Es herrscht freudige Erwartung am Vormittag des 24. Mai 1993 im Stadion von Asmara. Vor einem Monat hatten sich 99,8 Prozent der Bevölkerung in einem Referendum für die Loslösung von Äthiopien und die Unabhängigkeit Eritreas ausgesprochen. Und nun wird sie offiziell verkündet. Die Nationalhymne wird intoniert. Ergriffenes Schweigen im Stadion.
Tseggai Elias erlebt diesen historischen Moment mehrere tausend Kilometer entfernt in Malawi, wo er für eine UNO-Organisation arbeitet. Er erinnert sich, was ihn damals so bewegte:
"Ist es wirklich so, dass wir jetzt ein unabhängiges Land sind, dass wir unser Schicksal bestimmen können, dass wir selbst entscheiden können, was wir tun und welche Richtung wir einschlagen?"
Der Küstenstreifen am Roten Meer, nur ein Drittel so groß wie Deutschland und von viereinhalb Millionen Menschen bewohnt, war 1952 nach einem guten halben Jahrhundert italienischer Kolonialherrschaft und weiteren elf Jahren unter britischer Verwaltung dem benachbarten Äthiopien angegliedert worden. Und das bedeutete unter anderem, dass jede Form höherer Bildung nunmehr nur in Amharisch, der Amtssprache Äthiopiens, vermittelt wurde. Und so schickte der Vater Tseggai Elias, der 1945 in einem Dorf nahe Asmara geboren wurde, nach Äthiopien – erst auf die Oberschule, dann auf die Universität. Seinen Abschluss als Bauingenieur machte Tseggai im Ausland, wo er blieb und sich der Eritreischen Befreiungsbewegung anschloss, die seit 1958 für ein unabhängiges Eritrea eintrat. Später kämpfte sie zusammen mit äthiopischen Rebellen gegen das Regime von Mengistu Haile Mariam.
Die Waffenbrüder vereinbarten, dass Eritrea nach dem Sturz Mengistus, der 1991 erfolgte, die Unabhängigkeit erhalten sollte. So geschah es dann auch am 24. Mai 1993. Doch viele Äthiopier waren gegen diese Aufgabe des Küstenterritoriums. Und als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zunahmen, entfachte die neue äthiopische Regierung zur Ablenkung vom eigenen Unvermögen eine nationalistische Stimmung und begann 1998 einen Krieg gegen Eritrea. Es ging um verschiedene Teile des Grenzgebietes, die von beiden Seiten beansprucht werden, wie Henri Boshoff, Afrika-Experte des Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria, erläutert:
"Eritrea ist kein großes Land. Es ist sehr klein, so dass Land für Eritrea sehr wichtig ist. Auf der anderen Seite aber hatte Äthiopien seinen Soldaten versprochen, dass sie dieses Grenzland als Farmer erhalten würden."
2000 endete der Krieg, hatte nichts erreicht, aber fast Hunderttausend Soldaten beider Länder das Leben gekostet. Seitdem sind sich die einstigen Brüder spinnefeind. Äthiopien will einen Schiedsspruch des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, der Eritrea die umstrittenen Gebiete zusprach, nicht anerkennen. Eritrea unterstützt andererseits jeden, der sich als Gegner Äthiopiens aufführt – so wie die Islamisten im benachbarten Somalia, die von Eritrea Geld und Waffen erhalten. Daher sieht Henri Boshoff nur eine Möglichkeit, die Lage am Horn von Afrika wieder zu stabilisieren:
"Ich denke, das Hauptproblem ist die Grenzfestlegung. Wenn dieser Disput beigelegt ist, dann kommt es zu einer Beruhigung. Aber Eritrea muss auch aufhören, sich in Somalia einzumischen."
Auch für die Entwicklung in Eritrea selbst wäre ein Ende der Konfrontationspolitik von Vorteil. Denn die Regierung von Isayas Afewerki nutzt die Propaganda der äußeren Bedrohung als Vorwand, um jede Form von Kritik oder gar Opposition zu unterdrücken. Missliebige Journalisten, Geschäftsleute und religiöse Führer werden verhaftet, alle ausländischen Korrespondenten sind inzwischen ausgewiesen worden. Im Parlament sitzen nur Abgeordnete der Einheitspartei. Eritrea ist nun seit 15 Jahren unabhängig. Aber es ist noch kein demokratischer Staat – und auch noch kein prosperierender. Er lebt nur von der kargen Landwirtschaft und den Devisenüberweisungen der weiter im Ausland lebenden Eritreer. Investoren werden erst ins Land kommen, wenn sich dort die inneren Verhältnisse verbessern.
Tseggai Elias erlebt diesen historischen Moment mehrere tausend Kilometer entfernt in Malawi, wo er für eine UNO-Organisation arbeitet. Er erinnert sich, was ihn damals so bewegte:
"Ist es wirklich so, dass wir jetzt ein unabhängiges Land sind, dass wir unser Schicksal bestimmen können, dass wir selbst entscheiden können, was wir tun und welche Richtung wir einschlagen?"
Der Küstenstreifen am Roten Meer, nur ein Drittel so groß wie Deutschland und von viereinhalb Millionen Menschen bewohnt, war 1952 nach einem guten halben Jahrhundert italienischer Kolonialherrschaft und weiteren elf Jahren unter britischer Verwaltung dem benachbarten Äthiopien angegliedert worden. Und das bedeutete unter anderem, dass jede Form höherer Bildung nunmehr nur in Amharisch, der Amtssprache Äthiopiens, vermittelt wurde. Und so schickte der Vater Tseggai Elias, der 1945 in einem Dorf nahe Asmara geboren wurde, nach Äthiopien – erst auf die Oberschule, dann auf die Universität. Seinen Abschluss als Bauingenieur machte Tseggai im Ausland, wo er blieb und sich der Eritreischen Befreiungsbewegung anschloss, die seit 1958 für ein unabhängiges Eritrea eintrat. Später kämpfte sie zusammen mit äthiopischen Rebellen gegen das Regime von Mengistu Haile Mariam.
Die Waffenbrüder vereinbarten, dass Eritrea nach dem Sturz Mengistus, der 1991 erfolgte, die Unabhängigkeit erhalten sollte. So geschah es dann auch am 24. Mai 1993. Doch viele Äthiopier waren gegen diese Aufgabe des Küstenterritoriums. Und als die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zunahmen, entfachte die neue äthiopische Regierung zur Ablenkung vom eigenen Unvermögen eine nationalistische Stimmung und begann 1998 einen Krieg gegen Eritrea. Es ging um verschiedene Teile des Grenzgebietes, die von beiden Seiten beansprucht werden, wie Henri Boshoff, Afrika-Experte des Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria, erläutert:
"Eritrea ist kein großes Land. Es ist sehr klein, so dass Land für Eritrea sehr wichtig ist. Auf der anderen Seite aber hatte Äthiopien seinen Soldaten versprochen, dass sie dieses Grenzland als Farmer erhalten würden."
2000 endete der Krieg, hatte nichts erreicht, aber fast Hunderttausend Soldaten beider Länder das Leben gekostet. Seitdem sind sich die einstigen Brüder spinnefeind. Äthiopien will einen Schiedsspruch des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, der Eritrea die umstrittenen Gebiete zusprach, nicht anerkennen. Eritrea unterstützt andererseits jeden, der sich als Gegner Äthiopiens aufführt – so wie die Islamisten im benachbarten Somalia, die von Eritrea Geld und Waffen erhalten. Daher sieht Henri Boshoff nur eine Möglichkeit, die Lage am Horn von Afrika wieder zu stabilisieren:
"Ich denke, das Hauptproblem ist die Grenzfestlegung. Wenn dieser Disput beigelegt ist, dann kommt es zu einer Beruhigung. Aber Eritrea muss auch aufhören, sich in Somalia einzumischen."
Auch für die Entwicklung in Eritrea selbst wäre ein Ende der Konfrontationspolitik von Vorteil. Denn die Regierung von Isayas Afewerki nutzt die Propaganda der äußeren Bedrohung als Vorwand, um jede Form von Kritik oder gar Opposition zu unterdrücken. Missliebige Journalisten, Geschäftsleute und religiöse Führer werden verhaftet, alle ausländischen Korrespondenten sind inzwischen ausgewiesen worden. Im Parlament sitzen nur Abgeordnete der Einheitspartei. Eritrea ist nun seit 15 Jahren unabhängig. Aber es ist noch kein demokratischer Staat – und auch noch kein prosperierender. Er lebt nur von der kargen Landwirtschaft und den Devisenüberweisungen der weiter im Ausland lebenden Eritreer. Investoren werden erst ins Land kommen, wenn sich dort die inneren Verhältnisse verbessern.