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Ein Jahr Manga-Verlag
Absurde Parallelwelten für Erwachsene

Seit einem Jahr bietet der Verlag Manga Cult japanische Comics für Erwachsene in Deutschland an. Die meisten der Leser wurden als junge Menschen beim ersten großen Manga-Boom vor rund zehn Jahren für die Comics begeistert. Genau die Zielgruppe des jungen Verlages.

Von Andrea Heinze |
    Messebesucher liest an einem Stand mit Manga Comics während der Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main, 2007
    Auch Erwachsene mögen Manga (Imago/ Sven Simon )
    Noch ein Manga-Verlag in Deutschland? Es gab einige skeptische Stimmen, als der Cross-Cult Verlag vor einem guten Jahr mit seinen Plänen rausrückte. Immerhin erscheinen hierzulande jedes Jahr schon mehr als 800 Manga. Und im Verlag hatte niemand Erfahrung mit dem schwierigen japanischen Markt - warum sollte die japanische Comic-Industrie einem Neuling überhaupt Lizenzen verkaufen?
    Michael Schuster: "Ich habe da tatsächlich immer gar keine gute Antwort drauf, weil ich selbst ein bisschen überrascht bin, dass wir in einem knappen Jahr so ein massives Manga-Programm mit wirklich Lizenzen von den großen Verlagen Kōdansha, Shūeisha, Kadokawa, auch Shōgakukan haben?"
    Kafkaeske Geschichten
    Michael Schuster hat das Programm bei Cross-Cult aufgebaut. Er hat Japanologie studiert und schon immer eine Leidenschaft für Manga.
    "Ich würde ja gern eine tolle Geschichte erzählen, aber die fanden einfach unsere Idee von Wiederauflage von Klassikern in schönen Sammlereditionen großartig und waren von Anfang an mehr oder weniger dabei."
    Dass Manga Cult mit dem Ninja-Titel "Basilisk" und mit der Science-Fiction-Dystopie "Blame" gestartet ist, war eher willkürlich: Michael Schuster hat dafür einfach zuerst die Lizenzen bekommen. Und dass ausgerechnet "Blame" bei den Lesern gut ankommt, überrascht. Denn im gesamten ersten Band irrt der Protagonist, vermutlich im Auftrag der Regierung, durch ein Labyrinth aus ruinösen technischen Anlagen, die wie unendliche, kaputte Datacenter wirken. Die erzählerische Struktur könnte von Kafka kommen - so absurd klingt sie an vielen Stellen. Dass viele Leser an der recht wirren Geschichte hängen geblieben sind, ist wohl vor allem den sozialen Medien zu verdanken.
    "Ich glaub, wer es komplett gelesen hat und es auch verstanden hat, soweit man es verstehen kann - der wird dann zum Fan, weil es schon etwas Besonderes ist. Bevor wir den ersten Band veröffentlicht hatten, ging schon durchs Internet: 'Oh, 'Blame' kommt wieder, müsst ihr unbedingt lesen.' Das heißt, der hat schon einen Ruf, der die Leute zwingt, wenigstens in den zweiten Band zu lesen. Und ab da nimmt die Geschichte Fahrt."
    Klassiker aus dem frühen 21. Jahrhundert
    Knapp 4.000 Mal hat sich der erste Band von "Blame" verkauft, die Folgebände laufen ähnlich gut. Im Comic-Bereich ist das für eine Hardcover-Ausgabe, die knapp 30 Euro kostet, richtig gut. Manga Cult richtet sich an die Leser des ersten großen Manga-Booms vor rund zehn Jahren, die jetzt erwachsen geworden sind und sich prächtige Sammlerausgaben leisten können. Schon damals waren sie Fans der wenigen Manga für Erwachsene, nun wollen sie die vergriffenen Hefte wieder lesen, also Klassiker aus dem frühen 21. Jahrhundert, die nun bei Manga Cult erscheinen.
    Neuen Lesestoff bietet Manga Cult preiswerter als Paperback. Und doch sind die Verkaufszahlen in diesem Segment im Vergleich zu anderen Manga-Verlagen wie Egmont oder gar Carlsen recht niedrig. Egal, meint Michael Schuster - er will für Manga Cult erst mal ein solides Programm aufbauen. Dazu gehören etwa Titel wie "Green Worldz", in dem mutierte Pflanzen die Menschheit angreifen - ein Titel, der an weltweit erfolgreiche Bestseller anknüpft.
    "'Green Worldz' ist ein Titel, der auf den ersten Blick an 'Attack on Titan' oder 'Tokio Ghoul' erinnert Aber ja, wenn wir den nächsten 'Attack on Titan' im Programm haben können, würden wir nicht nein sagen."
    Experimente wagen
    Bislang hatte Michael Schuster einen ganz guten Riecher. Manga Cult lag mit seinen Veröffentlichungen für 2017 schon auf Platz sechs der deutschen Manga-Verlage - obwohl das Label da nicht mal ein halbes Jahr auf dem Markt war.
    Dazu beitragen sollen auch stil- und genrebildende Manga, wie die Reihe mit dem Titel "Gantz", die in diesem Monat startet. Hier müssen sich Jugendliche in einer Spielrealität gegeneinander behaupten. "Gantz" kam im Jahr 2000 in Japan raus, lange vor den berühmten "Hunger Games". Der Manga-Bereich ist vermutlich deshalb so kreativ, weil unglaublich viele Manga produziert werden, meint Michael Schuster, da werden immer wieder auch Experimente gewagt und für jeden Geschmack findet sich eine Nische.
    "Man sieht halt im Manga Dinge, ob man es jetzt gut heißen will oder nicht, die man selbst in den übelsten Splatterfilmen nicht mal sieht. Manga können schon wirklich krass sein. Und ich denke, dass macht schon dieser 'Gantz'-Geschichte aus: dieses Hilflose, ich bin ein in einen Raum gesperrt, ich muss gegen Außerirdische Kämpfen, meine ganzen Freunde sterben wie die Fliegen. Es gibt nicht den strahlenden Helden, die Charaktere sind ja alle total verkorkst, ich denke, dass es die Faszination ausmacht."