" Hört gut zu, was ich sage: Ich bin bereit bis ans Ende dieser Welt zu gehen, wenn das einen einzigen meiner Söhne, Soldat oder ein Offizier, davor bewahrt, verletzt zu werden - nicht getötet, nur verletzt! "
Als der ägyptische Präsident Sadat am 9. November 1977 mit diesen Worten vor sein Parlament trat, konnte sich wohl kaum ein Abgeordneter vorstellen, was kommen würde: Doch Sadat machte ernst. Er bestieg ein Flugzeug nach Tel Aviv. Mit an Bord war der damalige ägyptische Staatssekretär und spätere UN-Generalsekretär Boutros Ghali.
" Alle Scheinwerfer waren auf Sadats Flugzeug gerichtet. Die israelische Öffentlichkeit stand da draußen und konnte sich nicht vorstellen, dass wirklich ein ägyptischer Präsident angekommen ist. Als der Präsident dann erschien, und aus dem Flugzeug stieg, war es sekundenlang völlig still - außer dem Applaus natürlich. Diese völlige Stille gab mir, der ich direkt hinter ihn stand, den Eindruck, dass etwas seltsames, ungewöhnliches vor sich ging. "
Präsident Sadat bot den Israelis Frieden, im Tausch gegen das von ihnen besetzte Land. Zum ersten Mal wurde damit ein Grundsatz ausgesprochen, der seither alle Nahostfriedensverhandlungen bestimmt hat: Land gegen Frieden. Allerdings ging es den Ägyptern um alles arabische Land, auch das palästinensische, die Israelis dagegen wollten einen separaten Frieden mit Ägypten. Entsprechend langwierig waren die Verhandlungen, die auf Einladung des amerikanischen Präsidenten Carter am 17. September 1978 in Camp David begannen. Boutros Ghali erinnert sich an eine besondere Atmosphäre:
" Es war anders als bei traditionellen Verhandlungen, die ich erlebt habe: Wir redeten im Wald, gingen Spazieren, hatten bilaterale Treffen. Wir wussten noch nicht einmal, wie lange das Ganze dauern würde, wir konnten den Ort nicht bestimmen, es gab viele kleine Häuser und wir trafen uns mal hier, mal dort oder redeten während wir gingen. Das war eine neue Erfahrung. Auch die Handlung stand nicht fest: Einer wollte über Jerusalem diskutieren, der andere nicht. Die Themen waren nicht einfach. "
Die Abschlusserklärung, auf die man sich schließlich einigte, war ein Gewinn für beide Seiten: Israel machte sich das arabische Land mit der damals größten und besten Armee zum Freund und befriedete so seine Südgrenze. Umgekehrt sicherten sich die Ägypter gegen Angriffe aus Israel ab, wie sie sie 1956 und 1967 erlebt hatten.
Der Sinai war das Unterpfand für den Frieden mit Israel. Die Halbinsel besteht überwiegend aus Wüste und beeindruckenden Bergmassiven, darunter der Berg Sinai, auf dem Moses die zehn Gesetzestafeln erhalten haben soll. Doch die größte Attraktion des Sinai ist das Rote Meer:
Nach der Rückgabe der Halbinsel zogen allmählich auch Ägypter in die traditionell von Beduinen bewohnte Gegend - zum Beispiel Mohammad al-Kabbani, mit seiner deutschen Frau Ingrid. Sie betreiben im ehemaligen Hippiedorf Dahab ein Hotel mit Tauchbasis. Von einem Frieden hat Ingrid von Anfang an wenig gemerkt, obwohl - anders als heute - zunächst Tausende von israelischen Touristen in den Sinai kamen:
" Es war komisch: Zum einen die Ägypter, für die der Krieg gar nicht so weit weg war, wo die Älteren mit dabei waren, die standen nach wie vor sehr negativ gegenüber den Israelis. Ich kam frisch aus Deutschland und habe mich gewundert, was das für ein Hass ist von den Ägyptern gegenüber den Israelis. Ich wollte sehr neutral sein. Und ich habe diesen Hass täglich zu spüren gekriegt, weil auch die Israelis, die runterkamen, sehr arrogant waren. "
Hass und Misstrauen der Ägypter schlagen mit den Jahren in Enttäuschung um: Je stockender der sogenannte Friedensprozess voranschreitet, desto weiter entfernen sich die Ägypter von Israel: Der offiziell friedliche Nachbar wird nur noch als aggressive Besatzungsmacht wahrgenommen, zu der jeder Kontakt vermieden werden muss.
Der einzige Bereich, der Beziehungen zulässt, ist die Wirtschaft - und zwar mit wachsendem Erfolg. Das Geheimnis: Man spricht nicht darüber, sagt der israelische Botschafter in Kairo, Shalom Cohen:
" Natürlich redet niemand darüber, auch nicht in der Presse, denn die Ägypter sträuben sich dagegen ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Israel publik zu machen. Sie haben vielleicht Angst vor der öffentlichen Meinung oder vor anderen arabischen Staaten. Aber wir arbeiten weiter und tun alles, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu verbessern. Natürlich werden die Kontakte enger, in den letzten fünf Jahren haben sie sich sehr verändert. "
Ein Meilenstein ist das trilaterale Wirtschaftsabkommen zwischen Israel, Ägypten und den USA. In besonderen Freihandelszonen werden Produkte hergestellt, die zollfrei nach Amerika exportiert werden dürfen. Einzige Bedingung: 10,5 Prozent des verwendeten Materials müssen aus Israel stammen. Solange die Zonen wachsen, fragt keiner nach der Herkunft des Materials. Auch auf politischer Ebene gibt es ständige Verbindungen, doch die Bevölkerungen sind weit voneinander entfernt: 92 Prozent der über 18-jährigen Ägypter betrachten Israel als Feind. Nur zwei Prozent nennen das Nachbarland einen Freund Ägyptens. Umgekehrt spricht das israelische Anti-Terror-Büro in regelmäßigen Abständen Reisewarnungen für den Sinai aus: Die Gefahr, durch ägyptische Terroristen entführt zu werden, sei zu groß. Über eines sind sich beide Seiten einig: Es ist und bleibt ein kalter Frieden. Doch wer nach der Zukunft der Beziehungen fragt, erhält sehr unterschiedliche Antworten.
Der israelische Botschafter wünscht sich ein besseres Bild seines Landes in Ägypten:
" Dieser schöne Friedensvertrag, muss auf allen Ebenen erfüllt werden. Es ist schade zu sehen, dass es keine Friedenserziehung mit israelischen Schulen gibt, keinen kulturellen Austausch zwischen den beiden Völkern. Es gibt keinen Dialog von Mensch zu Mensch. Wir haben jetzt 30 Jahre Frieden mit Israel, eine längere Zeit Frieden, als Nicht-Frieden. Und immer noch gibt es eine neue Generation, die nicht viel über Israel weiß, für die Israel nur der Feind auf der anderen Seite der Grenze ist, der Soldat, der den Palästinenser bekämpft, aber das ist falsch, völlig falsch. Dieses Bild, dass nur die eine Seite der Medaille sieht und nicht auf das größere Ganze schaut, sollte korrigiert werden. "
Wie könnte aus dem kalten Frieden ein warmer Frieden werden? Das letzte Wort hat Boutros Ghali:
" Das Abkommen war immer an ein anderes geknüpft: die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes. Dieses andere Abkommen ist nicht zustande gekommen, und die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern hatten auch später keinen Erfolg. Also, hängt der Frieden zwischen Ägypten und Israel, oder der Schritt von einem kalten zu einem warmen, normalen Frieden von der Gründung eines palästinensischen Staates ab. Wenn ein palästinensischer Staat existiert, und die Probleme zwischen Israel und Syrien gelöst sind, wachsen die Möglichkeiten, mit Israel und insbesondere mit den dort lebenden Palästinensern zusammen zu arbeiten. "
Als der ägyptische Präsident Sadat am 9. November 1977 mit diesen Worten vor sein Parlament trat, konnte sich wohl kaum ein Abgeordneter vorstellen, was kommen würde: Doch Sadat machte ernst. Er bestieg ein Flugzeug nach Tel Aviv. Mit an Bord war der damalige ägyptische Staatssekretär und spätere UN-Generalsekretär Boutros Ghali.
" Alle Scheinwerfer waren auf Sadats Flugzeug gerichtet. Die israelische Öffentlichkeit stand da draußen und konnte sich nicht vorstellen, dass wirklich ein ägyptischer Präsident angekommen ist. Als der Präsident dann erschien, und aus dem Flugzeug stieg, war es sekundenlang völlig still - außer dem Applaus natürlich. Diese völlige Stille gab mir, der ich direkt hinter ihn stand, den Eindruck, dass etwas seltsames, ungewöhnliches vor sich ging. "
Präsident Sadat bot den Israelis Frieden, im Tausch gegen das von ihnen besetzte Land. Zum ersten Mal wurde damit ein Grundsatz ausgesprochen, der seither alle Nahostfriedensverhandlungen bestimmt hat: Land gegen Frieden. Allerdings ging es den Ägyptern um alles arabische Land, auch das palästinensische, die Israelis dagegen wollten einen separaten Frieden mit Ägypten. Entsprechend langwierig waren die Verhandlungen, die auf Einladung des amerikanischen Präsidenten Carter am 17. September 1978 in Camp David begannen. Boutros Ghali erinnert sich an eine besondere Atmosphäre:
" Es war anders als bei traditionellen Verhandlungen, die ich erlebt habe: Wir redeten im Wald, gingen Spazieren, hatten bilaterale Treffen. Wir wussten noch nicht einmal, wie lange das Ganze dauern würde, wir konnten den Ort nicht bestimmen, es gab viele kleine Häuser und wir trafen uns mal hier, mal dort oder redeten während wir gingen. Das war eine neue Erfahrung. Auch die Handlung stand nicht fest: Einer wollte über Jerusalem diskutieren, der andere nicht. Die Themen waren nicht einfach. "
Die Abschlusserklärung, auf die man sich schließlich einigte, war ein Gewinn für beide Seiten: Israel machte sich das arabische Land mit der damals größten und besten Armee zum Freund und befriedete so seine Südgrenze. Umgekehrt sicherten sich die Ägypter gegen Angriffe aus Israel ab, wie sie sie 1956 und 1967 erlebt hatten.
Der Sinai war das Unterpfand für den Frieden mit Israel. Die Halbinsel besteht überwiegend aus Wüste und beeindruckenden Bergmassiven, darunter der Berg Sinai, auf dem Moses die zehn Gesetzestafeln erhalten haben soll. Doch die größte Attraktion des Sinai ist das Rote Meer:
Nach der Rückgabe der Halbinsel zogen allmählich auch Ägypter in die traditionell von Beduinen bewohnte Gegend - zum Beispiel Mohammad al-Kabbani, mit seiner deutschen Frau Ingrid. Sie betreiben im ehemaligen Hippiedorf Dahab ein Hotel mit Tauchbasis. Von einem Frieden hat Ingrid von Anfang an wenig gemerkt, obwohl - anders als heute - zunächst Tausende von israelischen Touristen in den Sinai kamen:
" Es war komisch: Zum einen die Ägypter, für die der Krieg gar nicht so weit weg war, wo die Älteren mit dabei waren, die standen nach wie vor sehr negativ gegenüber den Israelis. Ich kam frisch aus Deutschland und habe mich gewundert, was das für ein Hass ist von den Ägyptern gegenüber den Israelis. Ich wollte sehr neutral sein. Und ich habe diesen Hass täglich zu spüren gekriegt, weil auch die Israelis, die runterkamen, sehr arrogant waren. "
Hass und Misstrauen der Ägypter schlagen mit den Jahren in Enttäuschung um: Je stockender der sogenannte Friedensprozess voranschreitet, desto weiter entfernen sich die Ägypter von Israel: Der offiziell friedliche Nachbar wird nur noch als aggressive Besatzungsmacht wahrgenommen, zu der jeder Kontakt vermieden werden muss.
Der einzige Bereich, der Beziehungen zulässt, ist die Wirtschaft - und zwar mit wachsendem Erfolg. Das Geheimnis: Man spricht nicht darüber, sagt der israelische Botschafter in Kairo, Shalom Cohen:
" Natürlich redet niemand darüber, auch nicht in der Presse, denn die Ägypter sträuben sich dagegen ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Israel publik zu machen. Sie haben vielleicht Angst vor der öffentlichen Meinung oder vor anderen arabischen Staaten. Aber wir arbeiten weiter und tun alles, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu verbessern. Natürlich werden die Kontakte enger, in den letzten fünf Jahren haben sie sich sehr verändert. "
Ein Meilenstein ist das trilaterale Wirtschaftsabkommen zwischen Israel, Ägypten und den USA. In besonderen Freihandelszonen werden Produkte hergestellt, die zollfrei nach Amerika exportiert werden dürfen. Einzige Bedingung: 10,5 Prozent des verwendeten Materials müssen aus Israel stammen. Solange die Zonen wachsen, fragt keiner nach der Herkunft des Materials. Auch auf politischer Ebene gibt es ständige Verbindungen, doch die Bevölkerungen sind weit voneinander entfernt: 92 Prozent der über 18-jährigen Ägypter betrachten Israel als Feind. Nur zwei Prozent nennen das Nachbarland einen Freund Ägyptens. Umgekehrt spricht das israelische Anti-Terror-Büro in regelmäßigen Abständen Reisewarnungen für den Sinai aus: Die Gefahr, durch ägyptische Terroristen entführt zu werden, sei zu groß. Über eines sind sich beide Seiten einig: Es ist und bleibt ein kalter Frieden. Doch wer nach der Zukunft der Beziehungen fragt, erhält sehr unterschiedliche Antworten.
Der israelische Botschafter wünscht sich ein besseres Bild seines Landes in Ägypten:
" Dieser schöne Friedensvertrag, muss auf allen Ebenen erfüllt werden. Es ist schade zu sehen, dass es keine Friedenserziehung mit israelischen Schulen gibt, keinen kulturellen Austausch zwischen den beiden Völkern. Es gibt keinen Dialog von Mensch zu Mensch. Wir haben jetzt 30 Jahre Frieden mit Israel, eine längere Zeit Frieden, als Nicht-Frieden. Und immer noch gibt es eine neue Generation, die nicht viel über Israel weiß, für die Israel nur der Feind auf der anderen Seite der Grenze ist, der Soldat, der den Palästinenser bekämpft, aber das ist falsch, völlig falsch. Dieses Bild, dass nur die eine Seite der Medaille sieht und nicht auf das größere Ganze schaut, sollte korrigiert werden. "
Wie könnte aus dem kalten Frieden ein warmer Frieden werden? Das letzte Wort hat Boutros Ghali:
" Das Abkommen war immer an ein anderes geknüpft: die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes. Dieses andere Abkommen ist nicht zustande gekommen, und die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern hatten auch später keinen Erfolg. Also, hängt der Frieden zwischen Ägypten und Israel, oder der Schritt von einem kalten zu einem warmen, normalen Frieden von der Gründung eines palästinensischen Staates ab. Wenn ein palästinensischer Staat existiert, und die Probleme zwischen Israel und Syrien gelöst sind, wachsen die Möglichkeiten, mit Israel und insbesondere mit den dort lebenden Palästinensern zusammen zu arbeiten. "