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"Ein kleines Zimmer würde schon reichen"

Die EU-Kommission will die Lage der Roma in Europa mit einem Aktionsplan verbessern. Heute wird die Strategie in Straßburg vorgestellt. Interessant ist die Lage der Roma in Frankreich - Hunderte wurden vergangenes Jahr abgeschoben.

Von Margit Hillmann |
    Nieselregen, wenige Grad über Null: Priscilla Ludovico vom Sécour Catholique – der französischen Caritas - besucht ein kleines Roma-Camp in einem Waldstück bei Evry.

    Auf einer Lichtung stehen fünf Hütten - nur wenige Quadratmeter groß, zusammengezimmert aus Sperrmüll, Pappkarton und Plastikplanen. – Unterschlupf für knapp 25 Menschen, die Hälfte davon Kinder.

    "Die Familien leben erst seit einer Woche hier. Sie haben das Grundstück im Wald ausfindig gemacht und dort ihre Hütten gebaut, nachdem sie aus einem leer stehenden, großen Haus in der Nachbargemeinde Brétigny vertrieben wurden."

    Die Hütten sind mit Möbeln vom Sperrmüll eingerichtet. In einer wohnt Sora mit ihrem Mann, ihrem Baby und der Schwiegermutter. Die Schwiegermutter ist schwer diabeteskrank, kann nicht laufen und war seit Wochen nicht beim Arzt. Die Mitarbeiterin vom Sécour Catholique, schlägt der Schwiegertochter vor, ein Auto für den Arztbesuch zu organisieren. Anschließend füllt sie mit den Frauen Behördenanträge aus.

    "Seit dem letzten Sommer kommen die Roma kaum zur Ruhe, werden jetzt noch schneller aus den Gemeinden vertrieben. Und jedes Mal, wenn sie wieder den Ort gewechselt haben, müssen alle behördlichen Dinge neu geregelt werden: Nachweisen, dass sie im Ort wohnen; die Kinder in der Schule unterbringen; die Gesundheitsversorgung organisieren und so weiter. Wir versuchen ihnen dabei zu helfen, damit sie möglichst akzeptable und stabilere Lebensbedingungen finden, sich integrieren können."

    Die 22-Jährige Sora will auf keinen Fall zurück nach Rumänien. Sie träumt von einem ganz normalen Leben in Frankreich.

    "Ein anderes Leben für meine Familie – dass mein Mann arbeiten kann, mein Sohn später zur Schule gehen kann. Ein richtiges Dach über den Kopf und Arbeit. Ein kleines Zimmer würde schon reichen. Hauptsache wir sind im Warmen und in Sicherheit."

    12 bis 15.000 osteuropäische Roma leben noch immer in Frankreich. – Genauso viel wie im vergangenen Sommer, als Nicolas Sarkozy mit seiner Abschiebepolitik für heftige Proteste – auch in Brüssel - sorgte. Die massenweise nach Rumänien und Bulgarien abgeschobenen Roma sind zurückgekehrt – häufig schon nach wenigen Tagen; von der französischen Polizei geräumte und zerstörte Roma-Lager, werden an anderer Stelle neu aufgebaut.
    François Pupponi – sozialistischer Abgeordneter im französischen Parlament und Bürgermeister der Pariser Vorstadt Sarcelles, wirft der Regierung vor, die Roma-Frage auf Frankreichs Lokalpolitiker abzuwälzen. In seiner Stadt leben derzeit knapp 1000 Roma auf einem Grundstück ohne Strom, ohne Duschen und Toiletten mit nur einem einzigen Wasserhahn. Bittere Armut und desolate hygienische Zustände. Damit sei seine Stadt überfordert, sagt der Bürgermeister.

    "Sarcelles gehört zu den ärmsten Städten im Land. Wir haben hier genug andere Probleme. Wir haben weder den Platz an den Schulen, noch den Wohnraum für so viele Menschen. Wir wollten uns mit dem Polizeipräfekten des Departements und Vertretern der Regierung an einen Tisch setzen, um realistische Lösungen zu finden. Aber die Regierung in Paris reagiert nicht auf unsere Anfragen."

    Eine Ausrede, meint Jean-Pierre Dacheux vom örtlichen 'Kollektiv zur Unterstützung der Roma'. Der Bürgermeister habe für die Roma in Sarcelles selbst keinen Finger gekrümmt, verweigere systematisch jede Hilfe.

    "Ich verlange von ihm, dass er anfängt, selbst etwas für die Roma in Sarcelles zu tun. Bürgermeister der Linken, wie Pupponi, regen sich über Sarkozys Roma-Politik auf, machen es aber selbst kaum besser. Sie tun nämlich gar nichts! Warum beantragt der Bürgermeister von Sarcelles nicht EU-Gelder? Es gibt dafür spezielle Budgets, die nicht mal verbraucht werden!"


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