Als Kind wollte er König der Welt werden, mit seinen Ambitionen auf den Job des Premierministers stapelte er stets tief: So groß wie die Wahrscheinlichkeit als Olive wiedergeboren zu werden, seien seine Chancen. Wie gering auch immer sie tatsächlich war, Boris Johnson nutzte sie. Haushoch siegte Brexit-Boris vor einem Jahr gegen Mitkonkurrent Jeremy Hunt bei der Wahl des konservativen Parteichefs und wurde - ohne vom Volk direkt gewählt zu sein - Premierminister.
Nicht weniger als ein goldenes Zeitalter für ein von den EU-Fesseln befreites Großbritannien kündigte der für markige Sprüche und salbungsvolle Phrasen bekannte Johnson in seiner ersten Rede im Unterhaus an.
Gleich die ersten Tage und Wochen seiner Amtszeit wurden freilich weniger golden als turbulent. Die konservative, nur von der nordirischen DUP getragene hauchdünne Mehrheit stand auf sehr wackligen Füssen und um sich des lästigen Parlamentes und seines Widerstandes gegen einen Brexit um jeden Preis zum 31. Oktober zu entledigen, schickte "BoJo", wie seine Anhänger Boris Johnson nennen, das Parlament kurzerhand in die verlängerte Sommerpause, die das Oberste Gericht gegen den Willen von King Boris allerdings wieder verkürzte.
Zunächst Niederlagen im Parlament
Parlamentssitzungen wurden zu wahren Redeschlachten. Brexitkritische Abgeordnete klagten, sie würden mit dem Tod bedroht und mit Worten des Premierministers als Verräter und Kapitulierer bezichtigt. Alles Humbug für Boris Johnson. Der Mann, dessen strohblonde Haarpracht man allenfalls mit einem Mopp vergleichen kann, machte auch mit Gegnern in den eigenen Reihen kurzen Prozess und ließ 21 Abgeordnete aus der Fraktion ausschließen.
Statt lieber tot im Graben zu liegen, musste er dann doch in Brüssel um Verlängerung für den Brexit-Termin bitten, nachdem auch der von ihm ausgehandelte Brexit-Deal mit einer Zollgrenze in der Irischen See keine Mehrheit im Parlament fand.
Und auch wenn er sich mit Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn einig glaubte, keine vorgezogene Unterhauswahl zu wollen, blieb ihm am Ende keine Wahl als eine Unterhauswahl am 12. Dezember. "Wir haben es geschafft, ich möchte allen zum größten Wahlsieg seit den 1980er-Jahren gratulieren und jetzt können wir - den Brexit vollziehen."
Satte Mehrheit bei Neuwahl
Das Mehrheitswahlrecht, eine gewisse Brexitdebatten-Müdigkeit und ein wankelmütiger Labourführer Corbyn hatten den Tories eine 80 Sitze Unterhausmehrheit beschert. Beste Voraussetzungen für den werdenden Vater in Downing Street Nummer 10 zu schalten und walten.
"Ich werde mich ins Zeug legen, um Ihre Prioritäten zu erfüllen", versprach der neue, alte Premierminister in seiner Neujahrsansprache. Der Brexit würde am 31. Januar vollzogen und Großbritannien wieder Kontrolle über seine Grenzen, sein Geld, seine Gesetze und seinen Handel bekommen, so Vertrauen schaffen und eine Flutwelle an Investitionen lostreten.
Mit der Kontrolle - das war wohl zunächst etwas übertrieben: Denn bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsfrist und angesichts der stockenden Verhandlungen droht statt Kontrolle Chaos am Ende des Jahres durch einen harten Brexit.
Dessen fatale Wirtschaftsfolgen lassen sich natürlich jetzt prima durch Corona entschuldigen. Und diese anfangs auch von Johnson wohl eher als vernachlässigbare kleine Grippewelle betrachtete Pandemie hat den 1964 geborenen Alexander Boris de Pfeffel Johnson doch sehr alt aussehen lassen.
Wenn du durch die Hölle gehst, geh weiter...
Denn so phantastisch war das Gesundheitssystem, Test und Überwachungssystem von Corona dann doch nicht. Johnson musste eine Kehrtwende machen, den Lockdown anordnen und kam nach eigener Erkrankung Anfang April eher reumütig zurück und musste zugeben, dass "noch viele Familien ihre lieben Angehörigen verlieren werden".
Mit offiziell über 45.000 Corona-Toten, einem immer noch nicht wirkungsvollen Test- und Nachverfolgungssystem, einem massiven Wirtschaftseinbruch und ohne europäische Solidarität steht Johnson vor einer Herkulesaufgabe. Mit Keir Starmer als neuem Labour-Führer hat Johnson wieder einen ernstzunehmenden Kontrahenten, der mittlerweile populärer als er selbst ist.
An Boris Johnson scheiden sich ohnehin die Geister: Als einen der gefährlichsten Premierminister, die das Land jemals hatte, bezeichnete die Kolumnistin Yasmin Alibhai-Brown ihn neulich in einem Radiointerview und steht mit dieser Meinung wahrhaftig nicht allein. Boris Johnson spaltet das Land in einer extrem schwierigen Zeit. Spionage und Wahlbeeinflussung durch Russland, Kräftemessen mit China um Hong Kong und Huawei, ein taumelnder Freund Donald Trump im Weißen Haus, Brexit- und Corona Folgen.
Wenn Du durch die Hölle gehst, musst du einfach weitergehen. Vielleicht sollte der Churchill Bewunderer und -Biograph Johnson diesen Spruch seines Vorbildes gerade jetzt beherzigen.