Bettina Klein: Personalkarussell in Karlsruhe. Der Präsident des Verfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, scheidet aus dem Amt und aus dem Gericht. Für ihn rückt nach Andreas Voßkuhle, der bisherige Vizepräsident. Wir haben ihn eingangs der Sendung schon kurz gehört und von ihm wird naturgemäß auch in Zukunft häufiger die Rede sein.
Ein neuer Präsident, ein neuer Vizepräsident, aber nicht nur das: Es gibt auch einen neuen Namen am Bundesverfassungsgericht, nämlich Andreas Paulus, Völkerrechtsprofessor aus Göttingen. Er rückt nach und ich begrüße ihn jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Paulus.
Andreas Paulus: Guten Tag, Frau Klein.
Klein: Stimmen Sie zu, wir erleben so etwas wie eine Art Generationenwechsel am Bundesverfassungsgericht?
Paulus: Ja, so einen kleinen Generationenwechsel erleben wir, und das passt ja auch zu den Themen, um die es in der letzten Zeit ging, von Lissabon bis zur Vorratsdatenspeicherung. Das sind ja doch Themen, die nicht neu sind - vor Lissabon war Maastricht -, aber die doch zeigen, dass eine neue Generation auch sich mit anderen Fragen beschäftigen muss.
Klein: Und da dürfen die Bürger sich auch einstellen auf eine Art Weichenstellung? Jeder Richter prägt ja auch durch die eigene Persönlichkeit die Rechtsprechung mit.
Paulus: Das ist sicherlich so. Ich kann sehr gut anknüpfen bei dem, was der Herr Vizepräsident und künftige Präsident eben gesagt hat. Die Internationalisierung und Europäisierung wird eben nicht nur durch den Zweiten Senat geprägt, sondern im Ersten Senat, der sich sehr stark mit grundrechtlichen und menschenrechtlichen Fragen beschäftigt, wird auch immer wieder die Abstimmung mit den europäischen Gerichten eine wichtige Rolle spielen, und in der Tat ist der Begriff von der Kooperation derjenige, der viel günstiger und richtiger das ausdrückt, was zwischen diesen Gerichten passiert.
Es geht ja letztlich bei allen um den Schutz der Bürgerrechte, und das ist der Akzent. Der hat sich allerdings nicht verändert, das bleibt beim Ersten Senat, so wie es bisher war.
Klein: Sie sind, das dürfen wir an dieser Stelle sagen, mit 41 Jahren der jüngste Richter, der jemals an das höchste deutsche Gericht berufen wurde. Inwiefern spielt das für Sie selbst eine Rolle?
Paulus: Das spielt insofern eine Rolle, als ich nun nicht die letzten zehn Jahre mit dem Gedanken verbracht habe, dass ich möglichst bald an das Bundesverfassungsgericht kommen sollte. Eine gewisse Überraschung ist damit verbunden.
Aber es bedeutet eben auch, dass Themen wie die Vorratsdatenspeicherung natürlich für mich eine große Rolle spielen, weil diese Technologie gerade auch bei meinen Altersgenossen eine größere Rolle spielen als bei einigen Älteren - nicht bei allen, bei einigen Älteren -, und die Internationalisierung macht sich bemerkbar in Lebensläufen und in Erlebnissen.
Das sind sozusagen weiche Faktoren, die die Grundeinstellung des Karlsruher Gerichts sicherlich nicht von heute auf morgen revolutionieren, aber die das tun, was immer passiert ist, nämlich zu einer allmählichen Entwicklung beitragen.
Klein: Das Lebensalter ist nicht immer entscheidend, das wissen wir. Aber dass es beim Bundesverfassungsgericht anders als im Bundeskabinett eine Altersuntergrenze von 40 Jahren gibt, das ist schon sinnvoll?
Paulus: Das halte ich für sinnvoll, auch wenn das sich jetzt so ein bisschen selbstgerichtet anhört, weil doch eine gewisse Lebenserfahrung dazu erforderlich ist und gerade in einer Zeit, in der die Internationalisierung eine so große Rolle spielt, auch eine Lebenserfahrung, die sich vielleicht über den deutschen Tellerrand hinaus entwickelt hat, und so etwas braucht seine Zeit.
Klein: Herr Paulus, das Verfahren, das zur Auswahl der Richter am Bundesverfassungsgericht führt, gerät selbst immer wieder in die Diskussion. Zu wenig Transparenz, zu viele Gespräche in Hinterzimmern, so wird geklagt. Sie haben sich dem Wahlgremium zumindest vorher auch in Gesprächen gestellt. Sollte das üblich werden, oder was sonst kann die Transparenz dieses Verfahrens erhöhen?
Paulus: Ich kann natürlich dem Wahlgremium gerade am heutigen Tage keine Vorschriften machen, was es zukünftig tun sollte. Ich kann nur sagen, dass das Verfahren, wie es mit mir passiert ist, besonders in der letzten Woche seit der Nominierung, ein für mich sehr nützliches und wichtiges war. Das wurde auch genutzt, um Erwartungen auszudrücken, denen ich natürlich gerecht werden kann oder auch nicht.
Ich bin jetzt ein unabhängiger Richter und werde diese Unabhängigkeit natürlich nutzen, aber es ist schon wichtig, mit dem Wahlgremium sich unterhalten zu haben, und es ist auch schön, ein bisschen auch Subjekt des Verfahrens zu sein. Wenn sie selbst nie zu Wort kommen, dann sind sie auch sozusagen nur Objekt, und das ist etwas, was mir nicht gefallen würde.
Klein: In den USA muss ein Kandidat für den Supreme Court sich ausführlichen Befragungen durch die Senatoren stellen. Wäre das ein Vorbild auch für Deutschland?
Paulus: Das Problem bei diesem Verfahren besteht in zweierlei. Einerseits ist es schon zu sehr persönlichen Anwürfen gekommen, und das sind Dinge, die am Ende, selbst wenn ein Richter dann gewählt wird, alle Seiten beschädigen. Und auf der anderen Seite fühlt man dann oft sich in der Notwendigkeit, Dinge zu sagen, Dinge zu versprechen, die man dann gar nicht erfüllen kann.
Mit anderen Worten: Man gerät in die Rolle eines Politikers beim Wahlkampf, und das ist eine Rolle, die dem Bundesverfassungsgericht sicherlich und künftigen Richtern des Bundesverfassungsgerichts nicht so gut anstünde, und deswegen höre ich aus vielerlei Ecken - das ist nicht nur meine Meinung -, dass ein solches Verfahren eher schaden als nützen würde.
Klein: Professor Andreas Paulus, neuer Richter am Bundesverfassungsgericht. Das Richtergremium des Bundestages hat ihn heute Morgen bestätigt, die Vereidigung des Bundespräsidenten steht noch aus. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Paulus.
Paulus: Danke an Sie!
Ein neuer Präsident, ein neuer Vizepräsident, aber nicht nur das: Es gibt auch einen neuen Namen am Bundesverfassungsgericht, nämlich Andreas Paulus, Völkerrechtsprofessor aus Göttingen. Er rückt nach und ich begrüße ihn jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Paulus.
Andreas Paulus: Guten Tag, Frau Klein.
Klein: Stimmen Sie zu, wir erleben so etwas wie eine Art Generationenwechsel am Bundesverfassungsgericht?
Paulus: Ja, so einen kleinen Generationenwechsel erleben wir, und das passt ja auch zu den Themen, um die es in der letzten Zeit ging, von Lissabon bis zur Vorratsdatenspeicherung. Das sind ja doch Themen, die nicht neu sind - vor Lissabon war Maastricht -, aber die doch zeigen, dass eine neue Generation auch sich mit anderen Fragen beschäftigen muss.
Klein: Und da dürfen die Bürger sich auch einstellen auf eine Art Weichenstellung? Jeder Richter prägt ja auch durch die eigene Persönlichkeit die Rechtsprechung mit.
Paulus: Das ist sicherlich so. Ich kann sehr gut anknüpfen bei dem, was der Herr Vizepräsident und künftige Präsident eben gesagt hat. Die Internationalisierung und Europäisierung wird eben nicht nur durch den Zweiten Senat geprägt, sondern im Ersten Senat, der sich sehr stark mit grundrechtlichen und menschenrechtlichen Fragen beschäftigt, wird auch immer wieder die Abstimmung mit den europäischen Gerichten eine wichtige Rolle spielen, und in der Tat ist der Begriff von der Kooperation derjenige, der viel günstiger und richtiger das ausdrückt, was zwischen diesen Gerichten passiert.
Es geht ja letztlich bei allen um den Schutz der Bürgerrechte, und das ist der Akzent. Der hat sich allerdings nicht verändert, das bleibt beim Ersten Senat, so wie es bisher war.
Klein: Sie sind, das dürfen wir an dieser Stelle sagen, mit 41 Jahren der jüngste Richter, der jemals an das höchste deutsche Gericht berufen wurde. Inwiefern spielt das für Sie selbst eine Rolle?
Paulus: Das spielt insofern eine Rolle, als ich nun nicht die letzten zehn Jahre mit dem Gedanken verbracht habe, dass ich möglichst bald an das Bundesverfassungsgericht kommen sollte. Eine gewisse Überraschung ist damit verbunden.
Aber es bedeutet eben auch, dass Themen wie die Vorratsdatenspeicherung natürlich für mich eine große Rolle spielen, weil diese Technologie gerade auch bei meinen Altersgenossen eine größere Rolle spielen als bei einigen Älteren - nicht bei allen, bei einigen Älteren -, und die Internationalisierung macht sich bemerkbar in Lebensläufen und in Erlebnissen.
Das sind sozusagen weiche Faktoren, die die Grundeinstellung des Karlsruher Gerichts sicherlich nicht von heute auf morgen revolutionieren, aber die das tun, was immer passiert ist, nämlich zu einer allmählichen Entwicklung beitragen.
Klein: Das Lebensalter ist nicht immer entscheidend, das wissen wir. Aber dass es beim Bundesverfassungsgericht anders als im Bundeskabinett eine Altersuntergrenze von 40 Jahren gibt, das ist schon sinnvoll?
Paulus: Das halte ich für sinnvoll, auch wenn das sich jetzt so ein bisschen selbstgerichtet anhört, weil doch eine gewisse Lebenserfahrung dazu erforderlich ist und gerade in einer Zeit, in der die Internationalisierung eine so große Rolle spielt, auch eine Lebenserfahrung, die sich vielleicht über den deutschen Tellerrand hinaus entwickelt hat, und so etwas braucht seine Zeit.
Klein: Herr Paulus, das Verfahren, das zur Auswahl der Richter am Bundesverfassungsgericht führt, gerät selbst immer wieder in die Diskussion. Zu wenig Transparenz, zu viele Gespräche in Hinterzimmern, so wird geklagt. Sie haben sich dem Wahlgremium zumindest vorher auch in Gesprächen gestellt. Sollte das üblich werden, oder was sonst kann die Transparenz dieses Verfahrens erhöhen?
Paulus: Ich kann natürlich dem Wahlgremium gerade am heutigen Tage keine Vorschriften machen, was es zukünftig tun sollte. Ich kann nur sagen, dass das Verfahren, wie es mit mir passiert ist, besonders in der letzten Woche seit der Nominierung, ein für mich sehr nützliches und wichtiges war. Das wurde auch genutzt, um Erwartungen auszudrücken, denen ich natürlich gerecht werden kann oder auch nicht.
Ich bin jetzt ein unabhängiger Richter und werde diese Unabhängigkeit natürlich nutzen, aber es ist schon wichtig, mit dem Wahlgremium sich unterhalten zu haben, und es ist auch schön, ein bisschen auch Subjekt des Verfahrens zu sein. Wenn sie selbst nie zu Wort kommen, dann sind sie auch sozusagen nur Objekt, und das ist etwas, was mir nicht gefallen würde.
Klein: In den USA muss ein Kandidat für den Supreme Court sich ausführlichen Befragungen durch die Senatoren stellen. Wäre das ein Vorbild auch für Deutschland?
Paulus: Das Problem bei diesem Verfahren besteht in zweierlei. Einerseits ist es schon zu sehr persönlichen Anwürfen gekommen, und das sind Dinge, die am Ende, selbst wenn ein Richter dann gewählt wird, alle Seiten beschädigen. Und auf der anderen Seite fühlt man dann oft sich in der Notwendigkeit, Dinge zu sagen, Dinge zu versprechen, die man dann gar nicht erfüllen kann.
Mit anderen Worten: Man gerät in die Rolle eines Politikers beim Wahlkampf, und das ist eine Rolle, die dem Bundesverfassungsgericht sicherlich und künftigen Richtern des Bundesverfassungsgerichts nicht so gut anstünde, und deswegen höre ich aus vielerlei Ecken - das ist nicht nur meine Meinung -, dass ein solches Verfahren eher schaden als nützen würde.
Klein: Professor Andreas Paulus, neuer Richter am Bundesverfassungsgericht. Das Richtergremium des Bundestages hat ihn heute Morgen bestätigt, die Vereidigung des Bundespräsidenten steht noch aus. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Paulus.
Paulus: Danke an Sie!