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Ein Jahr mit Verlegerpaar Friedrich
Wie sich die "Berliner Zeitung" entwickelt hat

Im September jährt sich die Übernahme der "Berliner Zeitung" durch Silke und Holger Friedrich. Nach einem turbulenten Jahr mit Diskussion um die Stasi-Vergangenheit des Neu-Verlegers und einigen Personalwechseln blickt die Zeitung ohne Chefredakeur und mit unklarer Auflage in eine ungewisse Zukunft.

Claudia van Laak im Gespräch mit Annika Schneider |
Die "Berliner Zeitung" steckt am 17.10.2019 in einem Briefkasten.
Die "Berliner Zeitung" war eine der ersten Tageszeitungen, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde (picture alliance / dpa-Zentralbild / Soeren Stache)
Im September 2019 übernahmen Silke und Holger Friedrich mit dem Kauf des Berliner Verlags die "Berliner Zeitung". Es sei eine "Rückkehr in die Hände von Berlinern", schieb das Verlegerpaar zwei Monate später in einem Editorial zum 30. Jahrestag des Mauerfalls.
Die "Berliner Zeitung" war seit der Wiedervereinigung durch einige Hände gegangen: Von Gruner & Jahr über Holtzbrinck und den britischen Medieninvestor David Montgomery bis zuletzt zur Mediengruppe Dumont.
Silke und Holger Friedrich.
"Mit dem Kauf des Berliner Verlags wollen wir versuchen, der sich ausbreitenden strukturellen Langeweile in dieser Stadt, in diesem Land eine mediale Plattform entgegenzusetzen", so Holger und Silke Friedrich im November 2019. (dpa / Jens Roetzsch/DuMont-Mediengruppe)
Stasi-Vergangenheit überschattete Übernahme
Die Übernahme durch die Friedrichs hatte viele Beobachter zunächst überrascht, denn die neuen Verleger waren als IT-Unternehmer reich geworden und galten als Neulinge in der Medienbranche.
Für Aufsehen sorgte schließlich Mitte November 2019 eine Recherche der "Welt am Sonntag", die öffentlich machte, dass Holger Friedrich in seiner Armeezeit von 1988 bis 1989 Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war. Ein daraufhin von der "Berliner Zeitung" in Auftrag gegebenes Gutachten entlastete Holger Friedrich jedoch weitestgehend.
Der neue Eigentümer der Berliner Zeitung: Holger Friedrich.
Stasi-Gutachten entlastet Holger Friedrich
Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk haben die Stasi-Akten des neuen Eigentümers des Berliner Verlags analysiert. Ihr differenzierter Bericht zeigt einen anderen Umgang mit schuldhafter Vergangenheit auf, kommt aber zu spät.
Unklare Blattlinie
Doch die "Berliner Zeitung" machte trotzdem weiter Schlagzeilen. Im Februar 2020 verließen die Chefredakteure Jochen Arntz den Verlag, nur drei Wochen später ging auch der neu eingesetzte Chef Matthias Thieme. Seitdem ist die Zeitung ohne Führung.
Die Abwesenheit einer Chefredaktion mache sich im Blatt bemerkbar, analysiert Deutschlandfunk-Korrespondentin Claudia van Laak. Zum einen fehle es an einer "Blattlinie", zum anderen sei unklar, inwieweit sich Holger Friedrich inhaltlich einmische. Die "Berliner Zeitung" war für einen lobenden Bericht über eine Firma kritisiert worden, an der der Verleger beteiligt ist, denn sie thematisierte den möglichen Interessenkonflikt nicht.
Unklare Auflagezahlen
Neben inhaltlichen Fragen gebe es auch wirtschaftlich Unklarheiten. Zwar hätten die Verleger der "Berliner Zeitung" und dem ebenfalls zum Berliner Verlag gehörenden "Berliner Kurier" einen Digitalisierungsschub und neue Webseiten verpasst, seit April meldet der Berliner Verlag allerdings keine Auflagenzahlen mehr der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW). Der Verlag begründet dies mit der Covid-19-Krise.
Korrespondentin van Laak geht davon aus, dass die Auflage der gedruckten Zeitung gesunken sei. Da zudem das E-Paper der Zeitung gratis angeboten werde, sei fraglich, ob der Verlag derzeit überhaupt schwarze Zahlen schreiben könne. Die Zukunft des Blatts sei damit sehr ungewiss.