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Ein Lehrer für alle Fälle

Eine gemeinsame Ausbildung für Lehrer an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien - das schlägt eine Expertenkommission des Kultusministeriums in Baden-Württemberg vor. Doch der universell einsetzbare Einheitslehrer stößt auf Skepsis.

Von Thomas Wagner |
    "Die Frage stellt sich natürlich: Wollen denn das wirklich alle? Jetzt gibt es doch die bewusste Entscheidung: Studiere ich an einer pädagogischen Hochschule oder studiere ich an einer Universität, mache ich ein akademisches Studium?"

    Bernd Saur, Vorsitzender des baden-württembergischen Philologenverbandes, ist skeptisch. Und seine Skepsis bezieht sich auf einen auf einen Vorschlag, den eine vom Stuttgarter Kultusministerium eingesetzte Expertenkommission kürzlich unterbreitet hatte: Demnach soll die Lehrerausbildung grundsätzlich reformiert werden. Statt getrennter Ausbildungsgänge für Realschul-, Hauptschul-, Berufsschul- und Gymnasiallehrer soll es nur noch eine Einheitsausbildung geben, die nach diesem Vorschlag von den Universitäten und den Pädagogischen Hochschulen gemeinsam geschultert wird. Einzig die Grundschullehrer-Ausbildung wird von diesem Konzept ausgenommen.

    Wer also Lehramt an der Uni studiert, kann demnach an allen Schultypen, von der Hauptschule bis hin zum Gymnasium, eingesetzt werden. Die Begeisterung bei vielen zukünftigen Lehrern hält sich dafür aber in Grenzen. Theresa Bayreuther absolviert an der Universität Konstanz ein Lehramtsstudium mit den Fächern Italienisch und Französisch. Johannes Steckeler ist angehender Geschichts- und Politiklehrer.
    "Ich möchte schon am Gymnasium unterrichten. Realschule könnte ich mir eventuell noch vorstellen. Hauptschule aber nicht, weil’s dort meine Sprachen gar nicht gibt, schon alleine deswegen."

    "Das war für mich mit ein Entscheidungsgrund, das Studium an der Uni zu beginnen, weil man ja weiß: Man unterrichtet später am Gymnasium. Realschule könnte ich mir dann auch noch vorstellen, Hauptschule dann weniger."

    Das klingt nicht eben nach großer Lust auf den Job des universell einsetzbaren Einheitslehrers. Lehramtsstudent Johannes Steckeler bezweifelt daneben, ob eine Ausbildung zum Einheitslehrer überhaupt sinnvoll ist. Denn die unterschiedlichen Schultypen stellten auch unterschiedliche Anforderungen an das Lehramt und damit auch an die Lehrerausbildung.

    "Ganz klar muss man halt bei der Hauptschule und bei der Realschule immer diesen Praxisbezug haben. Die Schüler werden in der Regel nach der Hauptschule und nach der Realschule in einen praktischen Beruf gehen und weniger an die Universität. Am Gymnasium braucht man einfach gewisse wissenschaftliche Kenntnisse."

    Diesem Argument schließt sich auch der baden-württembergische Philologenverbandsvorsitzende Bernd Saur an. Das Konzept eines Einheitslehrers, wie von der Expertenkommission vorgeschlagen, hält er für grundlegend falsch:

    "Es ist ein Unterschied, ob ich Kinder auf die mittlere Reife oder auf eine duale Ausbildung vorbereite oder ob ich in der Oberstufe wissenschaftspropädeutisch tätig bin, indem ich eben Kinder auf ein Hochschulstudium vorbereite. Das sind dann schon andere Schwerpunkte."

    Das baden-württembergische Ministerium für Kultus, Jugend und Sport hält sich mit einer Stellungnahme zum Thema zurück: Voraussichtlich erst im Mai werde die Landesregierung über die Umsetzung entscheiden. Allerdings ließ die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Baur verlauten, es sei unwahrscheinlich, dass die Empfehlung unbeachtet in der Schublade verschwinde.

    Und immerhin: Mit der Idee des Einheitslehrers geht nicht nur Baden-Württemberg schwanger. Das Land Brandenburg hat ein ähnliches Konzept bereits beschlossen. Die Umsetzung steht im Wintersemester 2013/2014 an. Stephan Breiding, Sprecher des Brandenburgischen Bildungsministeriums:

    "Gleichzeitig werden die so ausgebildeten Lehrkräfte ein Stück weit flexibler im Einsatz für die weiterführenden Schulen. Und natürlich haben wir im Land Brandenburg auch das Problem, dass wir eine demografische Entwicklung haben, dass wir in den kommenden Jahren weniger Kinder im Land haben werden. Und da wollen wir die Weichen in der Lehrerausbildung so stellen, dass wir nicht Lehrer haben für nur ganz spezielle Schulformen, die wir dann gar nicht mehr einsetzen können."

    Trotz solcher Überlegungen kann Bernd Saur vom Philologenverband Baden-Württemberg der Idee des Einheitslehrers nichts abgewinnen. Völlig ungeklärt sei neben allen pädagogischen Einwendungen die Vergütungsfrage:

    "Wie werden diese Einheitslehrer, es gibt ja dann keine Differenzierung mehr, wie werden die bezahlt? Werden die bezahlt so wie heute der Gymnasiallehrer oder eben nicht und was kann sich das Land leisten? Das sind alles offene Fragen."

    Trotz aller Skepsis könnte sich Lehramtsstudent Johannes Steckeler bei einer Reform der Pädagogenausbildung, die sowohl an den Pädagogischen Hochschulen als auch an den Universitäten erfolgen soll, in einem Punkt eine Verbesserung vorstellen:

    "Der pädagogische Anteil an der Ausbildung, an der Gymnasiallehrerausbildung, ist ein bisschen gering für meinen Begriff. Deswegen würde ich es nicht so schlecht finden, das zusammenzulegen."

    Doch auch dies ist nach Ansicht von Bernd Saur vom Philologenverband Baden-Württemberg kein Argument für das Konzept eines Einheitslehrers:

    "Ich weise zurück diese alte Klaviatur, wonach der Gymnasiallehrer im fachdidaktisch-pädagogischen Bereich Defizite hätte. Das ist einfach eine Leier, die wir vorgespielt bekommen. Also diese alte Leier weise ich zurück."