In kürzester Zeit soll sich der klassische Autobauer Volkswagen in einen weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität verwandeln. Neue Fertigkeiten sind gefragt - zum Beispiel im Wolfsburger Stammwerk.
"Und nach dem Öffnen wird dieses Bauteil immer ersetzt, einfach um die Dichtigkeit der Leistungselektronik zu gewährleisten."
Der VW-Konzern schult seine Mitarbeiter im Umgang mit Elektromotoren und Bauteilen, die unter Spannung stehen. Den rund 60.000 Beschäftigten in Europas größter Autofabrik ist schon länger klar: Nur mit Blech verbiegen lässt sich auf Dauer kein Geld mehr verdienen.
"Wir gehen davon aus, dass wir in fünf Jahren ungefähr jedes vierte oder fünfte Auto im Endeffekt mit einer Batterie oder mit einem Elektromotor antreiben werden.
So Bernd Osterloh in einem Interview Ende August. Der Betriebsratschef, der auch im Aufsichtsrat sitzt, will – besser: muss – an den Wandel glauben. Doch Osterloh betont auch, dass VW noch auf längere Sicht Verbrennungsmotoren brauche, um die Investitionen in die Zukunft zu finanzieren.
"Und das bedeutet erst einmal, dass wir gucken müssen, dass wir für die 80 Prozent ... dass es da keine Veränderung gibt - aber natürlich auch gucken, dass die Arbeitsplätze hier in Deutschland bleiben und nicht, dass wir ganz bestimmte Umfänge vielleicht aus dem asiatischen Raum bekommen!"
Die Folgen von Dieselgate
Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit die Abgasmanipulationen von VW und Audi in den USA aufflogen. Knapp 18 Milliarden Euro hat der Konzern für die juristische Bewältigung des Skandals zurückgestellt. Mit dem US-Justizministerium wird noch verhandelt, auch in Deutschland und zahlreichen Exportländern fordern Autohalter und Aktionäre Schadensersatz. Die Summe wird daher wohl kaum reichen, prophezeit Frank Schwope, Autoanalyst der Nord/LB.
"Auch die Kosten der Drei-Liter-Autos stehen natürlich noch nicht fest. Ich gehe momentan von Kosten von 25 bis 35 Milliarden Euro aus, weltweit – und ich glaube, dass diese Spanne eher überschritten als unterschritten wird."
Das Geld wird Volkswagen an allen Ecken fehlen. Sparen muss der Konzern auch bei jenen Zukunftsinvestitionen, die notwendig wären, um etwa bei der Digitalisierung, beim autonomen Fahren oder bei der Entwicklung neuer Antriebe voranzukommen. Wenn die Konzernstrategen heute über die Investitionspläne für die nächsten 5 Jahre entscheiden, werden sie einige Budgets kürzen, andere aufstocken – und Vieles neu gewichten.
Zwang zur Veränderung
Zu hohe Kosten, zu viele Mitarbeiter: Der Zwang zur Veränderung ist vor allem bei der Marke VW groß. Die Kernmarke ist wenig ertragreich, trägt zugleich die Hauptlast von Dieselgate.
Ein zentraler Baustein des Sanierungsplans ist der sogenannte "Zukunftspakt". Vorstand und Betriebsrat wollen ihr Übereinkommen heute in Wolfsburg präsentieren. Seit Juni ringt VW-Markenchef Herbert Diess mit Betriebsrat Osterloh um jedes Detail. Das Ziel des Vorstands: Einsparungen von jährlich mehr als drei Milliarden Euro, bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität um 25 Prozent.
In welchem Werk werden künftig Autos oder Autoteile gefertigt, wie viel Geld und wie viele Mitarbeiter werden dafür benötigt? Einer gemeinsamen Batteriefertigung mit anderen großen Autoherstellern, wie sie Betriebsräte etwa am Standort des Motorenwerks in Salzgitter vorschlagen, hat VW-Lenker Matthias Müller unlängst keine grundsätzliche Absage mehr erteilt. Der oberste Betriebsrat jedenfalls sieht eine Chance für den Wiedereinstieg in die Technologie - bei der nächsten, leistungsstärkeren Batteriezellengeneration:
"Das gehört zu uns, das muss zum Unternehmen gehören, weil 40 Prozent der Wertschöpfung eines Batteriefahrzeuges zukünftig die Batterie sein wird!"
Der Aufbau einer heimischen Fertigung würde indes viele Jahre dauern und viele Milliarden kosten.
Langfristiger Stellenabbau unausweichlich
Dass ein Stellenabbau angesichts des Sparzwangs unausweichlich ist, haben Osterloh und VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing bereits angekündigt. Schon seit Monaten beschlossen ist der Abbau von 3.000 Stellen in der Verwaltung. Am Ende könnte an den deutschen Standorten gar eine fünfstellige Zahl von Arbeitsplätzen wegfallen – allerdings immer nur so viele wie altersbedingt ausscheiden. Betriebsbedingte Kündigungen werde es mit ihm nicht geben, betont Osterloh bei jeder Gelegenheit. Härter treffen könnte es die Leiharbeiter, deren Zahl – so verlautet aus Verhandlungskreisen - wohl deutlich reduziert werden soll.