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Ein Lehrer für alle Schulen

Bremen hat seine Lehrerausbildung reformiert. An der Universität der Hansestadt gibt es nur noch ein Lehramtsstudium für die Sekundarstufe, also alle Schulformen ab Klasse 5. Mit dem Konzept des "Einheitslehrers" passen sich die Pädagogen an die sich ändernden Anforderungen an.

Von Franziska Rattei |
    Andreas Lehmann-Wermser hat sein Studium für Schulmusik, Germanistik und Erziehungswissenschaft vor mehr als 30 Jahren abgeschlossen. Er hat an Gymnasien und Gesamtschulen unterrichtet. Seit sieben Jahren ist er Professor für Musikpädagogik an der Universität Bremen und bildet zukünftige Lehrer aus; seit drei Jahren die sogenannten "Einheitslehrer". "Von der Sache her stimmt das. Aber es klingt so unsympathisch", sagt er.

    "Ich kann ganz gut leben mit dem Bremer Begriff, den wir hier haben. Dass wir sagen: Das ist der Studiengang fürs Lehramt an Oberschulen und Gymnasien. Der zeigt an, in welchem Bereich man unterrichtet und dass man da eine ganze Breite repräsentiert hat."

    Lehmann-Wermsers Studenten können nach ihrem Studium an allen Sekundarschulen in Deutschland unterrichten; an einem bayerischen Gymnasium genauso wie an einer schleswig-holsteinischen Gesamtschule. Das Einheitsstudium für die Lehrer der Sekundarstufe unterscheidet sich von den früheren Studiengängen. Beispielsweise ist der Praxisanteil gewachsen, aber auch die Inhalte haben sich verändert, sagt der Professor für Musikpädagogik.

    "Es gibt hier zum Beispiel einen Bereich, der nennt sich Heterogenität. Und der versucht sehr früh, den Studierenden zu zeigen: Ihr habt es mit einer heterogenen Schülerschaft zu tun, und zwar in vielerlei Hinsicht heterogen, und zwar nicht nur. Was einem immer zu erst einfällt: kulturelle Heterogenität und die sprichwörtlichen Türken, sondern auch Leistungsheterogenität – und dieses ganze Spektrum versuchen wir auch den Studierenden zumindest vorzustellen und sie auch ein Stück weit dafür fit zu machen, damit umzugehen."

    Noch gibt es keine Absolventen des Studiengangs. Die Ersten werden 2015 abschließen. Aber einige wissen bereits, dass für sie nur ein Gymnasium oder nur eine Oberschule infrage kommt. Diese Art von Gesamtschule existiert in Bremen seit der Schulreform 2010. Alle Kinder lernen von der fünften bis zur zehnten Klasse gemeinsam. Jeder Abschluss ist möglich: von der erweiterten Berufsbildungsreife über den mittleren Schulabschluss bis hin zum Abitur. Oder wie es früher hieß: vom Hauptschulabschluss über den Realschulabschluss bis hin zur Hochschulreife. Für die Lehrer bedeutet das: Sie müssen sowohl gymnasiales Fachwissen als auch pädagogisches Geschick für schwache Lerner mitbringen. Kein Widerspruch, meint Lehmann-Wermser.

    "Nicht wenige Kollegen in Mathematik sagen zum Beispiel: Ich muss ein gutes Verständnis von der Modellierung von Mathematik haben, wenn ich gerade lernschwachen Kindern beibringen will, was ist denn die Essenz des Dreisatzes oder der Geometrie? Ich muss fachlich gut sein, um das zu verstehen und nicht einfach bloß die Lösungswege auswendig zu lernen."

    Das fachliche Niveau sei für den einheitlichen Studiengang nicht abgesenkt worden, auch der Umfang der Erziehungswissenschaft habe sich nicht verändert im Vergleich zu früheren Studiengängen. Allein der Bereich der Fachdidaktik, also WIE Inhalte gelehrt werden, wurde aufgestockt, sagt Lehmann-Wermser. Er findet, die Einheitsausbildung für Lehrer in der Sekundarstufe ist eine logische Konsequenz aus der Realität. Denn mittlerweile sind die Klassen sowohl an Gesamtschulen als auch an Gymnasien zunehmend bunt gemischt. Das Klischee, Gymnasiallehrer könnten als reine Fachidioten bestehen, habe längst ausgedient, sagt er. Gymnasien seien heute keine Eliteschulen mehr, das sogenannte Bildungsbürgertum sterbe aus.

    So sieht es Sabine Jacobsen auch. Sie leitet die Neue Oberschule Gröpelingen und meint, die Anforderungen an Lehrkräfte sind gewachsen. Aber mit neuen Lehrmethoden lassen sie sich durchaus bewältigen.

    "Wenn man nicht nur denkt als Lehrkraft wie früher: Frontalunterricht, ich bringe den Kindern etwas bei, heißt es heute: Ich bin Unterrichtsmanager, wenn man so will. Ich besorge gutes Material und setze aber zusätzlich auch die Schüler und Schülerinnen als Experten mit ein."