Helene Wessel:
"Meine Damen und Herren ... die 'Zentrumsfraktion' ist der Auffassung, dass dem deutschen Volk der Gedanke an Remilitarisierung in irgendeiner Form unmöglich zugemutet werden kann."
Auch wenn das "Zentrum" in der Nachkriegszeit - verglichen mit der Weimarer Republik - zur Kleinpartei geschrumpft war, hatte das Wort seiner Vorsitzenden Gewicht. Helene Wessel, kämpferische Katholikin, integer und wortmächtig, sprach vielen Deutschen aus dem Herzen, als sie Anfang der 50er-Jahre immer wieder, auch im Bundestag, vor deutscher Wiederaufrüstung warnte. Diese Warnung teilten Sozialdemokraten, Kommunisten und - für viele, die ihn nicht näher kannten, überraschend - auch ein prominenter Christdemokrat: Bundesinnenminister Gustav Heinemann. Die Warner hatten einen konkreten Anlass. Der fand sich in einem "Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes nach innen und außen", das Konrad Adenauer am 29. August 1950 an die Außenminister der Westmächte geschickt hatte. Darin war schwarz auf weiß zu lesen:
Der Bundeskanzler hat ferner wiederholt seine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten.
Des Regierungschefs Angebot an die Alliierten war einer seiner gefürchteten Alleingänge, von dem sein Kabinett und sein für die innere Sicherheit zuständiger Ressortminister erst im Nachhinein erfuhren. Heinemann quittierte die Missachtung des Kanzlers mit seinem Rücktritt und danach mit dem Austritt aus der CDU. Er war zu sehr Pazifist, Patriot und entschiedener Protestant, als dass er ungefragt einer westdeutschen Aufrüstung hätte zustimmen können, die sein Hauptanliegen einer deutschen Wiedervereinigung in weite Ferne rücken musste. Dieses Ziel verband ihn mit der Zentrumspolitikerin Helene Wessel, die ihrerseits wegen Differenzen über die Wiederbewaffnung Anfang November 1952 aus der Zentrumspartei ausschied. Beide und ihre teils linken, teils konservativen, teils evangelischen, teils katholischen Sympathisantenkreise misstrauten Adenauers Wiedervereinigungsschwüren und sprachen ihm die Bereitschaft zur Wiederherstellung der nationalen Einheit ab, die für sie Vorrang hatte vor Wohlstand und Westintegration.
Gustav Heinemann:
"Was uns am meisten an solcher Bereitschaft zweifeln lässt, ist die Überhöhung der Kanzlerpolitik zu einer Politik der christlichen Einheitsfront. Sieht man denn wirklich nicht, dass die dominierende Weltanschauung unter uns aus den drei Sätzen besteht: Viel verdienen, Soldaten, die das verteidigen, und Kirchen, die beides segnen."
Mit dieser Kampfansage an Adenauers Westkurs eröffnete Heinemann zusammen mit Helene Wessel am 29. November 1952 in Frankfurt die Gründungsversammlung der "Gesamtdeutschen Volkspartei". Getragen von einer aus Umfragen ermittelten breiten Ablehnung der deutschen Wiederbewaffnung, ging die neue Partei 1953 hoffnungsfroh in den Bundestagswahlkampf mit dem Ziel der Schaffung eines vereinten und neutralen Deutschlands zwischen den Blöcken. Doch das Wahlergebnis bereitete eine herbe Enttäuschung. Ganze 1,2 Prozent der Wählerstimmen entfielen auf die GVP. Das hieß außerparlamentarische Opposition, sprich politische Bedeutungslosigkeit.
"Zuerst bin ich davon überzeugt, dass die Mehrheit der Deutschen damals wirklich für die Adenauersche Politik bewusst votiert hat, dass die Mehrheit der Deutschen die von Adenauer angebotene Sicherheit höher geschätzt hat als das von Heinemann und anderen vorgeschlagene mindestens kurzfristige Risiko."
Erinnert sich Erhard Eppler, einer der Mitbegründer der GVP. Das vom späteren sozialdemokratischen Entwicklungshilfeminister angesprochene "Risiko" hieß Russenangst, und die fand in den Nachkriegsjahren durch Berlinblockade und Koreakrieg bei der westdeutschen und Westberliner Bevölkerung reichlich Nahrung. Insofern wundert das Wahldebakel nicht, das die GVP 1953 erlitt. Es wirkte so verheerend nach, dass sich die Partei wenige Monate vor der nächsten Bundestagswahl, am 19. Mai 1957, auflöste. In ihrem Führungspersonal lebte sie freilich unter anderem Etikett weiter. Neben Erhard Eppler machten Gustav Heinemann und andere Volksparteiler in der SPD Karriere, in der auch Helene Wessel eine neue Heimat fand.
"Meine Damen und Herren ... die 'Zentrumsfraktion' ist der Auffassung, dass dem deutschen Volk der Gedanke an Remilitarisierung in irgendeiner Form unmöglich zugemutet werden kann."
Auch wenn das "Zentrum" in der Nachkriegszeit - verglichen mit der Weimarer Republik - zur Kleinpartei geschrumpft war, hatte das Wort seiner Vorsitzenden Gewicht. Helene Wessel, kämpferische Katholikin, integer und wortmächtig, sprach vielen Deutschen aus dem Herzen, als sie Anfang der 50er-Jahre immer wieder, auch im Bundestag, vor deutscher Wiederaufrüstung warnte. Diese Warnung teilten Sozialdemokraten, Kommunisten und - für viele, die ihn nicht näher kannten, überraschend - auch ein prominenter Christdemokrat: Bundesinnenminister Gustav Heinemann. Die Warner hatten einen konkreten Anlass. Der fand sich in einem "Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes nach innen und außen", das Konrad Adenauer am 29. August 1950 an die Außenminister der Westmächte geschickt hatte. Darin war schwarz auf weiß zu lesen:
Der Bundeskanzler hat ferner wiederholt seine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten.
Des Regierungschefs Angebot an die Alliierten war einer seiner gefürchteten Alleingänge, von dem sein Kabinett und sein für die innere Sicherheit zuständiger Ressortminister erst im Nachhinein erfuhren. Heinemann quittierte die Missachtung des Kanzlers mit seinem Rücktritt und danach mit dem Austritt aus der CDU. Er war zu sehr Pazifist, Patriot und entschiedener Protestant, als dass er ungefragt einer westdeutschen Aufrüstung hätte zustimmen können, die sein Hauptanliegen einer deutschen Wiedervereinigung in weite Ferne rücken musste. Dieses Ziel verband ihn mit der Zentrumspolitikerin Helene Wessel, die ihrerseits wegen Differenzen über die Wiederbewaffnung Anfang November 1952 aus der Zentrumspartei ausschied. Beide und ihre teils linken, teils konservativen, teils evangelischen, teils katholischen Sympathisantenkreise misstrauten Adenauers Wiedervereinigungsschwüren und sprachen ihm die Bereitschaft zur Wiederherstellung der nationalen Einheit ab, die für sie Vorrang hatte vor Wohlstand und Westintegration.
Gustav Heinemann:
"Was uns am meisten an solcher Bereitschaft zweifeln lässt, ist die Überhöhung der Kanzlerpolitik zu einer Politik der christlichen Einheitsfront. Sieht man denn wirklich nicht, dass die dominierende Weltanschauung unter uns aus den drei Sätzen besteht: Viel verdienen, Soldaten, die das verteidigen, und Kirchen, die beides segnen."
Mit dieser Kampfansage an Adenauers Westkurs eröffnete Heinemann zusammen mit Helene Wessel am 29. November 1952 in Frankfurt die Gründungsversammlung der "Gesamtdeutschen Volkspartei". Getragen von einer aus Umfragen ermittelten breiten Ablehnung der deutschen Wiederbewaffnung, ging die neue Partei 1953 hoffnungsfroh in den Bundestagswahlkampf mit dem Ziel der Schaffung eines vereinten und neutralen Deutschlands zwischen den Blöcken. Doch das Wahlergebnis bereitete eine herbe Enttäuschung. Ganze 1,2 Prozent der Wählerstimmen entfielen auf die GVP. Das hieß außerparlamentarische Opposition, sprich politische Bedeutungslosigkeit.
"Zuerst bin ich davon überzeugt, dass die Mehrheit der Deutschen damals wirklich für die Adenauersche Politik bewusst votiert hat, dass die Mehrheit der Deutschen die von Adenauer angebotene Sicherheit höher geschätzt hat als das von Heinemann und anderen vorgeschlagene mindestens kurzfristige Risiko."
Erinnert sich Erhard Eppler, einer der Mitbegründer der GVP. Das vom späteren sozialdemokratischen Entwicklungshilfeminister angesprochene "Risiko" hieß Russenangst, und die fand in den Nachkriegsjahren durch Berlinblockade und Koreakrieg bei der westdeutschen und Westberliner Bevölkerung reichlich Nahrung. Insofern wundert das Wahldebakel nicht, das die GVP 1953 erlitt. Es wirkte so verheerend nach, dass sich die Partei wenige Monate vor der nächsten Bundestagswahl, am 19. Mai 1957, auflöste. In ihrem Führungspersonal lebte sie freilich unter anderem Etikett weiter. Neben Erhard Eppler machten Gustav Heinemann und andere Volksparteiler in der SPD Karriere, in der auch Helene Wessel eine neue Heimat fand.