Dass der "Aachener Vertrag" die deutsch-französischen Beziehungen schon auf eine völlig neue Ebene gehoben hätte - nein, das kann man noch nicht sagen. Aber die Chancen stehen gut, erzählt Anne Tallineau, seit dem 1. Januar ist sie die neue Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Jugendwerks. In beiden Ländern sei das Verständnis füreinander in den letzten Jahren immer besser geworden, insbesondere bei jungen Franzosen sei Deutschland inzwischen äußerst beliebt.
"Als ich nach Deutschland kam, 1994, sagten alle meine Freunde: Du gehst nach Berlin? Was willst Du dort machen!? Und dann hat es sich umgekehrt: Als ich zurückkam nach Paris, sagten sie: Oh, Du hast so viel Glück, in Berlin zu leben! Also – Berlin ist cool, Hamburg ist cool, im Kulturbereich ist auch Nordrhein-Westfalen sehr cool, ist sehr gut angesehen."
Jugendliche mit Förderbedarf schwer zu erreichen
Mit dem "Aachener Vertrag" bekam das Deutsch-Französische Jugendwerk mehr Geld, aber auch klare Aufgaben zugewiesen: mehr Austauschprogramme und höhere Teilnehmerzahlen. Doch das brauche noch Zeit, meint Anne Tallineau, insbesondere sei es schwer, auftragsgemäß mehr Jugendliche aus nicht-akademischen Familien zu fördern, die etwa wegen finanzieller oder auch geografischer Hürden bisher keinen Zugang zu internationalen Austauschprogrammen hatten.
"Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, die sind irgendwie schwer zu erreichen, also müssen wir einen Weg finden mit Kommunikation, in den sozialen Netzwerken, mit pädagogischer Arbeit. Das ist eine Herausforderung, die auch mit Europa zu tun hat: Wie können wir ein breiteres Spektrum der Bevölkerung erreichen, damit wir den Populismus bekämpfen – aber das sind sehr spannende Herausforderungen."
Fürs metallverarbeitende Handwerk nach Deutschland
Besuch bei Nathalie Boyer in Rosny-sous-bois, einer Stadt im Osten von Paris. Dort leitet sie die "Mission Locale", eine städtische Einrichtung, die 16- bis 25-Jährigen bei der Stellen- oder Ausbildungssuche hilft. Etwa 2.000 Jugendliche werden jährlich betreut; seit zwei Jahren gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Jugendausbildungszentrum (JAZ) in Berlin Potsdam. Dorthin werden jedes Jahr zwölf junge Französinnen und Franzosen für ein oder zwei Wochen vermittelt; sie arbeiten dort gemeinsam mit deutschen Jugendlichen in einer Art Campus zusammen, insbesondere metallverarbeitende Handwerkszweige sind bei den Franzosen gefragt.
"Und bisher fanden es alle großartig, sehr bereichernd! Erst hatten sie Angst vor der Sprachbarriere, aber damit war es sofort vorbei, sie haben einfach die Übersetzer-Apps ihrer Telefone benutzt, manche konnten ein wenig Englisch und nicht wenige Deutsche konnten Französisch. Ich war bei zwei Aufenthalten dabei und jedes Mal fand etwa die Hälfte der Teilnehmer danach sofort einen Ausbildungsplatz, einige genau in dem Arbeitsbereich, den sie in Deutschland kennengelernt hatten."
Umgekehrt kommen pro Jahr 15 deutsche Auszubildende nach Frankreich, weitaus mehr melden sich an, entsprechend lang sind die Wartelisten. Die "Mission Locale" in Rosny-sous-bois wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk gefördert, die Departments-Verwaltung gibt Geld, sowie ein Sponsor aus der Industrie. Das könne es auf die Dauer nicht sein, meint Nathalie Boyer.
"Man muss diese deutsch-französische Freundschaft weiterentwickeln, und das heißt vor allem: es braucht deutlich mehr Geld für solche Austauschprogramme. Sie sind so nützlich, aber noch können sie nur vereinzelt stattfinden. Gäbe es mehr Mittel und weitere Partnerschaften mit Deutschland – das wäre gut."
Wachsendes Interesse an Deutschkursen
Beim Pariser Goethe-Institut ist man mit dem wachsenden Interesse an der deutschen Sprache zufrieden. Genau 611 Kursteilnehmer werden dort derzeit unterrichtet, eine Steigerung von rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch eines, erzählt der stellvertretende Institutsleiter Stefan Brunner, habe sich auch im Jahr eins nach dem "Aachener Vertrag" nicht geändert:
"Ich glaub, die deutsche Sprache hat in Frankreich nach wie vor den Ruf, dass sie nicht so übermäßig wohlklingend sei und dass sie vor allem schwierig zu erlernen sei. Das ist ein Ruf, den Deutsch einfach mit sich herumschleppt."