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Ein Jahr nach dem Dioxinskandal

Vor einem Jahr hatte der Futtermittelproduzent Harles & Jentzsch Fettsäuren aus der Biodieselproduktion auch für die Herstellung von Tierfutter verwendet. An mehr als 4300 landwirtschaftliche Betriebe wurde das mit giftigem Dioxid verunreinigte Futter ausgeliefert, von dort gelangte es in die Nahrungskette. Die juristischen Details sind noch immer nicht vollständig geklärt.

Von Dietrich Mohaupt |
    Wenn Hans-Jürgen Thun in seinem Schweinemaststall nach dem Rechten schaut, dann möchte er am liebsten gar nicht mehr an den Dioxinskandal denken. 10.000 bis 12.000 Tiere mästet er pro Jahr in seinem Betrieb in der Nähe von Neumünster - der Wirbel um die verseuchten Futtermittel hat ihm, obwohl er sie gar nicht verfüttert hat, Anfang des vergangenen Jahres schlaflose Nächte beschert. Aber:

    "Das ist vergessen - wir haben ein halbes Jahr damit zu tun gehabt. Die Preise brachen ja total ein die ersten vier Wochen. Wir hatten einen Preisverfall von etwa 30 Euro auf ein Schwein innerhalb von einer Woche. Jetzt hat sich das alles wieder eingespielt, und wir haben einen Weltmarkt und dafür müssen wir produzieren und damit klarkommen. Das ist schon immer so gewesen in der Schweinehaltung."

    Ein Jahr danach hat sich - fast nichts getan, kritisieren Verbraucherschützer. Von dem von Bund und Ländern verabschiedeten Aktionsplan zum besseren Schutz vor Dioxin in Lebensmitteln seien wesentliche Teile noch gar nicht, andere nur teilweise umgesetzt worden, bemängelt Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Unter anderem war darin festgelegt, dass die Hersteller künftig alle Tierfutterbestandteile auf Dioxin untersuchen müssen - davon sei Verbraucherschutzministerin Aigner inzwischen weitgehend abgerückt.

    "In der Umsetzung ist es geschehen, dass die Ministerin die Vorgaben für die Futtermittelwirtschaft immer weiter aufgeweicht hat, sodass in der Zwischenzeit nur noch ganz bestimmte Komponenten getestet werden mussten."

    Lückenlose Kontrollen und Tests - das ist die Kernforderung der Verbraucherschützer. In Schleswig-Holstein sieht man sich auf einem guten Weg dahin. Die für den Verbraucherschutz zuständige Landwirtschaftministerin Julian Rumpf warnt aber davor, sich allzu viel von mehr Kontrollen zu erhoffen.
    "Eine hundertprozentige Sicherheit können wir nicht garantieren - wenn jemand vorsätzlich betrügen möchte, dann wird das auch künftig nicht ausgeschlossen sein. Aber wir werden ganz konkret zwei zusätzliche Futtermittelkontrolleure einstellen und auch mehr Mittel für die Überwachung zur Verfügung stellen. Wir haben die Maschen wirklich enger gewebt, sodass wir ein gutes Kontrollsystem haben werden."

    Es bleibt abzuwarten, ob sich darin künftig auch Unternehmen wie Harles & Jentzsch verfangen werden. Noch laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen das Unternehmen im schleswig-holsteinischen Uetersen, das dioxinhaltige technische Fette mit anderen Fetten für die Futterherstellung vermischt hatte. Versehen oder Absicht - Ende dieses Monats soll feststehen, ob Anklage erhoben wird. Inzwischen warten im laufenden Insolvenzverfahren zahlreiche Landwirte auf Schadensersatz - und zwar schon seit Monaten, kritisiert Ullrich Gullon vom Bauernverband SH.

    "Das Verfahren ist zäh, das ist nichts Ungewöhnliches - aber für die betroffenen Landwirte ist das natürlich ein schwacher Trost. Man kann nur feststellen: Sie haben bisher noch kein Geld gesehen und sie werden auch in absehbarer Zeit sicherlich kein Geld sehen - jedenfalls zeichnet sich das im Moment nicht ab."

    Bundesweit waren im Zuge des Dioxinskandals mehr als 5000 Bauernhöfe zeitweise vorsorglich gesperrt - die weitaus meisten davon in Niedersachsen. Sie alle verbuchten teils erhebliche Verluste, weil sie ihre Produkte - Schweine, Hühner, Eier -nicht mehr vermarkten durften. Und auch Landwirte, die nachweisbar nichts von dem verseuchten Tierfutter verwendet hatten, mussten die Folgen des Skandals mittragen - die Zurückhaltung der Verbraucher führte nicht nur bei Mastschweinen zu Preiseinbrüchen. Trotzdem hatten die Landwirte bisher mit Forderungen nach einem Haftungsfonds der Futtermittelhersteller keinen Erfolg. Es gibt immer noch rechtliche Bedenken gegen einen solchen Fonds, der im Schadensfall die wirtschaftlichen Folgen für alle Bauern abmildern soll. Die Bundesregierung prüfe zwar, man habe sich aber eigentlich etwas mehr erwartet, gibt Ullrich Gullon zu.

    "Naja, die politische Unterstützung lässt schon ein bisschen zu wünschen übrig. Es ist sicherlich richtig, dass die rechtliche Umsetzung nicht ganz einfach ist - aber man kann auch schwierige Sachen lösen, wenn man es nur will. Und ein klein wenig zweifeln wir, ob der Wille wirklich vorhanden ist, denn wenn man ein Jahr lang prüft, dann sollte man eigentlich zu einem Ergebnis gekommen sein."

    Immerhin - ein Ergebnis gibt es ein Jahr nach dem Dioxinskandal: Der Betrieb bei Harles & Jentzsch läuft weiter, das Unternehmen darf allerdings für die Nahrungs- oder Tierfuttermittelindustrie nicht mehr produzieren, sondern nur noch für technische Betriebe.