Einige der Themen, die beim "I. Kongreß zur wissenschaftlichen Erforschung des Sportes und der Leibesübungen" verhandelt wurden, klingen noch heute aktuell. Zwischen dem 20. und 23. September 1912 wurde diskutiert über den "Einfluss dauernder körperlicher Leistungen auf das Herz", den "Wert der Physiologie für die Leibesübungen", und der Arzt Max Willner berichtete über den massiven Einsatz von Dopingmitteln im Radsport. Tagungsleiter Friedrich Kraus, honoriger Direktor der II. Medizinischen Klinik der Charité in Berlin, hielt den ersten Vortrag zum Thema "Sportübertreibungen".
Eine sporthistorische Zäsur aber war dieser Kongress, zu dem der sportbegeisterte Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha die rund 80 Teilnehmer in ein Golfhotel nach Oberhof geladen hatte, aus einem anderen Grund: Mit dem "Deutschen Reichskomitee zur wissenschaftlichen Erforschung des Sports und der Leibesübungen" wurde die erste sportwissenschaftliche Vereinigung weltweit geschaffen. Darauf ist man heute stolz. So betrachtet der Deutsche Sportärztebund diesen 21. September 1912 als seinen Geburtstag, weshalb er seinen Kongress vom 4. bis 6. Oktober in Berlin unter das Motto "100 Jahre Sportmedizin" stellt.
Historisch betrachtet, ist Berlin als Standort logisch. Denn die geistigen Väter dieser Pioniertat wirkten allesamt in der Reichshauptstadt, wie der Wissenschaftshistoriker Jürgen Court in seiner lesenswerten Studie über die Anfänge der deutschen Sportwissenschaft darstellt. Bereits nach der Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden hatten die Mediziner Arthur Mallwitz und Georg Friedrich Nicolai die Idee zur Bildung einer solchen Gesellschaft entworfen. Ein schon vorher gebildeter Verein sollte den Betrieb des Dresdner "Sportlaboratoriums" in Charlottenburg fortsetzen.
In einer Denkschrift wiesen Nicolai und der Stadtrat Adolf Gottstein daraufhin, "dass es bei der Bedeutung des Sports für die Gesundheit des Einzelnen und für die Wohlfahrt des ganzen Volkes, wichtig und nützlich ist, mehr als bisher die Wirkungen des Sports und der Leibesübungen auf den gesamten Menschen und auf seine einzelnen Organe zu erforschen." Man möge sich finanziell oder ideell beteiligen, warb das Duo in Briefen an Industrielle und Regierungsstellen, "sei es aus Begeisterung für den Sport und die Leibesübungen, oder sei aus Liebe zur reinen Wissenschaft, oder sei es endlich aus Sorge um die Lebens- und Wehrfähigkeit des deutschen Volkes".
Die Motive für den Aufbau einer institutionellen Sportwissenschaft waren also äußerst disparat. Mallwitz etwa hing rassehygienischen Vorstellungen an, die ein weiterer prominenter Teilnehmer von Oberhof schon länger propagierte: Der Hygieniker Ferdinand Hueppe, 1900 Gründungspräsident des Deutschen Fußballbundes. Andere Protagonisten wie Otto von Schjerning, Generaloberarzt im Kriegsministerium, und Generalmajor Jung vom Jungdeutschlandbund vertraten militärische Interessen.
Gesundheitspolitische Perspektive auf die Sportwissenschaft hatten hingegen Mediziner wie Nicolai, ein Freund Albert Einsteins und Hausarzt der Kaiserin, der in der Literatur als der "spektakulärste Pazifist seiner Zeit" bezeichnet wird. Historiker Court schreibt Nicolai für die Entwicklungsgeschichte der deutschen Sportwissenschaft eine Sonderrolle zu, die bislang nicht hinreichend gewürdigt worden ist. Das dürfte seinen Grund darin haben, dass Funktionäre wie Mallwitz später in historischen Rückblicken ihre Pioniertaten rühmten, während der Einfluss des Juden Nicolai, der 1922 emigrieren musste, verschwiegen wurde. Dass die Leistungen Nicolais noch in der aktuellen Festschrift des Deutschen Sportärztebundes vernachlässigt werden, ist nicht weniger als ein geschichtspolitischer Skandal.
Eine sporthistorische Zäsur aber war dieser Kongress, zu dem der sportbegeisterte Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha die rund 80 Teilnehmer in ein Golfhotel nach Oberhof geladen hatte, aus einem anderen Grund: Mit dem "Deutschen Reichskomitee zur wissenschaftlichen Erforschung des Sports und der Leibesübungen" wurde die erste sportwissenschaftliche Vereinigung weltweit geschaffen. Darauf ist man heute stolz. So betrachtet der Deutsche Sportärztebund diesen 21. September 1912 als seinen Geburtstag, weshalb er seinen Kongress vom 4. bis 6. Oktober in Berlin unter das Motto "100 Jahre Sportmedizin" stellt.
Historisch betrachtet, ist Berlin als Standort logisch. Denn die geistigen Väter dieser Pioniertat wirkten allesamt in der Reichshauptstadt, wie der Wissenschaftshistoriker Jürgen Court in seiner lesenswerten Studie über die Anfänge der deutschen Sportwissenschaft darstellt. Bereits nach der Hygiene-Ausstellung 1911 in Dresden hatten die Mediziner Arthur Mallwitz und Georg Friedrich Nicolai die Idee zur Bildung einer solchen Gesellschaft entworfen. Ein schon vorher gebildeter Verein sollte den Betrieb des Dresdner "Sportlaboratoriums" in Charlottenburg fortsetzen.
In einer Denkschrift wiesen Nicolai und der Stadtrat Adolf Gottstein daraufhin, "dass es bei der Bedeutung des Sports für die Gesundheit des Einzelnen und für die Wohlfahrt des ganzen Volkes, wichtig und nützlich ist, mehr als bisher die Wirkungen des Sports und der Leibesübungen auf den gesamten Menschen und auf seine einzelnen Organe zu erforschen." Man möge sich finanziell oder ideell beteiligen, warb das Duo in Briefen an Industrielle und Regierungsstellen, "sei es aus Begeisterung für den Sport und die Leibesübungen, oder sei aus Liebe zur reinen Wissenschaft, oder sei es endlich aus Sorge um die Lebens- und Wehrfähigkeit des deutschen Volkes".
Die Motive für den Aufbau einer institutionellen Sportwissenschaft waren also äußerst disparat. Mallwitz etwa hing rassehygienischen Vorstellungen an, die ein weiterer prominenter Teilnehmer von Oberhof schon länger propagierte: Der Hygieniker Ferdinand Hueppe, 1900 Gründungspräsident des Deutschen Fußballbundes. Andere Protagonisten wie Otto von Schjerning, Generaloberarzt im Kriegsministerium, und Generalmajor Jung vom Jungdeutschlandbund vertraten militärische Interessen.
Gesundheitspolitische Perspektive auf die Sportwissenschaft hatten hingegen Mediziner wie Nicolai, ein Freund Albert Einsteins und Hausarzt der Kaiserin, der in der Literatur als der "spektakulärste Pazifist seiner Zeit" bezeichnet wird. Historiker Court schreibt Nicolai für die Entwicklungsgeschichte der deutschen Sportwissenschaft eine Sonderrolle zu, die bislang nicht hinreichend gewürdigt worden ist. Das dürfte seinen Grund darin haben, dass Funktionäre wie Mallwitz später in historischen Rückblicken ihre Pioniertaten rühmten, während der Einfluss des Juden Nicolai, der 1922 emigrieren musste, verschwiegen wurde. Dass die Leistungen Nicolais noch in der aktuellen Festschrift des Deutschen Sportärztebundes vernachlässigt werden, ist nicht weniger als ein geschichtspolitischer Skandal.