Vor einem Jahr sah sich US-Präsident Trump schon als Kandidat für den Friedensnobelpreis. Woran viele seiner Amtsvorgänger gescheitert waren, schien nach dem historischen Gipfel von Singapur möglich: ein Friedensabkommen zwischen den USA und Nordkorea sowie ein schrittweiser Prozess hin zu einer Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel.
Doch in deutlichem Kontrast zu den schönen Bildern aus Singapur standen die dürftigen Verhandlungsergebnisse. Ein konkreter Zeitplan, innerhalb dessen Nordkorea seine Atom- und Raketenprogramme aufgibt? Bis heute Fehlanzeige. Die Bereitschaft, unabhängige Atom-Inspekteure ins Land zu lassen? Bis heute ist das für Kim Jong Un kein Thema. Dennoch beschwichtigte Trump die Skeptiker.
Die gute Chemie zwischen ihm und Kim sei schon ein Erfolg an sich:
"Wir haben ein sehr gutes Verhältnis entwickelt. Das hat es zwischen ihm oder seiner Familie und den Vereinigten Staaten nie gegeben."
Unterschiedliche Erwartungshaltungen beider Seiten
Tatsächlich brachte Singapur kleine Fortschritte: Nordkorea ließ drei US-Geiseln frei. Außerdem wurden die sterblichen Überreste von US-Soldaten aus dem Korea-Krieg in die Heimat überführt. Und umgekehrt sagte Trump ein gemeinsames Manöver mit Südkorea ab. Doch die wesentlichen Forderungen der US-Regierung blieben bis heute unerfüllt.
Nordkorea hat bisher keine Atomrakete vernichtet. Und noch immer gibt es keine Gesamtübersicht über alle Atom- und Raketenanlagen in Nordkorea. Dennoch ging Trump mit großen Hoffnungen in das zweite Gipfeltreffen mit Kim Ende Februar in Hanoi. Als Minimalziel galt eine Vereinbarung, gegenseitige diplomatische Vertretungen einzurichten.
Sogar über einen möglichen Friedensvertrag wurde spekuliert. Am Ende aber fuhren Trump und Kim mit leeren Händen nach Hause: "Eigentlich waren es sehr produktive zwei Tage", sagte ein sichtlich enttäuschter Trump, "aber manchmal muss man einfach gehen":
In Hanoi rächte sich, dass die glänzenden Bilder aus Singapur die unterschiedlichen Erwartungshaltungen beider Seiten überstrahlt hatten. Die US-Regierung will die strikten Sanktionen gegen Nordkorea erst dann lockern, wenn sich Nordkorea zur Aufgabe aller Atomraketen bereit erklärt und dazu glaubhafte Schritte unternimmt. Dagegen verlangte Kim Jong Un in Hanoi, erst einmal müssten alle Sanktionen wegfallen.
In den USA fühlten sich anschließend die Nordkorea-Experten und Außenpolitiker bestätigt: Trump sei naiv gewesen, zu glauben, ihm gelinge, woran die besten US-Diplomaten seit Jahrzehnten scheitern. Zumal Kim Jong Un seit einigen Wochen wieder Raketen testen lässt und damit gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates verstößt.
Schrillende Alarmglocken im Kongress
Doch Trump will die Hoffnung nicht aufgeben:
"Meine Mitarbeiter glauben, diese Raketentests könnten ein Verstoß gewesen sein. Ich sehe es anders. Vielleicht wollte Kim Aufmerksamkeit bekommen. Ich glaube immer noch, wir werden eines Tages einen Deal bekommen."
Dass Trump Nordkoreas Diktator eher Glauben schenkt als seinen eigenen Mitarbeitern, ließ im US-Kongress die Alarmglocken schrillen. So wie der Kongress nach Trumps Sympathiebekundungen für Putin die Russland-Sanktionen verschärfte, so wurde Ende Mai mit den Stimmen von Demokraten und Republikanern eine Nordkorea-Resolution beschlossen.
Danach wird Trumps Nordkorea-Politik unter die "strikte Aufsicht" im Kongress gestellt. Im Klartext: im Kongress herrscht Sorge, Trump könne sich von Kim über den Tisch ziehen lassen