"Trump wäre als Präsident unberechenbar", schon ein halbes Jahr vor der Wahl von Donald Trump fand der Politikwissenschaftler Jackson Janes im Gespräch mit dem Dlf klare Worte. Zu diesem Zeitpunkt lief in den USA noch der Vorwahlkampf - niemand rechnete wirklich mit einem Sieg des Milliardärs. Auch kurz vor der Wahl am 9. November mussten die Reporter des Dlf auf den Straßen in Washington lange suchen, um einen Trump-Anhänger vor das Mikrofon zu bekommen. Doch dann entschieden die US-Wähler anders.
Die Grenzen der Macht
Trump sorgte - noch vor seiner Amtseinführung am 20. Januar - für ordentlich Wirbel: Sein liebstes Medium dabei war und ist Twitter. In 140 Zeichen beeinflusste er Aktienkurse und politische Entscheidungen. Wie gering allerdings sein politischer Spielraum in vielen Bereichen in einem System der Checks-and-Balances ist, zeigte eine seiner ersten Entscheidungen: Per Dekret wollte Trump die Einreisebedingungen für Muslime verschärfen und legte das gesamte Flüchtlingsprogramm der USA auf Eis. Doch schon schnell meldeten sich mehrere Bundesrichter zu Wort. Sie sehen in dem Beschluss eine Diskriminierung von Muslimen und setzten den Erlass außer Kraft.
Seitdem findet an den unterschiedlichen Gerichten ein juristisches Tauziehen statt. Ein zentrales Wahlkampfversprechen Trumps wartet damit weiter auf Umsetzung. Auch noch in der Schwebe sind die Gesundheitsreform, der Mauerbau entlang der Grenze zu Mexiko und auch beim Thema Steuerreform liegt bisher nur ein Vorschlag auf dem Tisch.
Wut auf Journalisten
Vor allem Journalisten müssen sich seit einem Jahr warm anziehen. Einen Höhepunkt seines Feldzuges gegen Journalisten bildete ein Video, in dem Donald Trump das Logo des Senders CNN förmlich verprügelt. Politikwissenschaftler Ulrich Kühn sieht im Gespräch mit dem Dlf in solchen Tabubrüchen eine Art von medialem Kulturkampf "zwischen konservativ, laut, hetzerisch, nationalistisch, chauvinistisch auf der einen Seite und den überwiegend liberal orientierten klassischen Massenmedien, der "New York Times", "Washington Post" und "CNN".
Medien bilden die vierte Gewalt in den USA - lange Zeit war das eine Überzeugung, an der niemand rüttelte im Washingtoner Politbetrieb. Doch seit Donald Trumps Amtsantritt hat sich das Verhältnis zwischen Politik und Journalismus grundlegend geändert. So wollte Trump beispielsweise selbst entscheiden, welcher Journalist überhaupt in den Briefing Room darf. Daran ist er gescheitert, hat aber nun die Vertreter der sogenannten Altright-Medien über Video zugeschaltet.
Außenpolitischer Zickzackkurs
Für eine Mischung aus Überraschung und Entrüstung sorgte Donald Trump auch mit seiner Entscheidung, den Flugplatz der syrischen Armee mit Raketen zu bombardieren. Trump begründete den Schritt mit den Bildern sterbender syrischer Kinder. "Das war eine furchtbare, furchtbare Sache. Es kann kaum noch schlimmer kommen. Meine Haltung zu Syrien und Assad hat sich sehr verändert", so Trump zu seinem Entschluss.
Noch im Wahlkampf hatte sich Trump immer wieder dafür ausgesprochen, dass sich die USA außenpolitisch stärker zurückhalten. Nicht nur der Raketenangriff in Syrien zeugt von einer Abkehr dieses Wahlversprechens: Auch das Säbelrasseln mit Nordkorea liegt keineswegs auf der angekündigten Linie. Sorge haben vor allem die Menschen in Südkorea. Eine Eskalation bekämen die direkten Nachbarn wahrscheinlich als Erste zu spüren.
Auch mit dem Iran liegt Donald Trump im Clinch. Er wirft dem Land vor, es schüre als weltweit führender Förderer von Terrorismus die Gewalt im Nahen Osten. Daher seien Nachbesserungen am Atomdeal nötig. Das Abkommen mache zu viele Zugeständnisse im Vergleich dazu, was der Iran erfüllen müsse. Mit dem Atomdeal steht ein weiteres Prestige-Projekt seines demokratischen Amtsvorgängers Barack Obama vor dem Aus.
Wirtschaftliches Hin und Her
Zumindest in der Wirtschaftspolitik kann Trump 365 Tage nach seiner Wahl Erfolge vorweisen: Es gibt so wenig Arbeitslose, wie lange nicht; die Wirtschaft wächst kräftig und die Börse feiert neue Rekorde. Ob die Erfolge tatsächlich Ergebnis seiner Politik sind, sei dahingestellt. Die Befürchtung der Investoren vor der Wahl - Trumps Unberechenbarkeit könnte die Kurse negativ beeinflussen - ist nicht eingetreten.
Ähnlich wie bei der Außenpolitik ist auch die Außenhandelspolitik von Widersprüchen geprägt. Schon vor seinem Amtsantritt hatte Trump Strafzölle für bestimmte Waren angekündigt, um seine "America First" Politik zu stützen. Der mediale Aufschrei in Deutschland war groß - zumal Trump auch neben den Chinesen immer wieder Deutschlands Handelsüberschüsse thematisierte. Für die Wirtschaft sei Unsicherheit immer Gift, sagte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries im Dlf. Es stehe einiges auf dem Spiel. Bis heute hat Trump seine Drohungen nicht in vollem Umfang umgesetzt.
Rochaden mit dem Personal
Im Stab des mächtigsten Mannes der Welt konnte sich niemand seines Jobs wirklich sicher sein: Der FBI-Direktor, der Pressechef - zuletzt traf es Steve Bannon, dem viele mit seinem rechtsextremen Onlineportal Breitbart den Wahlerfolg Trumps zuschreiben. Derzeit traue sich fast niemand aufzubegehren, die gewählten Politiker hätten regelrecht Angst vor Trump, sagte der US-Politologe Tyson Barker im Dlf.
Die Personalrochaden scheinen auch im Zusammenhang mit Russlands möglicher Einflussnahme auf den US-Wahlkampf zu stehen. So erhielt beispielsweise der FBI-Chef James Comey kurz nach seiner Vernehmung im Russland-Ermittlungsausschuss des Senats seine Entlassungsschreiben. Der Politikwissenschaftler Andrew Denison sieht in diesem Schritt eine Gefahr für die Demokratie. Es deute darauf hin, dass Trump große Risiken in Kauf nehme, um eine Untersuchung über seine Wahlkampagne und Russland zu vermeiden, so Denison im Dlf.
Last Exit Amtsenthebung?
Ein mögliches Amtsenthebungsverfahren - ein sogenanntes Impeachment - sehen Experten aber in weiter Ferne. "Ich denke, Trump ist nicht der Vollidiot, als der er dargestellt wird", sagt Josef Braml, Experte für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, im Dlf. Er habe auch einige Erfolge gehabt, die in Deutschland nicht wahrgenommen würden "und die sind maßgebend für die Abgeordneten im Senat, für die Senatoren, und die Abgeordneten im Abgeordnetenhaus, die dann ein mögliches Impeachment-Verfahren einleiten können. Solange er nicht wirklich danieder liegt, sehe ich das nicht kommen", so Bram.
Der Ex-US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, bezweifelt hingegen, dass Trump dem Druck langfristig standhalten kann. "Seine Persönlichkeit ist schon ziemlich labil, und wenn das so weitergeht, dann kann es sein, dass er wirklich auch in persönliche Schwierigkeiten kommt." Wenn nicht an sich selbst, dann könnte Trump am Wählerwillen scheitern.
Im Vergleich zu seinen Vorgängern steht der 45. Präsident ein Jahr nach seiner Wahl mit Abstand am schlechtesten da. Gerade einmal 35 Prozent der Bevölkerung heißen Trumps Kurs gut. Für die Wählergunst hat er noch gute drei Jahre Zeit. Und wenn er bisher in den ersten Tagen seit seiner Wahl eines überzeugend unter Beweis gestellt hat: Donald Trump ist immer für Überraschungen gut.