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Ein Jahr Pegida
Dresden, die polarisierte Stadt

Seit einem Jahr gehen die Anhänger der islamkritischen Pegida-Gruppierung inzwischen auf die Straße. Zum Jahrestag an diesem Montag werden in Dresden auch wieder viele Gegendemonstranten auf den Straßen sein - ihr Motto lautet "Herz statt Hetze". Die sächsische Landeshauptstadt ist zusehends gespalten.

Von Nadine Lindner, Dresden | 19.10.2015
    Anhänger der Pegida-Gruppierung versammeln sich in Dresden.
    Seit einem Jahr gibt es nun Pegida - vor allem in Dresden. (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    "Ich bin Dresdner, und ich gehe nicht zu Pegida": Mit einem Schild in der Hand beteiligt sich der Oberbürgermeister der Stadt Dresden, Dirk Hilbert, an einer Foto-Aktion in den sozialen Netzwerken. Dresdner können unter dem Hashtag #IchbinDresden ein Zeichen für Weltoffenheit setzen. Von vielen Stadtratsfraktionen gibt es zudem ein gemeinsames Positionspapier, in dem Pegida zwar nicht dezidiert angesprochen wird, das sich aber deutlich gegen Rassismus wendet. Doch nicht nur im Internet, auch auf der Straße wird an diesem Montag Abend demonstriert. Unter dem Motto "Herz statt Hetze" ruft ein breites Bündnis zum Protest gegen Pegida auf. Sprecherin Rita Kunert:
    "Möglichst viele Menschen auf der Straße haben, die mit uns gemeinsam dagegen sind, dass Hass, Gewalt und Rassismus weiterhin ihr abendländisches zu Hause in unserer Stadt haben, deswegen haben wir vier Demonstrationszüge angemeldet."
    Lieber auf dem Sofa diskutieren?
    Kunert richet sich auch explizit an die Dresdner Bürger, die Pegida zwar ablehnen, aber bislang noch nicht aktiv geworden sind. "Das ist schwierig zu erklären, es ist vor allem auch meine Altersgruppe, die eher lieber zu Hause sitzt und lieber vor dem heimatlichen Sofa diskutiert. Ich weiß nicht, was noch passieren muss, dass auch diese Menschen auf die Straße kommen." Auch das Bündnis Dresden Nazifrei, das sich vor allem im Umfeld rund um den 13. Februar gebildet hatte, mobilisiert. Sprecher Silvio Lang:
    "Es ist sichtbar geworden, vieles durch Pegida. Da sind Tabus gebrochen worden. Man macht das nicht am Stammtisch, im geschützten Raum, sondern stellt sich voll erkennbar auf die Straße. Und es ist auch vollkommen egal, ob man neben einem Hooligan steht, oder einem NPD-Mann." Oberbürgermeister Hilbert selbst wird an diesen Demonstrationen allerdings nicht teilnehmen, er ist im Urlaub.
    "Wir nehmen das nicht hin."
    Vor der Kundgebung zum einjährigen Bestehen der Pegida-Bewegung in Dresden hat auch die sächsische Staatsregierung vor fremdenfeindlicher Hetze gewarnt und zur Gewaltlosigkeit aufgerufen. Vize-Ministerpräsident Martin Dulig, SPD, distanzierte sich vorab deutlich von der verbalen Eskalation bei Pegida. "Wir nehmen das nicht hin. Und ich appelliere auch an die Menschen, die da bei Pegida mitlaufen, sich genau zu überlegen, wem sie da folgen." Der sächsischen Landesregierung war vorgeworfen worden, zu lange zu zögerlich auf die Demonstrationen reagiert zu haben.
    (Rufe: "Wir sind das Volk")
    Seit genau einem Jahr gehen in Dresden und anderen Orten in Sachsen, die sogenannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands", kurz Pegida, auf die Straße. Organisator Lutz Bachmann hat zur Einjahreskundgebung am Abend 15.000 Teilnehmer angemeldet. "Wir sehen uns also am kommenden Montag ab 18:30 Uhr hier auf dem Theaterplatz. Und wir werden uns nicht durch den in guter alter faschistischer Tradition abgehaltenen Sternmarsch von irgendwelchen linken Möchtegern-Bündnissen abhalten lassen davon."
    Großeinsatz der Polizei
    Die Polizei hat sich für den Abend auf einen Großeinsatz eingestellt, da auch Hooligan-Gruppen im Internet mobilisieren. In der vergangenen Woche hatte Pegida wegen eines Galgens, der Sigmar Gabriel und Angela Merkel gewidmet war, für Empörung gesorgt. Der Erbauer, der mittlerweile identifiziert ist und aus dem Erzgebirge stammt, beschreibt es jedoch als "Satire". Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aufforderung zu Straftaten.
    An der Dresdner Stadtgesellschaft sind die andauernden Demonstrationen mit ihrer schärfer werdenden Rhetorik gegen Asylbewerber und Muslime nicht spurlos vorbeigegangen. Diese Teilnehmerin eines Willkommensbündnisses bemerkt eine zunehmende Polarisierung der sächsischen Landeshauptstadt.
    "Man trennt jetzt halt. Wenn man neue Leute kennenlernt, das ist schon so, dass man das erst mal eruiert. Man fragt erst mal, wie stehst du dazu? Wenn man feststellt, dass derjenige sympathisiert, dann distanziere ich mich und will denjenigen nicht unbedingt wieder treffen."