Die Kampagne vor einem Jahr war laut und für viele auch: eine Provokation.
"Viele Leser fühlen sich nicht mehr gut informiert vom Journalismus im Netz."
"Was Mangelware ist, ist gute Recherche."
"Man hat das Gefühl, da war kein Geld wirklich da, da war keine Zeit da."
"Und jetzt ist es der Moment – irgendwie so ein Geburtsmoment."
Der Geburtsmoment, das war die Gründung von "Krautreporter", einem Projekt, dem immer wieder unterstellt wird, nichts Besonderes zu sein, das aber sehr wohl mit Geschichten aufwartet, die nicht auf jedem x-beliebigen Online-Portal zu finden sind.
"Krautreporter"-Geschichten drehten sich jüngst um das Drama eines Bergsteigers, der das Erdbeben in Nepal überlebte – anders als seine Freunde. Auch der Wandel im Einzelhandel ist Thema, die digitale Paranoia und die Frage, warum Lokführer vielleicht doch streiken sollten. Sebastian Esser, Initiator des Projekts, ist zufrieden:
"Wir hatten gute Geschichten und gerade eben sogar eine News produziert, nämlich, dass ein großer Teil der Leute im Jugendarrest Schulschwänzer sind. Diese Woche macht's journalistisch Spaß."
"Crowdfunding-Beiträge in Mitgliedschaften verwandeln"
Spaß ist das eine, das Geschäft das andere. Und darum macht sich Esser Sorgen. Gut 15.000 Abonnements haben die "Krautreporter" über ihre Crowdfunding-Kampagne verkauft zu 60 Euro im Jahr, insgesamt gut eine Million Euro. Geld, das im Voraus floss und um das sich die "Krautreporter" aufs Neue bemühen müssen:
"Die erste große Hürde, an die wir jetzt ständig denken, ist, dass wir die bitten müssen, ihre Crowdfunding-Beiträge in eine Mitgliedschaft zu verwandeln, die sich dann auch selbständig erneuert. Und davon hängt es auch ab, wie's weiter geht mit 'Krautreporter', weil davon hängt ab, wie hoch unser Budget fürs zweite Jahr ist."
Zwar haben die "Krautreporter" nach Abschluss ihrer Kampagne 3.000 zusätzliche Mitglieder gewinnen können. Doch anderorts ist man mit einem ähnlich gelagerten Projekt viel weiter: Bei "De Correspondent", dem "Krautreporter"-Vorbild aus den Niederlanden, waren es zum Start etwa 18.000 Abonnenten, also ähnlich viele wie bei den "Krautreportern" – nur hat sich "De Correspondent" viel stärker entwickelt, wie Herausgeberin Milou Klein Lankhorst neulich auf einem Kongress erzählte:
"Eineinhalb Jahre später haben wir fast 33.000 zahlende Mitglieder, die mit 60 Euro im Jahr unseren unabhängigen Journalismus finanzieren. Unser Team besteht jetzt aus 24 Vollzeitkräften, 13 von denen sind schreibende Redakteure."
Internationales Journalistenprojekt "Write that down"
Ein Apparat – davon sind die "Krautreporter" weit entfernt, die dezentral arbeiten und oft auch anderorts publizieren. Esser bereitet sich sogar auf eine Verkleinerung vor. Er will seine ursprüngliche "Krautreporter"-Plattform wiederbeleben, jetzt unter dem Titel "Write that down", also "Schreib das auf". Journalisten sollen hier erneut Geld für Recherchen sammeln können – diesmal international.
"Das heißt, man kann Projekte gleichzeitig in mehreren Sprachen durchführen und dazu brauchen wir aber mehr Zeit. Das Magazin wird es weiter geben, möglicherweise in einer etwas niedrigeren Frequenz."
Statt mit zwei bis vier Geschichten pro Tag rechnet Esser mit ein bis drei, die dann wiederum teils mit Partnern aus dem Ausland produziert werden. Außerdem wird aus den "Krautreportern" eine Genossenschaft. Das soll Stabilität bringen. Die scheint dringend nötig. Jedenfalls droht den "Krautreportern" Reduktion, während "De Correspondent" expandiert. In den Niederlanden gibt es auch deutlich weniger überregionale Titel und damit Bedarf für zusätzlichen Journalismus. Und noch etwas ist anders: "De Correspondent" kann nur lesen, wer dafür auch zahlt. Für "Krautreporter"-Chef Esser auch künftig kein Modell:
"Bei uns ist es etwas völlig anderes. Wir wollen das nicht. Wir wollen nicht hinter einer Paywall stattfinden, sondern wir wollen, dass es auch möglich ist, in aktuelle Diskussionen eingreifen zu können."
Genau das passiert aber bislang viel zu selten: dass die Krautreporter zitiert werden, dass man über ihre Artikel spricht. Den "Krautreportern" fehlt es also nach wie vor an Präsenz. Nicht die beste Ausgangsposition für die nächste Kampagne.