Kind hat recht. Und plötzlich schau ich dieses Buch mit anderen Augen an, vor allen Dingen lese ich es noch mal.
Ein Bär, der sich auf mehreren Stationen fressen lassen will. Stimmt das? Sind Bären nicht gerade die Tiere, die nicht gefressen werden. Passt das Ansinnen zu einem Bären, würde ich dieses Buch einem Kind vorlesen wollen: Tiger bitte friß mich auf, Schlange bitte beiß mich tot. Aber das ist doch so herrlich naiv. Sind Kinder nicht so? Würden sie nicht auch die Frage stellen, kann ich nicht tot sein, um zu Opa zu kommen? Würden sie das? Und warum ist der kleine Bär eigentlich so dumm, einen Elefanten zu fragen, ob er ihn frisst, der mag doch nur Pflanzen und wieso bibbert die Schlange und will sein Fell, Schlangen frieren doch nicht. Wozu das alles?
Plötzlich habe ich einen schweren Verdacht, ich bin reingefallen. Das Buch ist rührend, der kleine Bär ist süß, doch die Geschichte ist Quatsch. Der kleine Bär will nämlich nicht zum Großvater, sondern dahin wo alle Bären glücklich sind, er sucht das Glück, nicht den Opa, der kommt in der ganzen Geschichte nur noch in einem Satz vor. Aber das Getötet werden wollen, als Aufhänger zur Glückssuche zu machen, testen sie das mal aus, die Fragen der lieben Kleinen: Warum will der denn sterben? Antwort: Weil der zu dem Opa will. Ist das gut, wichtig, pädagogisch wertvoll, erweitert das den Horizont. Müßte der Bär nicht den verlorenen Opa finden? Vielleicht im Herzen, oder im Traum? Nichts von allem.
Das ist ein Buch für Erwachsene, die manchmal sentimental werden wie anscheinend ich. Aber macht nichts, das sind ja auch die Käufer. Wenn sie es Kindern vorlesen wollen, dann denken sie vorher gut über Fragen und Antworten nach, ich glaube da kommt man ins Schleudern und geben sie es nicht den 13 jährigen, dann wird es ernst.
Dolf Verroen, Wolf Erlbruch: Ein Himmel für den kleinen Bären, Hanser Verlag, 32 Seiten, durchgehend farbig illustriert, 12,90€.
Irgendwann entdecken Kinder den Tod, dass er traurig macht und ein Verlust ist. Darum, so vermutete ich anfangs, geht es in der Geschichte von Wolf Verroen „Ein Himmel für den kleinen Bären“. Sie beginnt so:
„Auf einmal, nachmittags, war Großvater Bär tot. Der kleine Bär war sehr traurig, aber seine Mutter sagte: ‚Opa Bär war alt und müde. Jetzt ist er im Bärenhimmel, wo alle Bären glücklich sind.‘ ‚Da will ich auch hin‘, sagte der kleine Bär. Und er ging fort, um den Bärenhimmel zu suchen.“ Sodann geht das Abenteuer los, in altbewährter Manier, im Ton erinnernd an die berühmte gefräßige Raupe. Der kleine Bär geht von Tier zu Tier, doch keines will ihn fressen. Er kommt und kommt nicht in den Bärenhimmel, die Eule belehrt ihn, dass er da nicht hingehört, er sei doch noch jung und die Welt um ihn herum ganz wunderbar, doch das stimmt nicht: es regnet, der Bär wird nass, er ist allein und jetzt erst recht ganz furchtbar traurig. Erst ganz am Ende entdeckt er dann etwas, wir ahnen es schon, es ist die heimische Höhle. Der Himmel auf Erden, die Eltern warten schon.
Wie ich eingangs sagte, eine Geschichte, ganz nach meinem Geschmack: Ich war gerührt als ich das las und noch mehr als ich es betrachtete, denn der kleine Bär ist ein entzückender Kerl, das liegt an seinem Vater. Wolf Erlbruch ist der Illustrator, das Buch lebt von seinen Bildern, von seinem unverwechselbaren Stil: Eine Mischung aus Zeichnung und Collagetechnik mit scharfen Umrissen das Wesentliche betonend, das Skurrile andeutend, und mit einem großen Gespür für Zartheit im Details. So haucht Erlbruch diesem kleinen Gesellen so viel Leben ein, dass man richtiggehend nachdenkt. Doch ach, das hat auch meine Tochter gemacht, zugegeben, mit 13 Jahren nicht gerade das anvisierte Lesealter, aber was sagte sie? Da geht es ja um Selbstmord. Das Kind hat recht. Und plötzlich schau ich dieses Buch mit anderen Augen an, vor allen Dingen lese ich es noch mal.
Ein Bär, der sich auf mehreren Stationen fressen lassen will. Stimmt das? Sind Bären nicht gerade die Tiere, die nicht gefressen werden. Passt das Ansinnen zu einem Bären, würde ich dieses Buch einem Kind vorlesen wollen: Tiger bitte friß mich auf, Schlange bitte beiß mich tot. Aber das ist doch so herrlich naiv. Sind Kinder nicht so? Würden sie nicht auch die Frage stellen, kann ich nicht tot sein, um zu Opa zu kommen? Würden sie das? Und warum ist der kleine Bär eigentlich so dumm, einen Elefanten zu fragen, ob er ihn frisst, der mag doch nur Pflanzen und wieso bibbert die Schlange und will sein Fell, Schlangen frieren doch nicht. Wozu das alles?
Plötzlich habe ich einen schweren Verdacht, ich bin reingefallen. Das Buch ist rührend, der kleine Bär ist süß, doch die Geschichte ist Quatsch. Der kleine Bär will nämlich nicht zum Großvater, sondern dahin wo alle Bären glücklich sind, er sucht das Glück, nicht den Opa, der kommt in der ganzen Geschichte nur noch in einem Satz vor. Aber das Getötet werden wollen, als Aufhänger zur Glückssuche zu machen, testen sie das mal aus, die Fragen der lieben Kleinen: Warum will der denn sterben? Antwort: Weil der zu dem Opa will. Ist das gut, wichtig, pädagogisch wertvoll, erweitert das den Horizont. Müßte der Bär nicht den verlorenen Opa finden? Vielleicht im Herzen, oder im Traum? Nichts von allem.
Das ist ein Buch für Erwachsene, die manchmal sentimental werden wie anscheinend ich. Aber macht nichts, das sind ja auch die Käufer. Wenn sie es Kindern vorlesen wollen, dann denken sie vorher gut über Fragen und Antworten nach, ich glaube da kommt man ins Schleudern und geben sie es nicht den 13 jährigen, dann wird es ernst.
Dolf Verroen, Wolf Erlbruch: Ein Himmel für den kleinen Bären, Hanser Verlag, 32 Seiten, durchgehend farbig illustriert, 12,90€.