Archiv

Ein Jahr nach der Wahl von Trump
"Die republikanischen Politiker haben Angst vor ihm"

Ein Jahr nach der Wahl von Donald Trump gebe es große Spannungen zwischen der Republikanischen Partei und Trump, weil sich dieser immer wieder kontraproduktiv verhalte, sagte der US-Politologe Tyson Barker im Dlf. Aber es traue sich derzeit fast niemand aufzubegehren. Die gewählten Politiker hätten regelrecht Angst vor Trump.

Tyson Barker im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    US-Präsident Donald Trump steht am Tag nach der Wahl zusammen mit dem damaligen Parteichef der Republikaner, Reince Priebus, an einem Rednerpult.
    US-Präsident Donald Trump steht am Tag nach der Wahl zusammen mit dem damaligen Parteichef der Republikaner, Reince Priebus, an einem Rednerpult. (JIM WATSON / AFP)
    Tobias Armbrüster: Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA, die liegt heute genau ein Jahr zurück. Es war damals ein Triumph für die Republikaner und ein wahres Debakel für die Demokraten. Viele haben seitdem immer wieder gesagt, die US-Demokraten, die haben zu wenig, was sie Donald Trump entgegenstellen können. Gegen Trump haben sie eigentlich keine Chance. – Jetzt an diesem Mittwoch sieht das auf einmal etwas anders aus. Die Demokratische Partei hat nämlich drei entscheidende Wahlen für sich entschieden: in Virginia, in New York und in New Jersey.
    Am Telefon ist jetzt Tyson Barker. Er ist Fellow am Aspen-Institut in Berlin. Das ist einer der führenden amerikanischen Think Tanks. Und Tyson Barker ist außerdem Mitglied der Demokratischen Partei. Er hat unter anderem für die Regierung von Barack Obama gearbeitet. Schönen guten Tag, Herr Barker.
    Tyson Barker: Guten Tag!
    Armbrüster: Herr Barker, kann sich Ihre Partei, können sich die Demokraten da jetzt wirklich schon die Hände reiben?
    "Das ist ein bedeutungsvoller Sieg für die Demokraten"
    Barker: Natürlich! Das ist ein bedeutungsvoller Sieg für die Demokraten. Die haben alle wichtigen Wahlen gestern gewonnen, und das trotz niedriger Wahlbeteiligung, was normalerweise zugunsten der Republikaner eine Wirkung hat. Allerdings es ist noch zu früh zu sagen, was das für die Zwischenwahlen im nächsten Jahr bedeuten wird.
    Armbrüster: Da müssen wir mal die nächsten Monate abwarten. – Aber kann man denn wirklich sagen, dass Virginia und New Jersey, dass das jetzt wirklich entscheidende Schauplätze sind in der amerikanischen Politik?
    Barker: Natürlich haben beide Staaten für Hillary Clinton gewählt letztes Jahr. Virginia ist der einzige Staat im Süden, der für Hillary Clinton gewählt hatte. Insofern gehören sie schon zu den Feldern der Demokraten.
    Armbrüster: Das heißt, was Wirkliches gewonnen haben die Demokraten da nicht.
    "Trump ist so unbeliebt in Virginia"
    Barker: Das kann man auch nicht sagen. Man muss sich auch anschauen, dass zuvor Chris Christie zweimal in New Jersey gewonnen hatte. Das war natürlich ein blauer Staat, könnte man sagen, gehört zu den Demokraten. Und trotzdem ist es möglich, dass Republikaner dort gewinnen. Virginia, das ist ein wirklicher Swing State, allerdings mehr in der Kolumne der Demokraten zurzeit. Aber die Republikaner hätten eine Chance gehabt und sie haben es versäumt, und der Grund, warum es ihnen nicht gelungen ist, liegt nicht an den Kandidaten selbst im Staat, sondern an der Tatsache, dass Trump so unbeliebt in Virginia ist.
    Armbrüster: Woran genau machen Sie das fest?
    Barker: Man konnte das schon sehen. Der Kandidat in Virginia hat versucht, genauso eine Kampagne wie Trump voranzutreiben, und es ist ihm nicht gelungen. Und die Demokraten in dem Staat haben gesagt, wir machen das nicht mit Emotionswellen, nicht mit Demagogie, sondern wir machen es technokratisch, wir stehen für wirkliche politische Stellungnahmen, und wir führen unsere Kampagne direkt gegen Trump, nicht gegen den Kandidaten im Staat selbst.
    Armbrüster: Wenn wir jetzt mal auf die Demokratische Partei generell in den USA blicken, da hat die Partei jetzt diese Wahlsiege rausgeholt. Aber eine nennenswerte Opposition, auch eine Figur, die sich Donald Trump entgegenstellen könnte, die ist ja eigentlich in den USA nicht zu sehen, oder?
    "Den Demokraten fehlen die großen Persönlichkeiten"
    Barker: Ja. Man könnte schon sagen, dass die Republikaner als Institution natürlich wesentliche Vorteile in unserem System zurzeit haben. Die haben das Weiße Haus, die haben auch den obersten Gerichtshof und den Kongress, und dadurch haben sie die Machthebel in den Händen. Die Figur von Trump als Persönlichkeit ist auch etwas, woran man schon entweder unterstützen oder dagegen sein kann. Die Demokraten und die Demokratische Partei als Institution liegt immer noch im Kalten Krieg, und das kann man sehen mit dieser Veröffentlichung der ehemaligen Vorsitzenden vor einigen Wochen, Donna Brazile, die gesagt hat, dass die Bernie-Sanders-Kampagne nicht so unterstützt wurde von der Partei wie die Hillary Clinton Kampagne in den Vorwahlen. Die Probleme innerhalb der Partei als Institut bleiben immer noch da. Außerdem: Es fehlen immer noch, mit ein paar Ausnahmen wie Sanders und Elizabeth Warren, die großen Persönlichkeiten, die wirklich durchbrechen können und dem normalen durchschnittlichen Wähler irgendwas vermitteln können, was einen genauen Gegensatz zu Trump darstellen würde. Es fehlt der Partei immer noch eine institutionelle Unterstützung von den Stammwählern und an Persönlichkeiten. Aber das, was sie in ihrer Kolumne haben, ist Trump selbst.
    Armbrüster: Dann können wir zumindest so viel sagen: Ein Jahr nach der Wahl von Trump kann man sagen, dass die Demokraten eigentlich noch nicht wirklich weiter sind?
    "Die politische Energie ist bei den Stammwählern"
    Barker: Die sind am Bauen. Da wo die Energie steht, auf der progressiven Seite des politischen Spektrums in den USA, liegt es nicht an der Partei, und es liegt auch nicht an den politischen Figuren, die an der Spitze der Partei sind, sondern an den Stammwählern, in den Grassroots. Man sieht schon Bewegungsengagement in bestimmten NGOs der Zivilgesellschaft, in Protesten, in Gegendemonstrationen gegen Trump, für die Rechte von Frauen, für die Rechte von Schwulen, für die Rechte von Minderheiten. Da ist die Energie. Die Herausforderung für die Partei ist, diese Energie auszunutzen, zu kanalisieren und zu versichern, dass die zu den Urnen gehen in 2018.
    Armbrüster: Herr Barker, wir wollen heute nicht nur über die Demokraten sprechen, sondern natürlich auch über Donald Trump und seine Partei. Wie eng ist denn da eigentlich noch die Verbindung zwischen ihm, zwischen Trump und den Republikanern, dem Parteiapparat also?
    "Die republikanischen Politiker haben wirklich Angst vor Trump"
    Barker: Das ganze Bild ist ein bisschen kompliziert zu beschreiben. Von den Republikanern selbst, sprich der Republikanischen Partei als Institution, und von den Abgeordneten und Mitgliedern des Kongresses gibt es eine große Spannung, weil die Partei und die gewählten Politiker, die haben eine Agenda, die sie durchsetzen wollen. Und sie sehen, dass manchmal Trump eigentlich kontraproduktiv ist, was die Agenda angeht, Steuerreform, Gesundheitsreform, weil er immer ablenkt von dieser Agenda durch seine Tweets, durch seine sehr provokanten Ausreden. Aber die Verbindung zwischen Trump und seinen Stammwählern ist so stark wie noch nie, und das ist der Grund, warum die Politiker innerhalb der Partei wirklich Angst vor Trump haben. Die haben Angst vor seinen Tweets, weil wenn sie nicht gut von ihm angesehen werden, dann können sie ihre Vorwahlen verlieren. Das ist mehrmals angedroht worden und das ist einer der Gründe, warum es so viele Republikaner gibt, die jetzt in Pension gehen.
    Armbrüster: Abgesehen von dem Gang in den Ruhestand, sehen Sie denn da eine Bewegung innerhalb der Republikanischen Partei, die sich zunehmend gegen Trump auflehnt? Oder bleiben die wirklich alle still?
    "Sein Ansehen unter den Stammwählern ist bei 80 Prozent"
    Barker: Die müssen immer noch still bleiben. Es gibt ein paar wichtige Zahlen in den Umfragen. Wenn man die Umfragen ansieht von dem ganzen amerikanischen Publikum, von dem ganzen amerikanischen Volk, dann sieht man, sein Ansehen innerhalb des Publikums beträgt ungefähr 35 Prozent. Das hört sich völlig niedrig an, aber unter den republikanischen Stammwählern selbst ist das 80 Prozent, und soweit es so hoch ist unter den republikanischen Stammwählern, die immer in den Vorwahlen eigentlich zur Urne gehen, dann würden die normalen Republikaner, die im Kongress sitzen oder in den Hauptstädten der Staaten sitzen, Angst vor ihm haben. Aber wenn diese Umfrage, dieses Ansehen unter 70 Prozent geht, dann könnten wir uns es schon vorstellen, dass ein paar Republikaner gegen ihn auch in der Öffentlichkeit auftreten würden.
    Armbrüster: Das ändert jetzt allerdings alles nichts an einem Befund, den man ja auch hier aus Europa immer wieder zur Kenntnis nimmt am amerikanischen politischen System der vergangenen Jahre, der vergangenen 20 Jahre. Das ist ein System, das zunehmend gekennzeichnet ist von einem tiefen Graben, von zwei Lagern, zwei politischen Lagern, die eigentlich immer seltener zusammenfinden, die immer seltener Kompromisse finden und die sich immer härter gegeneinander abgrenzen und einander ablehnen. Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass sich daran etwas ändert, selbst wenn es einen demokratischen Herausforderer geben sollte? Oder wird das Ganze dann einfach nur umgedreht?
    "Diese Polarisierung ist wirklich ein Problem"
    Barker: Ja, das kann man deutlich sehen in den USA, und das ist eine gute Bemerkung vonseiten der Europäer. Wir sehen die gleichen Trends gewissermaßen (vielleicht nicht so übertrieben) aber auch in Europa. Diese Polarisierung ist wirklich ein Problem und es wird dadurch unterstützt, dass das Vertrauen an gemeinsamen Institutionen, sprich Experten, Universitäten, Medien, Regierung, Militär, Polizei, dass alles nach unten geht in den USA. Dadurch entstehen Parallelinstitutionen, wobei die Demokraten und die Republikaner ihre Informationen, ihre Wahrnehmungen von völlig verschiedenen Quellen nehmen und dadurch völlig verschiedene, unterschiedliche Fakten entstehen. Und wenn man sich nicht auf die Fakten, auf die Wahrheiten einigen kann, dann ist es nicht möglich, eine respektvolle und produktive Debatte voranzuführen. Das sieht man immer noch ein bisschen mehr übertrieben in den USA.
    Das Gute, was man sagen kann aus dem Ergebnis von 2016, ist, dass es jetzt Leute gibt, die eher dazu bereit sind, die Medien von der anderen Seite zu lesen. Die Abonnements der Zeitungen sind höher gestiegen seit der Wahl. Die Zahl der Leute, die sich informieren wollen von der anderen Seite und auch von dem Mainstream, ist gestiegen. Und es kann sein, dass im Laufe der Jahre wir endlich mal einen Überdruss von dieser Tendenz zur Polarisierung erfahren werden in den USA. Das wäre ein gutes Zeichen. Aber es ist immer noch zu früh, das zu sagen.
    Armbrüster: Heute vor einem Jahr wurde Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt. Wir sprachen darüber und über das, was sich in diesen vergangenen zwölf Monaten getan hat, mit Tyson Barker, Fellow am Aspen-Institut Berlin. Vielen Dank dafür!
    Barker: Danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.