Männer und Frauen sitzen auf kleinen Plastikhockern in einem einfachen Restaurant in Myanmars früherer Hauptstadt Rangun. Ventilatoren surren an der Decke. Auch Nyan Lynn ist aus seiner Redaktion zum Mittagessen gekommen. Der 31-Jährige arbeitet seit Jahren als Zeitungsjournalist. Früher musste Nyan Lynn seine Gespräche und Interviews im Verborgenen führen. Mittlerweile aber kann er offen reden, auch in der Öffentlichkeit:
Nyan Lynn:
"Vor vier Jahren hätten wir uns hier nicht über Politik unterhalten können, denn ich hätte Angst vor Spitzeln gehabt. Damals musste man davon ausgehen, dass die Regierung ihre Informanten auch in Cafés und Restaurants platziert hatte. Wir hätten uns nicht sicher gefühlt. Aber heute ist es okay!"
Das südostasiatische Myanmar, das frühere Birma, war Jahrzehnte lang ein Paria der internationalen Politik. Eine Militärregierung kontrollierte das Volk. Andersdenkende wurden in Arbeitslager geworfen; die Junta ließ foltern. Wegen ihres politischen Engagements wurde die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi für insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gestellt.
2010 kam dann ein überraschender Wandel. Die Militärs begannen politische Reformen einzuleiten. Weil er wusste, dass die Öffnung nur mit der im Volk beliebten Aung San Suu Kyi gelingen kann, suchte Präsident Thein Sein damals den Kontakt zu ihr. Rainer Einzenberger, der Myanmar-Experte der Heinrich-Böll-Stiftung in Südostasien:
"Aung San Suu Kyi hat eine ganz zentrale Rolle gespielt, weil sie den Transformationsprozess überhaupt erst ermöglicht hat. Dadurch, dass sie bereit war, sich mit Präsident Thein Sein zu treffen und sich auszutauschen über gemeinsame Interessen und über gemeinsame Arbeitsbereiche zu reden. Was genau besprochen wurde, darüber herrscht Stillschweigen. Aber durch ihre Abkehr von ihrer strikten Boykotthaltung gegenüber dem Regime hat sie erst diesen Wandel ermöglicht."
Diese Haltung zahlte sich aus. Im November 2010 wurde Aung San Suu Kyis Hausarrest aufgehoben. Im vergangenen Jahr feierte sie einen Sieg, den Jahre lang niemand für möglich gehalten hätte. Am 1. April gewann ihre Partei, die "Nationale Liga für Demokratie" bei historischen Nachwahlen. Kurz darauf zog sie ins Parlament ein. Dort ist die 67-Jährige heute die wichtigste Oppositionspolitikerin.
Nyan Lynn:
"Vor vier Jahren hätten wir uns hier nicht über Politik unterhalten können, denn ich hätte Angst vor Spitzeln gehabt. Damals musste man davon ausgehen, dass die Regierung ihre Informanten auch in Cafés und Restaurants platziert hatte. Wir hätten uns nicht sicher gefühlt. Aber heute ist es okay!"
Das südostasiatische Myanmar, das frühere Birma, war Jahrzehnte lang ein Paria der internationalen Politik. Eine Militärregierung kontrollierte das Volk. Andersdenkende wurden in Arbeitslager geworfen; die Junta ließ foltern. Wegen ihres politischen Engagements wurde die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi für insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gestellt.
2010 kam dann ein überraschender Wandel. Die Militärs begannen politische Reformen einzuleiten. Weil er wusste, dass die Öffnung nur mit der im Volk beliebten Aung San Suu Kyi gelingen kann, suchte Präsident Thein Sein damals den Kontakt zu ihr. Rainer Einzenberger, der Myanmar-Experte der Heinrich-Böll-Stiftung in Südostasien:
"Aung San Suu Kyi hat eine ganz zentrale Rolle gespielt, weil sie den Transformationsprozess überhaupt erst ermöglicht hat. Dadurch, dass sie bereit war, sich mit Präsident Thein Sein zu treffen und sich auszutauschen über gemeinsame Interessen und über gemeinsame Arbeitsbereiche zu reden. Was genau besprochen wurde, darüber herrscht Stillschweigen. Aber durch ihre Abkehr von ihrer strikten Boykotthaltung gegenüber dem Regime hat sie erst diesen Wandel ermöglicht."
Diese Haltung zahlte sich aus. Im November 2010 wurde Aung San Suu Kyis Hausarrest aufgehoben. Im vergangenen Jahr feierte sie einen Sieg, den Jahre lang niemand für möglich gehalten hätte. Am 1. April gewann ihre Partei, die "Nationale Liga für Demokratie" bei historischen Nachwahlen. Kurz darauf zog sie ins Parlament ein. Dort ist die 67-Jährige heute die wichtigste Oppositionspolitikerin.
Von Birma zu Myanmar
Das heutige Myanmar ist ein Vielvölkerstaat mit über 130 Ethnien. Die Geschichte der letzten 150 Jahre ist bewegt und turbulent. Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Land von Großbritannien kolonialisiert und zu einem Teil Britisch-Indiens erklärt. Die Bevölkerung rebelliert immer wieder. Doch das Joch der Fremdherrschaft abwerfen kann Myanmar nicht.
Die ersehnte, staatliche Unabhängigkeit kommt erst nach dem Zweiten Weltkrieg, am 4. Januar 1948: Myanmar wird eine parlamentarische Demokratie. Das geistige Leben blüht auf. Schon bald zählt die Universität von Rangun zu einer der besten in ganz Asien. Allerdings ist die Freiheit von kurzer Dauer. 1962 putscht sich das Militär an die Macht. Myanmar versinkt erneut, dieses Mal in den Griffen einer Diktatur.
Die Militärjunta verstaatlicht die großen Betriebe. Die Medien dürfen nur noch Propaganda bringen. Wer sich politisch engagiert, lebt gefährlich. Menschenrechtsgruppen berichten von Folter, von Isolationshaft. Häftlinge müssen Zwangsarbeit verrichten, Brücken und Straßen bauen.
Khin Zaw Win:
"Als ich 1994 verhaftet wurde, gab es überall Informanten und Mitarbeiter der Geheimdienste. Damals hätten wir dieses Interview so wie jetzt nicht führen können."
Sagt der Bürgerrechtler Khin Zaw Win.
Khin Zaw Win:
"Ein Grund für meine Verhaftung damals war eine Menschenrechtskonferenz in Wien. Ein französisches Fernsehteam interviewte mich. Aber es waren eben auch Informanten dabei. Sie schrieben meinen Namen auf, notierten, was ich gesagt hatte und gaben diese Informationen schließlich an den Geheimdienst weiter."
Khin Zaw Win wird für elf Jahre weggesperrt. Als er 2005 wieder freikommt, ist die Junta immer noch an der Macht. Schon kurz darauf aber kommt es zu landesweiten Demonstrationen. Die Mönche im Land setzen sich an die Spitze der Bewegung.
Die ersehnte, staatliche Unabhängigkeit kommt erst nach dem Zweiten Weltkrieg, am 4. Januar 1948: Myanmar wird eine parlamentarische Demokratie. Das geistige Leben blüht auf. Schon bald zählt die Universität von Rangun zu einer der besten in ganz Asien. Allerdings ist die Freiheit von kurzer Dauer. 1962 putscht sich das Militär an die Macht. Myanmar versinkt erneut, dieses Mal in den Griffen einer Diktatur.
Die Militärjunta verstaatlicht die großen Betriebe. Die Medien dürfen nur noch Propaganda bringen. Wer sich politisch engagiert, lebt gefährlich. Menschenrechtsgruppen berichten von Folter, von Isolationshaft. Häftlinge müssen Zwangsarbeit verrichten, Brücken und Straßen bauen.
Khin Zaw Win:
"Als ich 1994 verhaftet wurde, gab es überall Informanten und Mitarbeiter der Geheimdienste. Damals hätten wir dieses Interview so wie jetzt nicht führen können."
Sagt der Bürgerrechtler Khin Zaw Win.
Khin Zaw Win:
"Ein Grund für meine Verhaftung damals war eine Menschenrechtskonferenz in Wien. Ein französisches Fernsehteam interviewte mich. Aber es waren eben auch Informanten dabei. Sie schrieben meinen Namen auf, notierten, was ich gesagt hatte und gaben diese Informationen schließlich an den Geheimdienst weiter."
Khin Zaw Win wird für elf Jahre weggesperrt. Als er 2005 wieder freikommt, ist die Junta immer noch an der Macht. Schon kurz darauf aber kommt es zu landesweiten Demonstrationen. Die Mönche im Land setzen sich an die Spitze der Bewegung.
Die Safran-Revolution 2007
Männer mit kahl geschorenen Köpfen blicken aus Fenstern. Dunkelrote Mönchsgewänder hängen zum Trockenen über dem Zaun. Das Maggin Kloster liegt am Ende einer staubigen Straße in Myanmars ehemaliger Hauptstadt Rangun. In einem Viertel mit Dutzenden kleinen Klöstern.
Abt U Indaka sitzt auf dem Balkon seines Klosters auf einer Bastmatte. Der 53-Jährige pafft an einer burmesischen Zigarre, in die neben Tabak auch verschiedene Gewürze gerollt sind. U Indaka sitzt aufrecht. Er ist selbstbewusst und kämpferisch. Bei Myanmars politischen Aktivisten gilt der Mönch als stiller Held. Denn U Indaka hat sich schon immer in die Politik eingemischt.
U Idaka:
"Unser politisches Engagement geht auf den Buddha selbst zurück. Er hat während kriegerischer Konflikte ebenfalls versucht, zu schlichten. Wir sehen uns in der Tradition des Buddha. Die Sorgen des Volkes sind deshalb auch unsere Sorgen. In Myanmar hat die Militärregierung während der vergangenen Jahre die Bevölkerung unterdrückt, sie verfolgt und schlecht behandelt. Es war unsere Pflicht, den Militärs zu sagen: hört auf damit, grausam zu den Menschen zu sein."
Um die Bevölkerung zu schützen, gehen 2007 Zehntausende Mönche in Myanmar auf die Straße. Sie verlangen bessere Lebensbedingungen. Manche fordern sogar den Rücktritt der Militärregierung. Doch die Junta schlägt die Demonstrationen blutig nieder. Sie verschleppt Hunderte Aktivisten, verprügelte Mönche. Die Militärs stürmen auch das Maggin-Kloster und knüpfen sich U Indaka vor:
U Indaka:
"Sie kamen mit einem Holzknüppel und einem Strick. Ich sagte ihnen, ich bin hier, ich habe schon auf euch gewartet. Ich werde nicht wegrennen. Trotzdem rissen sie mich vom Boden hoch, zerrten mir die Robe über den Kopf und banden mich mit dem Strick. Ich durfte nicht mal meine Schuhe anziehen. Dann brachten sie mich in eine Art Deportationslager und verhörten mich drei Monate lang."
U Indaka wird zu 20 Jahren Haft verurteilt, das Kloster, wie so viele andere, von den Militärs verrammelt. Die Regierung hält die Macht wieder fest in Händen. Doch ein paar Monate später wird Myanmar von einer Naturkatastrophe heimgesucht. Sie verschärft erneut die Situation.
Als der Wirbelsturm Nargis 2008 über Städte und Dörfer hinwegfegt, können die ärmlichen Hütten den Windböen von über 150 Stundenkilometern nicht standhalten. In kürzester Zeit verlieren rund eine Million Menschen ihr Dach über dem Kopf. Geschätzte 80.000 Personen sterben.
Heimlich mit Handys gedrehte Filme werden ins Internet gestellt. Sie zeigen Bilder der Verwüstung. Straßen und Felder stehen unter Wasser, Plastikfetzen und Gerümpel hängen in Bäumen und Büschen. Leichen liegen in den Straßen.
Abt U Indaka sitzt auf dem Balkon seines Klosters auf einer Bastmatte. Der 53-Jährige pafft an einer burmesischen Zigarre, in die neben Tabak auch verschiedene Gewürze gerollt sind. U Indaka sitzt aufrecht. Er ist selbstbewusst und kämpferisch. Bei Myanmars politischen Aktivisten gilt der Mönch als stiller Held. Denn U Indaka hat sich schon immer in die Politik eingemischt.
U Idaka:
"Unser politisches Engagement geht auf den Buddha selbst zurück. Er hat während kriegerischer Konflikte ebenfalls versucht, zu schlichten. Wir sehen uns in der Tradition des Buddha. Die Sorgen des Volkes sind deshalb auch unsere Sorgen. In Myanmar hat die Militärregierung während der vergangenen Jahre die Bevölkerung unterdrückt, sie verfolgt und schlecht behandelt. Es war unsere Pflicht, den Militärs zu sagen: hört auf damit, grausam zu den Menschen zu sein."
Um die Bevölkerung zu schützen, gehen 2007 Zehntausende Mönche in Myanmar auf die Straße. Sie verlangen bessere Lebensbedingungen. Manche fordern sogar den Rücktritt der Militärregierung. Doch die Junta schlägt die Demonstrationen blutig nieder. Sie verschleppt Hunderte Aktivisten, verprügelte Mönche. Die Militärs stürmen auch das Maggin-Kloster und knüpfen sich U Indaka vor:
U Indaka:
"Sie kamen mit einem Holzknüppel und einem Strick. Ich sagte ihnen, ich bin hier, ich habe schon auf euch gewartet. Ich werde nicht wegrennen. Trotzdem rissen sie mich vom Boden hoch, zerrten mir die Robe über den Kopf und banden mich mit dem Strick. Ich durfte nicht mal meine Schuhe anziehen. Dann brachten sie mich in eine Art Deportationslager und verhörten mich drei Monate lang."
U Indaka wird zu 20 Jahren Haft verurteilt, das Kloster, wie so viele andere, von den Militärs verrammelt. Die Regierung hält die Macht wieder fest in Händen. Doch ein paar Monate später wird Myanmar von einer Naturkatastrophe heimgesucht. Sie verschärft erneut die Situation.
Als der Wirbelsturm Nargis 2008 über Städte und Dörfer hinwegfegt, können die ärmlichen Hütten den Windböen von über 150 Stundenkilometern nicht standhalten. In kürzester Zeit verlieren rund eine Million Menschen ihr Dach über dem Kopf. Geschätzte 80.000 Personen sterben.
Heimlich mit Handys gedrehte Filme werden ins Internet gestellt. Sie zeigen Bilder der Verwüstung. Straßen und Felder stehen unter Wasser, Plastikfetzen und Gerümpel hängen in Bäumen und Büschen. Leichen liegen in den Straßen.
Wirbelsturm wird zum Schlüsselmoment des Landes
Die Regierung erklärt weite Teile des Landes zum Katastrophengebiet. Gleichzeitig lässt sie die Opfer im Stich: Obwohl sie selbst mit der Situation überfordert ist, verweigert sie internationalen Hilfsorganisationen die Einreise ins Land: Ohne Trinkwasser, ohne Nahrung, ohne medizinische Versorgung sterben in den Wochen nach dem Sturm Tausende weitere Menschen. Myanmar war am Ende, sagt Rainer Einzenberger von der Heinrich Böll-Stiftung. Das Land befand sich an einem Tiefpunkt, der möglicherweise zum späteren Umdenken mit beigetragen hat:
"Man war so weit am Boden, dass man nicht mehr tiefer fallen konnte. Der Wirbelsturm Nargis war ein wichtiger Schlüsselmoment, der dem Regime auch vor Augen geführt hat, wie hilflos es angesichts solch einer Katastrophe war. Es gab auch Leute im Militär, die sich geschämt haben, so einem Regime anzugehören, die die Ehre des Militärs wieder aufbauen wollten."
Und doch dauert es noch gut drei Jahre, bis die Junta die lang ersehnten Reformen einleitet. Doch 2010 öffnet sie sich gegenüber dem eignen Volk. Sucht Beziehungen ins Ausland.
Die Shwedagon-Pagode in Rangun mit ihren vielen goldverzierten Tempeln glitzert in der Morgensonne. Die Pagode ist das religiöse Zentrum des Landes. Auch ein paar Dutzend Urlauber schlendern durch das Heiligtum; für viele Burmesen ist das ein neuer Anblick: Denn um zu verhindern, dass die Junta an Urlaubern verdient, rief die Opposition während der vergangenen Jahre Touristen dazu auf, nicht nach Myanmar zu reisen. Jahrelang kamen deswegen gerade einmal ein paar Hunderttausend Touristen über die Grenze. Seit der politischen Öffnung strömen nun aber immer mehr Besucher ins Land, so wie der 32 Jahre alte Schwede Johann Dietrich Halberg:
"Die Opposition hat ja jetzt Touristen ermuntert, Myanmar zu besuchen, weil die Situation insgesamt liberaler geworden ist. Deswegen bin ich hier hergekommen. Ich will mir die kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten des Landes ansehen. Ich interessiere mich aber auch für die politische Situation. Die finde ich derzeit sehr spannend."
In Rangun sind die Spuren der Vergangenheit noch allgegenwärtig: Die Gehwege haben tiefe Schlaglöcher, moderne Geschäfte gibt es kaum. Und weil die Energie-Versorgung nicht ausreicht, fällt jeden Tag stundenlang der Strom aus. Myanmar wirkt, wie aus der Zeit gefallen, als sei vor zehn, zwanzig Jahren plötzlich die Zeit stehen geblieben.
Das liegt vor allem an den Wirtschaftssanktionen, denn die hatten das Land isoliert. Internationale Marken oder globale Ketten sind bislang so gut wie nicht zu finden. In Myanmar gibt es weder Starbucks, noch McDonald's, noch Vodafone oder Gucci. Selbst an Geld zu kommen, ist schwierig, sagt der Deutsche Simon Scherer, der Myanmar mit seiner Familie ein paar Wochen lang bereist hat:
"Eingeschränkt gibt es seit ein paar Wochen - ich glaube, seit Dezember - gibt es rund 30 Geldautomaten im ganzen Land, die meisten davon hier in Rangun, wo man mit Kreditkarte Geld abheben kann. Aber Flug oder Hotel online bezahlen mit Kreditkarte, geht praktisch nicht. Hier in Rangun gibt es wohl ein paar Hotels, wo man aber fünf oder zehn Prozent draufzahlen muss, wenn man von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will. Sodass das hier noch ein Land des Bargelds ist, ohne Plastikkarten. Wir sind hier praktisch mit viertausend Dollar in der Tasche eingereist. Das ist schon auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, ja ... "
"Man war so weit am Boden, dass man nicht mehr tiefer fallen konnte. Der Wirbelsturm Nargis war ein wichtiger Schlüsselmoment, der dem Regime auch vor Augen geführt hat, wie hilflos es angesichts solch einer Katastrophe war. Es gab auch Leute im Militär, die sich geschämt haben, so einem Regime anzugehören, die die Ehre des Militärs wieder aufbauen wollten."
Und doch dauert es noch gut drei Jahre, bis die Junta die lang ersehnten Reformen einleitet. Doch 2010 öffnet sie sich gegenüber dem eignen Volk. Sucht Beziehungen ins Ausland.
Die Shwedagon-Pagode in Rangun mit ihren vielen goldverzierten Tempeln glitzert in der Morgensonne. Die Pagode ist das religiöse Zentrum des Landes. Auch ein paar Dutzend Urlauber schlendern durch das Heiligtum; für viele Burmesen ist das ein neuer Anblick: Denn um zu verhindern, dass die Junta an Urlaubern verdient, rief die Opposition während der vergangenen Jahre Touristen dazu auf, nicht nach Myanmar zu reisen. Jahrelang kamen deswegen gerade einmal ein paar Hunderttausend Touristen über die Grenze. Seit der politischen Öffnung strömen nun aber immer mehr Besucher ins Land, so wie der 32 Jahre alte Schwede Johann Dietrich Halberg:
"Die Opposition hat ja jetzt Touristen ermuntert, Myanmar zu besuchen, weil die Situation insgesamt liberaler geworden ist. Deswegen bin ich hier hergekommen. Ich will mir die kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten des Landes ansehen. Ich interessiere mich aber auch für die politische Situation. Die finde ich derzeit sehr spannend."
In Rangun sind die Spuren der Vergangenheit noch allgegenwärtig: Die Gehwege haben tiefe Schlaglöcher, moderne Geschäfte gibt es kaum. Und weil die Energie-Versorgung nicht ausreicht, fällt jeden Tag stundenlang der Strom aus. Myanmar wirkt, wie aus der Zeit gefallen, als sei vor zehn, zwanzig Jahren plötzlich die Zeit stehen geblieben.
Das liegt vor allem an den Wirtschaftssanktionen, denn die hatten das Land isoliert. Internationale Marken oder globale Ketten sind bislang so gut wie nicht zu finden. In Myanmar gibt es weder Starbucks, noch McDonald's, noch Vodafone oder Gucci. Selbst an Geld zu kommen, ist schwierig, sagt der Deutsche Simon Scherer, der Myanmar mit seiner Familie ein paar Wochen lang bereist hat:
"Eingeschränkt gibt es seit ein paar Wochen - ich glaube, seit Dezember - gibt es rund 30 Geldautomaten im ganzen Land, die meisten davon hier in Rangun, wo man mit Kreditkarte Geld abheben kann. Aber Flug oder Hotel online bezahlen mit Kreditkarte, geht praktisch nicht. Hier in Rangun gibt es wohl ein paar Hotels, wo man aber fünf oder zehn Prozent draufzahlen muss, wenn man von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will. Sodass das hier noch ein Land des Bargelds ist, ohne Plastikkarten. Wir sind hier praktisch mit viertausend Dollar in der Tasche eingereist. Das ist schon auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig, ja ... "
Politischer Wandel beginnt 2010
Dennoch spürt man den politischen Wandel deutlich. Zeitschriftenkioske werben mit Fotografien von Aung San Su Kyi. Auf der Straße, im Bus oder im Restaurant diskutieren die Menschen offen über Politik. Seit der Öffnung vor drei Jahren haben die Militärs einen Teil der Macht abgegeben - allerdings ist ihnen per Verfassung ein Viertel der Parlamentssitze garantiert. Aber anders als noch unter General Than Shwe, der bis vor zwei Jahren an der Macht war, sind die Generäle nicht mehr die uneingeschränkten Alleinherrscher:
Einzenberger:
"Ich würde nicht sagen, dass das Land eine Diktatur ist, weil, es gibt keinen Diktator mehr, der allein entscheiden kann, so wie das früher Than Shwe machen konnte, der gottgleich verfügen konnte."
Sagt Rainer Einzenberger von der Heinrich-Böll-Stiftung. Er spricht eher von einer semi-zivilen Regierung mit starkem militärischen Einfluss:
"Than Shwe hat das geschickt arrangiert, mit einem Präsidenten an der Spitze, dem Parlament als Check and Balance. Und das Militär natürlich als dritten Player. Also wurde die Macht aufgeteilt auf verschiedene Player, die sich jetzt gegenseitig in Schach halten."
Die internationale Gemeinschaft unterstützt derzeit Myanmars Reformprozess. Die meisten Wirtschaftssanktionen sind ausgesetzt, ein Teil der Auslandsschulden wurde erlassen. Als erster US-Präsident reiste Barack Obama vor ein paar Wochen ins Land. Dort traf er sich auch mit Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi symbolträchtig in deren Privathaus, wo sie jahrelang unter Hausarrest gestanden hatte.
Die USA wollen den Prozess der Demokratisierung fördern. Gleichzeitig ist Myanmar mit gewaltigen Problemen konfrontiert: Viele Menschen leben an der Armutsgrenze, das Bildungssystem ist in einem desolaten Zustand. Hinzu kommen kriegerische Konflikte mit ethnischen Minderheiten, etwa den Karen oder den Kachin. Denn viele der über 130 Ethnien fühlen sich von der größten Volksgruppe der Birmanen unterdrückt, sagt der ehemalige politische Gefangene Kin Zaw Win, der die Opposition heute unter anderem bei Fragen rund um diese Konflikte berät.
Kin Zaw Win:
"In Myanmar gibt es schon seit 60 Jahren Bürgerkrieg. Und leider wurde vor zwei Jahren mit den Kachin der Waffenstillstand gebrochen, der 1994 ausgehandelt worden war. Seither wird dort wieder gekämpft. Es gibt viele Flüchtlinge, und vor allem das Militär muss hohe Verluste hinnehmen."
Viele Landesteile in Myanmar, etwa im Norden und Süden des Landes, sind gesperrt. Menschenrechtsgruppen wie Terre des Hommes zufolge sind über eine halbe Million Menschen im eigenen Land vertrieben. Zehntausende suchen Schutz in den Wäldern, andere leben an der Grenze zu Thailand, Bangladesch oder China. Die meisten Volksgruppen wollen mehr Unabhängigkeit, manche ein föderales System, sagt Kin Zaw Win.
Kin Zaw Win:
"Früher durfte man das Wort Föderalismus gar nicht benutzen. Denn für die meisten hieß das: Das Land wird auseinanderbrechen. Föderalismus war gleichbedeutend mit Separatismus. Aber jetzt diskutieren auch Politiker offen darüber. Einige ethnische Führer sind allerdings sehr radikal, sie beschuldigen Aung San Suu Kyi und die Birmanen, dass ihnen der ganze Konflikt egal sei. Und um ehrlich zu sein: Ich glaube, dass die Angelegenheit viel Zeit brauchen wird. Ich glaube nicht, dass man das von heute auf morgen lösen kann."
Anderes geht schneller. Myanmars Medien etwa genießen bereits heute neue Freiheiten.
Die Redaktion des politischen Magazins "Venus" hat ihre Büros im Zentrum von Rangun. Reporter und Redakteure sitzen über Artikel gebeugt, schreiben und redigieren Texte. Andere arbeiten am Layout. Chefredakteur Myo Min Htike ist zufrieden. Seit vergangenem Jahr haben Myanmars Journalisten neue Möglichkeiten. Im August wurde die Vorzensur abgeschafft.
Myo Min Htike:
"Unter der Zensur hatten wir immer Probleme. Schon damals haben wir versucht, über heikle Themen zu schreiben. Aber ständig wurden wir eingeschränkt und kontrolliert. Wir mussten mit den Behörden reden und Erklärungen unterschreiben, dass wir so etwas nicht wieder machen würden. Eigentlich war jede Woche etwas anderes, weil wir versuchten, irgendwie um die Zensur herumzukommen. Aber jetzt ist sie aufgehoben, und wir können viel detaillierter schreiben. Wir können auch schon mal über Korruption berichten oder die Regierung kritisieren. Ich bin deswegen sehr optimistisch, was den Wandel angeht."
Myanmars Medienlandschaft ist im Umbruch. In den vergangenen Monaten wurden gleich mehrere neue Magazine und Zeitschriften gegründet. Im April fällt eine weitere Hürde. Dann dürfen auch private Tageszeitungen erscheinen. Myo Min Htike, der auch Mitglied des Journalistenverbandes in Myanmar ist, begrüßt die Entwicklung, schließlich führt sie zu mehr Meinungsvielfalt. Gleichzeitig ist er ernüchtert: Er sieht noch immer die Dominanz des Staates und hält die privaten Zeitungen nicht für konkurrenzfähig.
Im Maggin Kloster im Nordosten der Stadt hat sich U Indaka unterdessen eine zweite Zigarre angezündet. Der Abt hat Zeit. Myanmars 600.000 Mönche und Nonnen haben kein Wahlrecht. Die politische Entwicklung des Landes verfolgt er dennoch weiter mit Interesse. U Indaka begrüßt die bisherige Öffnung seiner Heimat, er hofft auf weitere Schritte hin zu mehr Freiheit und Demokratie. Trotz der Reformen im Land bleibt der Mönch jedoch abwartend. Euphorisch ist U Indaka nicht.
U Indaka:
"Nach der blutigen Niederschlagung der Safran-Revolution 2007 stand Myanmar international am Pranger. Die Regierung musste sich aus der Isolation befreien. Deswegen hat sie Reformen eingeleitet. Sie hat Kontakt zu den Vereinten Nationen gesucht, und schließlich Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen. Die Regierung musste der internationalen Gemeinschaft Veränderungen präsentieren. Der jetzige Präsident stammt ja immer noch aus dem Militär, deswegen hege ich weiter großes Mistrauen. Myanmar hat noch immer viele Probleme. Ich warte ab."
Einzenberger:
"Ich würde nicht sagen, dass das Land eine Diktatur ist, weil, es gibt keinen Diktator mehr, der allein entscheiden kann, so wie das früher Than Shwe machen konnte, der gottgleich verfügen konnte."
Sagt Rainer Einzenberger von der Heinrich-Böll-Stiftung. Er spricht eher von einer semi-zivilen Regierung mit starkem militärischen Einfluss:
"Than Shwe hat das geschickt arrangiert, mit einem Präsidenten an der Spitze, dem Parlament als Check and Balance. Und das Militär natürlich als dritten Player. Also wurde die Macht aufgeteilt auf verschiedene Player, die sich jetzt gegenseitig in Schach halten."
Die internationale Gemeinschaft unterstützt derzeit Myanmars Reformprozess. Die meisten Wirtschaftssanktionen sind ausgesetzt, ein Teil der Auslandsschulden wurde erlassen. Als erster US-Präsident reiste Barack Obama vor ein paar Wochen ins Land. Dort traf er sich auch mit Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi symbolträchtig in deren Privathaus, wo sie jahrelang unter Hausarrest gestanden hatte.
Die USA wollen den Prozess der Demokratisierung fördern. Gleichzeitig ist Myanmar mit gewaltigen Problemen konfrontiert: Viele Menschen leben an der Armutsgrenze, das Bildungssystem ist in einem desolaten Zustand. Hinzu kommen kriegerische Konflikte mit ethnischen Minderheiten, etwa den Karen oder den Kachin. Denn viele der über 130 Ethnien fühlen sich von der größten Volksgruppe der Birmanen unterdrückt, sagt der ehemalige politische Gefangene Kin Zaw Win, der die Opposition heute unter anderem bei Fragen rund um diese Konflikte berät.
Kin Zaw Win:
"In Myanmar gibt es schon seit 60 Jahren Bürgerkrieg. Und leider wurde vor zwei Jahren mit den Kachin der Waffenstillstand gebrochen, der 1994 ausgehandelt worden war. Seither wird dort wieder gekämpft. Es gibt viele Flüchtlinge, und vor allem das Militär muss hohe Verluste hinnehmen."
Viele Landesteile in Myanmar, etwa im Norden und Süden des Landes, sind gesperrt. Menschenrechtsgruppen wie Terre des Hommes zufolge sind über eine halbe Million Menschen im eigenen Land vertrieben. Zehntausende suchen Schutz in den Wäldern, andere leben an der Grenze zu Thailand, Bangladesch oder China. Die meisten Volksgruppen wollen mehr Unabhängigkeit, manche ein föderales System, sagt Kin Zaw Win.
Kin Zaw Win:
"Früher durfte man das Wort Föderalismus gar nicht benutzen. Denn für die meisten hieß das: Das Land wird auseinanderbrechen. Föderalismus war gleichbedeutend mit Separatismus. Aber jetzt diskutieren auch Politiker offen darüber. Einige ethnische Führer sind allerdings sehr radikal, sie beschuldigen Aung San Suu Kyi und die Birmanen, dass ihnen der ganze Konflikt egal sei. Und um ehrlich zu sein: Ich glaube, dass die Angelegenheit viel Zeit brauchen wird. Ich glaube nicht, dass man das von heute auf morgen lösen kann."
Anderes geht schneller. Myanmars Medien etwa genießen bereits heute neue Freiheiten.
Die Redaktion des politischen Magazins "Venus" hat ihre Büros im Zentrum von Rangun. Reporter und Redakteure sitzen über Artikel gebeugt, schreiben und redigieren Texte. Andere arbeiten am Layout. Chefredakteur Myo Min Htike ist zufrieden. Seit vergangenem Jahr haben Myanmars Journalisten neue Möglichkeiten. Im August wurde die Vorzensur abgeschafft.
Myo Min Htike:
"Unter der Zensur hatten wir immer Probleme. Schon damals haben wir versucht, über heikle Themen zu schreiben. Aber ständig wurden wir eingeschränkt und kontrolliert. Wir mussten mit den Behörden reden und Erklärungen unterschreiben, dass wir so etwas nicht wieder machen würden. Eigentlich war jede Woche etwas anderes, weil wir versuchten, irgendwie um die Zensur herumzukommen. Aber jetzt ist sie aufgehoben, und wir können viel detaillierter schreiben. Wir können auch schon mal über Korruption berichten oder die Regierung kritisieren. Ich bin deswegen sehr optimistisch, was den Wandel angeht."
Myanmars Medienlandschaft ist im Umbruch. In den vergangenen Monaten wurden gleich mehrere neue Magazine und Zeitschriften gegründet. Im April fällt eine weitere Hürde. Dann dürfen auch private Tageszeitungen erscheinen. Myo Min Htike, der auch Mitglied des Journalistenverbandes in Myanmar ist, begrüßt die Entwicklung, schließlich führt sie zu mehr Meinungsvielfalt. Gleichzeitig ist er ernüchtert: Er sieht noch immer die Dominanz des Staates und hält die privaten Zeitungen nicht für konkurrenzfähig.
Im Maggin Kloster im Nordosten der Stadt hat sich U Indaka unterdessen eine zweite Zigarre angezündet. Der Abt hat Zeit. Myanmars 600.000 Mönche und Nonnen haben kein Wahlrecht. Die politische Entwicklung des Landes verfolgt er dennoch weiter mit Interesse. U Indaka begrüßt die bisherige Öffnung seiner Heimat, er hofft auf weitere Schritte hin zu mehr Freiheit und Demokratie. Trotz der Reformen im Land bleibt der Mönch jedoch abwartend. Euphorisch ist U Indaka nicht.
U Indaka:
"Nach der blutigen Niederschlagung der Safran-Revolution 2007 stand Myanmar international am Pranger. Die Regierung musste sich aus der Isolation befreien. Deswegen hat sie Reformen eingeleitet. Sie hat Kontakt zu den Vereinten Nationen gesucht, und schließlich Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen. Die Regierung musste der internationalen Gemeinschaft Veränderungen präsentieren. Der jetzige Präsident stammt ja immer noch aus dem Militär, deswegen hege ich weiter großes Mistrauen. Myanmar hat noch immer viele Probleme. Ich warte ab."