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Ein Kranz für die ertrunkenen Bootsflüchtlinge

Lampedusa steht wie kaum ein anderer Ort für die tiefe Verzweiflung von Flüchtlingen, die über den Seeweg nach Europa einreisen wollen. Viele von ihnen überleben die gefährlichen Überfahrten nicht. Papst Franziskus will für sie einen Kranz ins Meer werfen.

Von Karl Hoffmann |
    Seit einem Jahr ist sie erst im Amt, Giusi Nicolini, die erste Frau im Bürgermeisteramt der kleinen Insel genau zwischen Europa und Afrika gelegen

    "Wir haben ja nicht geahnt, dass das jetzt so schnell gehen würde. Aber das dafür ist die freudige Überraschung umso größer. Wir werden es schon schaffen."

    Ein zusätzliches Fährschiff wurde eingesetzt, um Besucher und Material für die Medien auf den kleinen Felsen, 180 km südlich der sizilianischen Küste zu bringen.

    Seit Papst Franziskus seinen Besuch angekündigt hat, wird Tag und Nacht geschuftet in Lampedusa. Gemeindearbeiter stopfen die Löcher im Asphalt der Dorfstraße, alte Zementmauern am Sportplatz werden noch eilends abgerissen. Aus Sicherheitsgründen. Denn dort wird der Papst in wenigen Stunden seine Messe abhalten. Ein symbolischer Ort.

    Vor genau zweieinhalb Jahren waren Tausende von Flüchtlinge in einer Winternacht in Lampedusa angelandet, aus Tunesien und Libyen nach dem Sturz der Diktaturen. Das Aufnahmelager der Insel war geschlossen, die jungen Männer kampierten in bitterer Kälte auf dem nackten Sandplatz, das war Auftakt einer monatelangen Odyssee von fast 60.000 Menschen, die alleine im Jahr 2011 nach Lampedusa kamen. Meinte einer der ersten Tunesier:

    "Einige waren zwei Tage lang auf hoher See, andere noch länger. Wir haben es in 24 Stunden geschafft. Wir hoffen, dass es eine Zukunft für uns hier in Italien gibt. Ich habe niemals vorgehabt, mein Land zu verlassen. Aber nach der Revolution hat sich alles verändert. Wir wurden alle entlassen, es gibt keine Arbeit mehr. So geht es hier allen."

    Auf dem Höhepunkt der Migrationswelle brannte das völlig überfüllte Aufnahmelager teilweise ab. Lampedusa wurde von der damaligen Regierung Berlusconi zu einem für Immigranten nicht sicheren Ort erklärt. Ab sofort wurden Flüchtlingsboote auf hoher See abgefangen und nach Sizilien auf das italienische Festland gebracht. Dabei kam es immer wieder zu tragischen Unglücksfällen. Mindestens 200 Menschen starben alleine in den vergangenen zwei Jahren, weil ihr Boot vom Kurs abkam oder bei der Rettung kenterte. Seit Beginn dieses Jahres ist das Aufnahmelager in Lampedusa wieder geöffnet. In Schüben sind seit Beginn des Jahres 7000 Menschen übers Meer gekommen. Derzeit befinden sich dort etwa 200 Flüchtlinge aus afrikanischen Kriegsgebieten, vor allem Somalia und Eritreer. Auch sie will der Papst persönlich begrüßen, aber erst nachdem ihn die Fischer mit ihren Booten feierlich empfangen haben. Enzo Billeci stets bereits aufgeregt am Ruder.

    "Vom Flughafen aus fährt der Papst zur Calla Pisana wo wie mit unseren Booten schon auf ihn warten, er steigt dann in eines der Boote. Und dann fahren w ir ihn in einer Art Prozession bis vor die Hafeneinfahrt. Dort wird der Papst einen Kranz im Wasser versenken, zum Gedenken an all jene, die im Meer ihr Leben gelassen haben."

    Für die kleine Insel ein Riesenansturm, schlimmer noch als jener der Boat People. Insgesamt rechnet man mit etwa 15.000 Menschen, zu je einem Drittel Bewohner, Feriengäste und Gefolge des Papstes. Der örtliche Priester Don Stefano ist kaum weniger aufgeregt als die Fischer, die Bürgermeisterin und die übrigen Bewohner. Denn für die Insel ist dies das wohl bedeutendste Ereignis ihrer langen Geschichte.

    "Für mich ist Lampedusa wie das Herz im Zentrum des Mittelmeers. Während der nächsten Stunden wird es sogar das Zentrum der Aufmerksamkeit in aller Welt sein. In Lampedusa, wo sich so viel Leid angesammelt hat, wird es nun neue Hoffnung geben."

    Ein spiritueller Besuch also, kein politisches Fanal, sagt der Dorfpriester pflichtschuldigst. Schon gar keine Verteidigung der Migrationsbewegungen. Oder gar Kritik an der europäischen Abschottungspolitik im Mittelmeer. Giacomo Sferlazza hat in Lampedusa das Museum der Immigration gegründet

    "Natürlich ist dieser Besuch extrem wichtig für unsere Insel, und ich hoffe, dass es nicht nur bei schönen Worten bleibt. Aber ich warte lieber erst mal ab, was der Papst in seiner Predigt zu sagen hat. Wenn es darin wieder nur um die christliche Nächstenliebe geht, dann wäre das allerdings zu wenig. Viel wichtiger wäre es, wenn der Papst mal über die Gründe spricht, warum diese Menschen aus ihren Heimatländern fliehen."