"Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, am heutigen Donnerstag, den 10. September, findet der erste bundesweite Warntag seit der Wiedervereinigung unseres Landes statt." Stephan Mayer, vor einem Jahr Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium: "Die Länder und der Bund haben die Warnstrukturen in den letzten Monaten und im letzten Jahr deutlich verbessert und neu aufgestellt."
Um 11 Uhr sollte ein Probealarm losgehen: mit Sirenen, den Warn-Apps NINA, Katwarn oder BIWAPP, Durchsagen über Lautsprecherwagen, Radio, Fernsehen, mit digitalen Werbetafeln. "Wenn Gefahr im Verzug ist, wenn ein Störfall sich ereignet, wenn ein Unwetter tobt oder wenn eine Naturkatastrophe naht, sollen Sie, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, zeitnah und akkurat informiert werden." So die Absicht.
Warnsystem war überlastet
Ein Belastungstest für die technische Infrastruktur! Eine Sensibilisierungs-Kampagne - damit alle verstehen und begreifen, dass auch Deutschland gegen Gefahren und Katastrophen nicht immun ist. "Die Umsetzung ist jedoch aus Sicht des Innenministeriums fehlgeschlagen", heißt es in der "Tagesschau". Es gab technische Probleme. "So kamen die Meldungen der digitalen Warn-Apps verspätet auf den Smartphones der Nutzer an."
Erst nach einer halben Stunde liefen die Warnungen auf den Handys ein. Im Ernstfall wäre das viel zu spät gewesen. Der Grund: Vorgesehen war, dass nur der Bund deutschlandweit eine zentrale Warnung auslöst. Über das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK und dessen Warnsystem MoWas. Das arbeitet zwar kabelgebunden und satellitengestützt und ist damit unempfindlich gegen Stromausfälle und terrestrische Störungen. Doch es war überlastet, als zeitgleich mit dem BBK rund 30 angeschlossene Leitstellen ebenfalls ihre Meldungen absetzten. MoWas brach zusammen, so dass um 11 Uhr der Ping auf dem Handy ausblieb.
Ernüchternde Bilanz des Sireneneinsatzes
Auch sonst deckte der Test einiges auf. Etwa, dass nicht alle privaten Radiostation ihre Sendungen unterbrachen. Ernüchternd auch die Bilanz des Sireneneinsatzes. Sehr viel war davon ohnehin nicht zu erwarten gewesen, weil Deutschland kein flächendeckendes Sirenennetz mehr hat: Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte der Bund das Netz aufgegeben und es den Kommunen zur Übernahme angeboten. Die bauten vieles aus Kostengründen ab: als Friedensdividende. Unerwartet war jedoch, dass es auch in etlichen Orten, in denen es Sirenen gab, still blieb: Nicht alle Anlagen funktionierten – und wenn sie dann doch losgingen, heulten manche nur leise. Und so hieß es aus dem Innenministerium: "Man wolle den heutigen Probelauf umfassend aufarbeiten und das Warnsystem pannensicher machen."
Die Konsequenzen des Bundes: Der Chef des Bundeamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe musste gehen – und man beschloss, den Ländern mit 88 Millionen Euro beim Ausbau des Sirenennetzes und seiner Ertüchtigung zu helfen. Ein Projekt, das sich hinzieht. So weiß man immer noch nicht, wie viele Sirenen eigentlich in Deutschland überhaupt noch existieren und wo und in welchem Zustand sie sind. Ein Warnmittelkataster wird jetzt aufgebaut.
Defizite auf tragische Weise bestätigt
Für viele stellte sich der bundesweite Warntag als Fehlschlag dar. Doch er könnte auch als Erfolg verbucht werden. Denn er legte schonungslos dar, wie groß die Mängel und Defizite sind und wie wenig resilient Deutschland im Ernstfall tatsächlich ist. Zehn Monate später wird sich das auf tragische Weise bestätigen.
"In den nächsten 48 bis 60 Stunden ziehen mit Unterbrechungen wiederholt Starkregengebiete mit eingelagerten Gewittern auf. Bis Donnerstagsfrüh können aufsummiert örtlich begrenzt Regenmengen von bis zu 200 l/qm auftreten. Das ist ein erster Hinweis auf eine Wetterlage mit hohem Unwetterpotenzial."
Am 13. Und 14. Juli ließ Sturmtief "Bernd" vor allem im Süden Nordrhein-Westfalens und im Norden von Rheinland-Pfalz Starkregenfälle niederprasseln. Rinnsale, Bäche und Flüsse traten über die Ufer und entwickelten eine ungeahnte Gewalt, die selbst an massiven Betonbauten aus den 1970er-Jahren nicht spurlos vorüberging.
"Wenn dann dieser Hochwasserschutz überspült wird, schießt das Wasser natürlich entsprechend wie mit einer Flutwelle durch das Krankenhaus. Es hat ja sogar dazu gereicht, einen vier Tonnen schweren MRT aus den Angeln zu reißen. Also das Wasser hat einen Vier-Tonnen-MRT in die Ecke gespült." Elmar Wagenbach, Geschäftsführer am Sankt Antonius-Hospital in Eschweiler. "Und so sind dann auch alle Brandschutztüren aus dem Rahmen, aus den Ankern gerissen. Türen, die 90 Minuten Feuer standhalten müssen, wurden einfach weggespült."
Warnung vor Hochwasser-Katastrophe kamen nicht an
Rund 100 Meter liegt das Hospital von dem kleinen Fluss Inde entfernt. Obwohl der Hochwasserschutz des Krankenhauses auf 3.40 Meter ausgelegt ist und damit einen Meter höher als verlangt, waren Kellergeschosse und Parterre nicht zu halten. Im Interview trifft Elmar Wagenbach eine ernüchternde Feststellung: Sirenen hätten er und seine Kollegen keine gehört. Und: Auf eine Warnung würde er noch heute warten.
"Wir haben keine Prognosen bekommen, wie schnell steigt das Wasser, wie dramatisch wird sich die Lage entwickeln. Und deswegen sind wir, nachdem wir ja im letzten Jahr zu den Hobbyvirologen ausgebildet wurden, waren wir dann Hobbymeteorologen und haben uns halt alle Daten im Netz zusammengegriffen von Regenprognose bis hin zur Wasserentwicklung an anderen Pegel-Messstellen und haben uns dann halt ausgerechnet, wie lange es dann dauert, bis das Wasser dann zu uns kommt."
Die Bilanz des katastrophalen Starkregens im Juli: mehr als 180 Tote und allein die versicherten Schäden werden derzeit mit 11,5 Milliarden Euro beziffert. Es war eine Katastrophe, die selbst Experten überraschte. Die beiden Wissenschaftler Ortwin Renn und Martin Voss: "Also dieser Starkregen bei gerade kleineren Flüssen, die dann völlig über ihre Ufer getreten sind und ungeheure Kraft ausgeübt haben, das hatte ich in dem Maße eigentlich nicht erwartet."
Auch Wissenschaftler überrascht
"Das hat mich an der Stelle vieles durchaus auch sehr zum Nachdenken gebracht, weil es ein Ereignis war, das in der Tat in Deutschland ich nicht auf dem Radar hatte, dass es also durch starke Niederschläge zu so einer Lage kommen kann." - "Wir haben da sicherlich auch, ich sage mal, die Veränderungen, die durch Klimawandel eingetreten sind, noch unterschätzt. Wir haben gedacht das kommt vielleicht doch eher später."
Wie zuvor der Warntag wirft auch das Geschehen im Juli ein Schlaglicht auf Defizite und Mängel: Bei Konzepten, deren Strukturen und Mechanismen. Und: Bezüglich der Resilienz der Gesellschaft. Also der Anpassungsfähigkeit von Menschen, sich auf neue und schwierige Situationen einzustellen. Die Kriegsgeneration ist davon ausgenommen, ihre Erinnerungen halten an, doch den später Geborenen fehlen oft Erfahrungswerte.
"Unsere Gesellschaft, gerade speziell in Deutschland, die ist aufgrund der wenigen schweren Ereignisse, die wir in der Vergangenheit hatten, nicht an Katastrophen gewöhnt. Und wenn man nicht an Katastrophen gewöhnt ist und sich auch auf Katastrophen nicht einstellt, ist man nicht mehr widerstandsfähig, wenn‘s dann dicke kommt."
Ganz anderen Dimensionen von Katastrophen-Ereignissen
Wolfram Geier, Leiter der Abteilung Risikomanagement und internationale Angelegenheiten im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. "Wir müssen uns klarwerden, dass wir mit ganz anderen Dimensionen von Katastrophen-Ereignissen in der Zukunft zu tun haben werden." Winterstürme, Hitzesommer, langanhaltende Dürren, Waldbrände, Starkniederschläge – schon die Liste der klimatischen Bedrohungen ist lang. Außerdem gibt es Nuklearunfälle, sind die Risiken durch Terrorangriffe gewachsen – und dann sind da Gefahren, die uns heute noch unwirklich erscheinen.
"Nehmen wir mal beispielsweise Cyber." Der Soziologe Martin Voss leitet die Katastrophenforschungsstelle an der Freien Universität Berlin: "Da denke ich, laufen wir in Szenarien hinein, die sehr konkret eigentlich schon absehbar sind und trotzdem noch vollkommen abstrakt im alltäglichen Umgang damit bleiben. Also mitnichten präparieren wir uns für das, was eigentlich längst schon läuft, nach meinem Empfinden." Diese Art von Risiken existieren für uns oft nur in Thrillern, in denen Hackerangriffe etwa zu einem Totalausfall in der Stromversorgung führen. "Das sind noch abstrakte, ungreifbare Sachen, die uns aber längst schon entgleiten und dann in ihrer Konsequenz am Ende viel gravierendere Schäden haben, die alles das, was wir eben konkret im Alltag fürchten, in den Schatten stellen."
Katastrophenschutz ist Ländersache
Die Gefahrenabwehr läuft in – wenn man so will – traditionellen Bahnen. Außer im Verteidigungsfall, also der Abwehr eines kriegerischen Angriffs, ist der Katastrophenschutz Ländersache – und damit sind die genauen Wege und Kompetenzen auch je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Was im Katastrophenfall passiert, wird vor Ort entschieden: Während auf Landesebene Stabsstellen Hilfe bei der Koordinierung leisten, ist die Warnung der Bevölkerung und das Einleiten von Maßnahmen Aufgabe der lokalen Katastrophenschutzbehörden. Sie sind es, die das gesamte Repertoire auslösen – von Sirenen über Lautsprecherwagen, Smartphone-Apps und Radio oder das Fernsehen. Reagieren lokale Stellen nicht, so passiert auch nichts. Dieselben Stellen entscheiden auch darüber, ob evakuiert wird oder nicht.
Im Juli waren Bürgermeister, Landräte und ihre Verwaltungen plötzlich mit einer ihnen unbekannten Situation konfrontiert und: ganz offensichtlich überfordert – nicht anders als die Bürger. Denn auch auf kommunaler Verwaltungsebene fehlte oftmals das Rüstzeug, um die Situation zu meistern. Darüber hinaus gilt: Eine Warnung allein reicht nicht, sie muss auch richtig verstanden werden.
"Diese Lage hat, glaub ich, wirklich einen wunden Punkt dahingehend getroffen, dass sie so sichtbar werden lässt, dass Information und Kommunikation eine wirklich komplexe Sache sind, dass es nicht darum geht, einfach nur eine rote Karte zu heben und dann wissen alle genau schon, was zu tun ist. Es ist ein Interpretationsprozess in erster Linie, jeder muss aus irgendeiner Information überhaupt erst einmal für sich etwas Relevantes machen."
Niemand denkt mehr vernetzt
Ein Prozess, bei dem immer die Gefahr besteht, dass jeder Adressat Informationen und eben auch Warnungen anders interpretiert als vom Absender beabsichtigt. Und diese Gefahr ist umso größer, weil in der Gesellschaft kaum jemandem mehr bewusst ist, dass tatsächlich etwas passieren kann. "Wir sind in einer arbeitsteilig ausdifferenzierten Gesellschaft im 21. Jahrhundert angekommen. Da gibt es quasi niemanden mehr, der eben auch noch vernetzt zu denken gelernt hat. Wir haben uns verabschiedet davon, uns selber mit komplexeren Prozessen, die uns umgeben, auseinanderzusetzen. Es wächst im Grunde genommen mit dieser arbeitsteiligen Grundhaltung auch ein Gefühl heran: Ich muss mich eigentlich auch nicht mehr sorgen um diese Dinge. Das machen ja schon andere, dafür sind die ja da."
Die Folge: Risiken werden unterschätzt. Auf allen Ebenen: von Politikern, der Verwaltung, von Bürgern. Das passiert umso mehr in vertrauter Umgebung. "Wir wissen das aus Umfragen, dass Leute eben diese Naturgefahren zu Hause unterschätzen, vor allem, wenn sie sie gewohnt sind, weil die Leute bislang immer gut weggekommen sind."
Nicht klar, was die Warnungen bedeuten
Ortwin Renn ist wissenschaftlicher Direktor am "Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung" (IASS) in Potsdam. Um bei der Juli-Flut zu bleiben: Deutscher Wetterdienst, das Europäische Flutwarnsystem Efas und die Hochwasserzentralen warnten. Doch nur wenigen Empfängern dieser Warnungen – das zeichnet sich immer deutlicher ab - dürfte klargeworden sein, was sie wirklich bedeuteten. Für Ortwin Renn hat das auch mit einer unzureichenden Spezifizierung zu tun:
"Ich glaube, es wäre gut, wenn man die Warnungen, sagen wir mal, noch stärker in Kategorien einteilen könnte. Wir machen das ja bei Erdbeben, bei anderen Dingen auch. Und die meisten Menschen wissen also, wenn wir sagen, wir haben ein Erdbeben von der Größe 8, dann wird man ja sagen: Um Gottes Willen, ja, da müssen sie was tun. Aber auch bei Flutwellen wäre es gut, wenn man so etwas kommunizieren könnte. So abstrakte Werte wie 100 Liter pro Quadratmeter oder anders, da können sich viele nicht so richtig was drunter vorstellen."
Warnung per Textnachricht
In anderen Ländern werde das durchaus schon gemacht. Mit Hilfe einer App, von der bereits nach dem Warntag 2020 die Rede war und die jetzt auch in Deutschland eingeführt wird: mit Cell-Broadcast. Anders als bei NINA und Co. wird bei diesem System keine APP installiert. Menschen werden automatisch per Textnachricht gewarnt – falls ihr Handy sich in einer Funkzelle befindet, für die eine Warnung ausgesprochen wird. Und diese Textnachricht gibt Verhaltenstipps:
"Das sind die Dinge, die du jetzt tun solltest. Also möglichst bloß nicht in den Keller gehen, auch wenn da die Fotoalben von der Oma liegen. Die sind dann halt weg, besser die als du. Ich glaube, das war den Menschen in der Regel nicht klar. Und ich glaube, da ist es ganz, ganz wichtig, dass man hier in den Warnungen auch deutlich macht: Es ist tatsächlich eine Lebensgefahr damit verbunden. Und das sind die wirklich notwendigen und wichtigen Dinge, die man tun muss und auch die man unterlassen muss."
Probleme sind nur die Spitze des Eisbergs
Allerdings funktioniert auch Cell-Broadcast nur solange, wie es Strom gibt – und Sendemasten. Werden die weggespült, bleibt auch Cell-Broadcast stumm, ebenso wie alle anderen Handy-Apps. Ohne Strom können die Bürger nur hoffen, dass die Verwaltung batteriegepufferte Sirenen gekauft hat – und sie selbst ein batteriebetriebenes Radio besitzen. Übrigens: Selbst der digitale Einsatzfunk der Rettungskräfte funktioniert bei vielen Anlagen ohne Strom nicht lange, weil die Akkus bei länger andauernden Krisen zu schnell leer sind. Die katastrophalen Sturzregen vom Juli haben gezeigt: Die Probleme, die beim bundesweiten Warntag von 2020 offenkundig wurden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Gesellschaft habe nicht alles perfekt im Griff, so Jürgen Margraf, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruhr-Uni Bochum. Nicht alles sei kontrollierbar – trotz allen technischen Fortschritts. "Im Mittelalter deutet alles darauf hin, dass die Menschen sich der Risiken viel mehr bewusst waren und da auch in gewisser Weise dann mindestens geistig darauf vorbereitet waren. Da müssen wir bei uns wieder mehr darauf achten."
Die Zeit, sich auf eine rauere Zukunft mit mehr Gefahrenpotential unterschiedlichster Art einzustellen, sie drängt. Ortwin Renn: "Je mehr der Klimawandel voranschreitet, desto wahrscheinlicher ist es, dass solche Extremereignisse sich häufen. Und wir haben bislang immer gesagt: Wir müssen gewappnet sein für ein 100-jähriges Hochwasser. Wir werden jetzt sagen müssen, dass wir wahrscheinlich uns einstellen müssen auf das, was wir früher mal als 1:200 oder sogar 1:300 Jahren erwartet hätten, weil dieses Risiko sich nun erhöht hat."
Wie viel Schutz will die Gesellschaft sich leisten
Doch je höher künftig die Fluten steigen, desto teurer wird der Schutz. Dabei ist Starkregen samt Folgen nur ein einziges Risiko unter vielen. Die Gesellschaft muss sich daher die Frage stellen: Wieviel Schutz will sie sich leisten? Martin Voss: "Die öffentliche Meinung muss sich ein Bild machen können davon, wie weit der Schutz auch der staatlichen Institutionen reicht, wo die Grenzen sind, um dann erkennen zu können, was muss ich selber tun. Das ist ein Wechselspiel."
Wenn es zu einer Katastrophe kommt, ist die Bereitschaft für Investitionen im Anschluss groß. Doch die Möglichkeiten sind begrenzt – sowohl mit Blick auf die Finanzen, als auch auf das, was realistisch machbar ist. Martin Voss plädiert daher für einen offenen gesellschaftlichen Diskurs. Denn: Pauschale Antworten gibt es nicht. "Natürlich kann man auch sagen, man gibt den Institutionen mehr Möglichkeiten, mehr Kapazitäten, dann kann man individuell sich wieder weiter zurücknehmen. Aber dann wird der Kindergarten oder die Schule vielleicht nicht saniert. Irgendwo muss das Geld dann auch herkommen. Oder man muss an die Steuer, die Einnahmeseite ran. Auch das ist möglich. Das muss man als Gesellschaft aushandeln."
Dem Schutz durch den Staat sind Grenzen gesetzt
Immer wichtiger ist daher die Erkenntnis, dass dem Schutz durch den Staat Grenzen gesetzt sind, dass daher auch jeder Einzelne und jede Einzelne lernen muss, sich und seine Nächsten zu schützen. Diese Fähigkeit in einer Gesellschaft, die bislang vergleichsweise katastrophenarm gelebt hat, zu reaktivieren, ist ein langer und schwieriger Prozess.
Aber es gibt Lehren aus anderen Ländern. Etwa in Bangladesch, wo in den 1960er und 70er Jahren Überschwemmungen Hunderttausende Todesopfer forderten. Dort hat man gelernt und trotz aller Schwierigkeiten einen Katastrophenschutz aufgebaut. Es gibt detaillierte Wettervorhersagen für einzelne Küstenabschnitte, Schleusen schützen Bewässerungskanäle vor Salzwasser, es gibt sturmfeste Schutzbauten. Und vor allem haben Menschen Informationen, wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Informationen, die im Juli viele Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nicht hatten.
"Also man sieht, dass man etwas erfolgreich machen kann, aber das benötigt auch Zeit."
Mit einem bundesweiten Warntag allein ist es nicht getan. Gefragt sind wissenschaftlich untermauerte Konzepte, Strukturen und Mechanismen, die der Staat ausbauen und verbessern muss. Gefragt ist aber auch das Individuum, ob nun in der Politik, der Kommunalverwaltung oder im Privathaushalt, das seine Sinne wieder schärft und eigenverantwortlich handeln kann.