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Ein Jahr nach den Pariser Terroranschlägen
Frankreich zwischen Alarmzustand und Lethargie

Ein Jahr nach den schwersten Terroranschlägen in der französischen Geschichte sei Frankreich ein mehr und mehr gespaltenes Land, sagte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot im DLF. Auch symbolträchtige Gedenkfeiern könnten über das latente Integrationsproblem nicht hinwegtäuschen.

Ulrike Guérot im Gespräch mit Birgid Becker |
    Frankreichs Präsident Francois Hollande und die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, bei der Enthüllung einer Gedenktafel für die Opfer der Terroranschläge am 13. November 2015.
    Frankreichs Präsident Francois Hollande und die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, bei der Enthüllung einer Gedenktafel für die Opfer der Terroranschläge am 13. November 2015. (dpa / picture alliance / Philippe Wojazer)
    Vor einem Jahr wurde Paris von den schwersten Terroranschlägen in der französischen Geschichte erschüttert. Die Anschläge auf den Konzertsaal "Bataclan" und andere Einrichtungen forderten 130 Todesopfer.
    Es habe davor und danach noch weitere Anschläge gegeben, so dass Frankreich vom Terror sehr belastet sei, sagte Ulrike Guérot im DLF. Das werde auch am immer noch geltenden Ausnahmezustand und einer großen Präsenz von Sicherheitskräften deutlich. Aktuell sei eine "sublimierte Militarisierung" sichtbar. "Das sieht am Flughafen in Bogotá auch nicht anders aus."
    Mehr und mehr gespalten sei das Land - sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite, betonte die Politikwissenschaftlerin. Frankreich habe ein latentes Integrationsproblem, das man nie richtig in den Griff bekommen habe. Es gebe Gebiete in Frankreich, wo Recht und Ordnung nicht mehr garantiert werden könne. Das verunsichere viele Menschen - Rechtspopulisten wie Marine Le Pen würden davon profitieren.
    Symbolträchtige Gedenkfeiern würden zum Teil ins Leere laufen, meinte Guérot. 67 Prozent könnten sich Präsident Hollande nicht weiter im Amt vorstellen. Die Regierung sei phlegmatisch, gehe nicht auf die Interessen der jungen Menschen ein. Darüber könne auch ein symbolträchtiger Patriotismus nicht hinwegtäuschen.
    Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin von der Denkfabrik "Europeen Democracy Lab".
    Ulrike Beate Guérot,
    Politikwissenschaftlerin und Publizistin. Sie ist Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems und Gründerin des "European Democracy Lab" (EDL) Berlin.