Silke Weißenburger stellt mit ihrer Chefin Birgit Crößmann lokale Weine von der südhessischen Bergstraße ins Regal. Sie arbeiten in einem Supermarkt in Pfungstadt bei Darmstadt, die Weinberge beginnen nur wenige Kilometer südlich der Stadt. Silke Weißenburger war – nicht zuletzt krankheitsbedingt - insgesamt zehn Jahre lang arbeitslos, bevor sie vor knapp einem Jahr vom neuen Teilhabechancengesetz profitierte. Das Job-Center Darmstadt vermittelte sie in die Verkaufsarbeit im Einzelhandel:
"Durch meine Betreuerin, auch vom Jobcenter. Sie hat mir gesagt: Sie hätte da was für mich im Verkauf. Und so hat sie mich gefragt, ob ich es machen würde: Da sagte ich: Klar, auf jeden Fall, sofort. So bin ich halt zum Bewerbungsgespräch. Und mir war ja alles sofort sympathisch hier. So habe ich halt gesagt: Machen wir!"
Nach einem Jahrzehnt Arbeitslosigkeit war das kein einfacher Schritt für Silke Weißenburger. Das weiß auch Regine Meyer-Hoffmann, die erfahrene Fallmanagerin für den sozialen Arbeitsmarkt im Job-Center Darmstadt. Sie hat Silke Weißenburger über das Teilhabechancengesetz in den Pfungstädter Supermarkt vermittelt:
"Und was mir auffällt, dass dieses Programm des Teilhabechancengesetzes sehr unbürokratisch verläuft gegenüber dem Arbeitgeber. Weil da ist ja immer so ein bisschen Vorbehalt. Also das ist sehr einfach. Wir sprechen die Eckdaten ab. Das ist meist sogar telefonisch. Und dann geht ein Antrag raus, den der Arbeitgeber dann ausfüllen muss. Also der ist auch wirklich mal gar nicht schlimm. Und dann kommt dieser Antrag dann wieder an mich zurück oder an uns zurück. Dann würde er geprüft. Und dann wird eigentlich ein okay gegeben. Also, das geht sehr, sehr unbürokratisch."
Teilhabechancengesetz mehr bewerben
Der Deutsche Gewerkschaftsbund Hessen ermuntert die Jobcenter des Landes, noch mehr für das Teilhabechancengesetz zu werben. Denn noch sind hier die Vermittlungszahlen im Vergleich der Bundesländer nicht allzu hoch. André Schönewolf ist Abteilungsleiter für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik beim hessischen DGB.
"In meiner Erfahrung habe ich festgestellt, dass wir es da mit Arbeitgebern zu tun haben, die einfach viel zu überzogene Erwartungen haben an den Personenkreis, den es halt dann eben betrifft. Die haben Anforderungen, die diese Menschen nicht erfüllen können. Fremdsprachenkenntnisse, Mobilität. Da muss man kleine Brötchen backen. Da muss man diese Menschen langsam wieder heranführen. Über ein gutes Coaching die Leute gut begleiten, ihnen Hilfestellung zu geben."
Der hessische Sozialminister Kai Klose von den Grünen hofft, dass man den Frauenanteil im Programm von heute 40 Prozent in Hessen in den kommenden Jahren noch steigern kann. Denn gerade langzeitarbeitslosen Frauen droht Altersarmut. Wie auch der DGB kritisiert der Minister, dass viele Arbeitgeber den Langzeitarbeitslosen zunächst nur einen Arbeitsvertrag für zwei Jahre geben, obwohl das Teilhabechancengesetz fünf Jahre ermöglicht. Das hat auch damit zu tun, dass die Stellen nur zwei Jahre zu 100 Prozent gefördert werden. Danach müssen Arbeitgeber einen Eigenanteil zahlen. Aber Minister Klose sieht noch einen anderen Grund für die Zweijahresbefristung:
"Es gibt wahrscheinlich schon sowas wie ein Grundmisstrauen gegenüber der Zielgruppe, was dann dazu führt, dass man sagt: Okay- probieren wir es erstmal zwei Jahre. Weil – die waren ja so lange gar nicht in Arbeit. Probieren wir es erstmal zwei Jahre, wie sie sich anstellen. Und überlegen uns dann, wie wir weitermachen. Und sich nicht gleich auf die fünf Jahr einzulassen. Da müssen wir glaube ich noch ein bisschen dran arbeiten und auch für Vertrauen werben."
Besondere Kompetenzen gefordert
Ein Vertrauen, dass Birgit Crößmann im Supermarkt in Pfungstadt bei Darmstadt schon lange aufbringt. Gerade überlegt der Laden, eine dritte Verkaufskraft über das Teilhabe-Chanchengesetz einzustellen.
Wichtige Kompetenz für Bewerber und Bewerberinnen: die Kenntnis der regionalen Produkte:
"Regional – legen wir großen Wert drauf. Wir kriegen auch unser Gemüse vom Bauer nebenan. Und unseren Honig, den Imker kennen wir persönlich, die Bienen auch. Kaffee kriegen wir aus der Rösterei gleich um die Ecke- also, wir versuchen auch regional zu sein. Pfungstädter Bier haben wir natürlich auch."
Die örtliche Brauerei ist nämlich regional bedeutsam.
Obwohl Silke Weißenburger täglich insgesamt rund zwei Stunden Fahrtzeit zur Arbeit hat, bereut sie nicht, die Chance ergriffen zu haben, die sie durch das neue Teilhabe-Gesetz nach einem Jahrzehnt Erwerbslosigkeit nun bekommen hat. Sie wird nach Tarif bezahlt, ihre Stelle wird zu 100 Prozent vom Bund gefördert.
"Ich arbeite mich nun wieder ein, in mein Arbeitsleben. Da musste ich wieder vieles lernen. Aber ich kann jedem empfehlen, das zu machen.".